Astrid Vogelheim: „Es ist erschreckend, dass diese Notsituationen für rechte Erzählungen missbraucht werden“

Zur Großen Anfrage der "AfD"-Fraktion zur Hochwasserkatastrophe 2021

Portrait Astrid Vogelheim

Astrid Vogelheim (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie ernst der AfD dieses Thema ist, kann man ziemlich deutlich an dem hämischen Gelächter während der vorangegangenen Redebeiträge ablesen.

(Christian Loose [AfD]: Bei lächerlichen Beiträgen können wir auch lachen! – Weitere Zurufe von der AfD – Kirsten Stich [SPD]: Das gibt es doch nicht!)

Bei dem Thema dieser Großen Anfrage gibt es zwei Dinge, die mich schockieren.

Erstens ist das die Skrupellosigkeit, mit der manche die Notsituation der Betroffenen des Hochwassers ausgenutzt haben. 632-mal wurden Eigentumsdelikte im Zusammenhang mit der Hochwasserkatastrophe begangen. Hinter jedem dieser Fälle verbergen sich Einzelschicksale – Schicksale von Menschen, die von den Wassermassen überrascht ihr Zuhause verlassen mussten, um sich selbst zu retten; Menschen, die ihre Lieben, ihr Zuhause und die Grundlagen ihrer Existenz verloren haben. Es ist unfassbar, dass es Menschen gibt, die eine solche Situation ausnutzen und in Häuser einbrechen, um die letzten verbliebenen Wertgegenstände zu stehlen.

(Sven Werner Tritschler [AfD]: Warum lassen Sie sie dann ins Land?)

Diese Straftäter müssen verfolgt, verurteilt und bestraft werden. Dafür braucht es eine funktionierende Polizei und eine Justiz, die ihre Arbeit macht. Beides haben wir in NRW.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zweitens. Es ist erschreckend, dass diese Notsituationen für rechte Erzählungen missbraucht werden.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Schon direkt nach der Hochwasserkatastrophe kamen Querdenker*innen in die betroffenen Gebiete und verbreiteten bewusst Falschmeldungen. Sie behinderten zeitweise die Arbeit des THW und der Bundeswehr und nutzten die Gelegenheit, ihre Narrative zu verbreiten.

(Andreas Keith [AfD]: Was hat das jetzt damit zu tun?)

Rechtsextreme gaben sich als Helfende aus, schalteten Spendenaufrufe unter Titeln wie „Deutsche helfen Deutschen“ oder „Hilfe für Deutsche“

(Sven Werner Tritschler [AfD]: Unerhört!)

und verbreiteten so ihre spaltende Ideologie.

(Sven Werner Tritschler [AfD]: Hilfe für Deutsche geht ja gar nicht!)

Aber die Menschen vor Ort lassen sich nicht spalten.

(Sven Werner Tritschler [AfD]: Zum Wohle des deutschen Volkes!)

Sie standen und stehen zusammen.

(Zuruf von Sven Werner Tritschler [AfD])

Vizepräsidentin Berivan Aymaz: Frau Abgeordnete, Frau Kollegin, einen ganz kurzen Moment, bitte. – Darf ich bitte darum bitten, dass Sie mit den Zwischenrufen aufhören und die Kollegin endlich mal in Ruhe ausreden lassen?

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von der AfD)

Sie haben die Möglichkeit, Zwischenfragen und Kurzinterventionen anzumelden. Sie wissen das und machen davon auch Gebrauch. Dann hören Sie doch bitte damit auf, hier immer wieder ihre Rede zu unterbrechen.

(Sven Werner Tritschler [AfD]: Zwischenrufe gehören auch zum Parlamentarischen!)

– Ich entscheide hier, was zum Parlamentarischen gehört und was nicht. Ich habe jetzt die Entscheidung getroffen und Sie darauf hingewiesen, dass Sie damit bitte endlich mal aufhören. Jetzt ist Schluss.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Sven Werner Tritschler [AfD]: Lesen Sie mal die Geschäftsordnung!)

Sie haben das Wort.

Astrid Vogelheim (GRÜNE): Die Menschen vor Ort lassen sich nicht spalten. Sie standen und stehen zusammen. Ich bin noch immer tief beeindruckt davon, mit welcher Hilfsbereitschaft die Menschen in ganz NRW im Sommer 2021 reagiert haben. Sie und vor allem die Einsatzkräfte vor Ort, die alle Menschen unterstützt haben, sind die wahren Helfenden.

Rechten Akteuren geht es nicht darum, die Probleme von Menschen zu lösen. Sie freuen sich geradezu über Notlagen; denn es sind Gelegenheiten, um ihre menschenfeindlichen Einstellungen zu verbreiten.

Hier knüpft die AfD nahtlos an. Denn diese Anfrage macht erneut deutlich, welches Menschenbild die AfD hat. Ist ein Verdächtiger deutsch, fragt die AfD, ob die Person nicht vielleicht noch einen zweiten Pass hat. Ist das nicht der Fall, fragt die AfD, ob die Person nicht vielleicht einen Vornamen hat, der auf eine vermeintliche Migrationsgeschichte hindeutet. Es geht der AfD einzig und allein darum, rassistische Ressentiments in der Gesellschaft zu schüren.

Sie spielen sich als Anwalt der Betroffenen auf. Dabei spielt es für die Betroffenen keine Rolle, und es darf auch für die Polizei und die Justiz keine Rolle spielen, welche Staatsangehörigkeit oder Vornamen die Täter haben.

(Sven Werner Tritschler [AfD]: Doch! Dann kann man sie abschieben!)

Ich bin sehr froh, dass wir in einem Land leben, in dem sich alle Menschen gleichermaßen an Recht und Gesetz halten müssen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Sven Werner Tritschler [AfD]: Ein Straftäter muss abgeschoben werden! – Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Wohin sollen wir die AfD denn abschieben?)

Falls den Abgeordneten der AfD der Art. 3 unseres Grundgesetzes nicht geläufig ist, lese ich ihn gerne einmal vor:

„Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

[…]

Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“

Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelt Beifall von der CDU)