Arndt Klocke: „Wir brauchen verbindliche Hardware-Nachrüstungen“

Unterrichtung der Landesregierung und Antrag der GRÜNEN in Landtag zu Fahrverboten für Dieselfahrzeuge

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Arndt Klocke (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Ministerpräsident, mit Ihrer heutigen Unterrichtung sind Sie der Beantragung weiterer Aktueller Stunden der Opposition zuvorgekommen, denn das Thema liegt im wahrsten Sinne des Wortes auf der Straße, insbesondere nach Ihrer bemerkenswerten Pressekonferenz, die Sie vor zwei Wochen hier gehalten haben.
Wenn Sie eben gesagt haben, es sei nicht die Zeit für flotte Sprüche und schnelle Aussagen oder das Urteil wäre uminterpretiert worden, muss ich Sie fragen: Wer war denn derjenige, der mit flotten Sprüchen und mit einer Uminterpretation des Urteils vor zwei Wochen vor der Landespressekonferenz gesessen hat? – Das waren Sie, Herr Ministerpräsident Laschet!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
In Ihrem Kabinett besteht eine große Vielstimmigkeit, wie man mit diesem Urteil umzugehen hat. Da gibt es die Aussagen seitens des Verkehrsministers – Herr Kollege Dahm hat sie eben angesprochen –, der zwar auf der einen Seite die Deutsche Umwelthilfe angreift, aber auf der anderen Seite sagt: Ohne Hardware-Nachrüstung werden wir in diesem Punkt nicht weiter- kommen.
Dann gibt es die Aussagen der Umweltministerin, die zunächst das Urteil prüfen und die Urteilsbegründung abwarten will, die etwa im Mai vorliegen wird. Weiterhin haben wir den Ministerpräsidenten, der sich vor die Presse stellt und – ohne mit den Bezirksregierungen gesprochen zu haben und ohne dass die Staatskanzlei mit den Regierungspräsidien Kontakt aufgenommen hat – ein Urteil uminterpretiert und mögliche Fahrverbote, die unter bestimmten Bedingungen erfolgen, per se als nicht umsetzbar und als nicht tolerierbar darstellt. Das haben Sie getan, Herr Ministerpräsident.
(Armin Laschet, Ministerpräsident: So ist das Urteil!)
– So ist nicht das Urteil, sondern das ist Ihre Interpretation dieses Urteils. Wir wissen es jedenfalls aus Gesprächen mit den Bezirksregierungen, dass Ihre Aussagen dort für Irritationen gesorgt haben, weil mit ihnen nicht gesprochen worden ist und weil Sie sich vor die Presse stellen und eine sehr eigenartige und eigenständige Rechtsauslegung vornehmen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Was Sie hier gemacht haben, Herr Ministerpräsident, ist das Gegenteil von dem, was Sie – so vermute ich –, wenn man es gut mit Ihnen meint, eigentlich wollen, nämlich die Städte bzw. die Autofahrerinnen und Autofahrer schützen. Mit Ihrem Vorpreschen werden Sie letztlich, wenn Sie diese Linie weiterführen, genau das Gegenteil erreichen.
Wenn Sie nicht klar Ross und Reiter benennen, wenn Sie nicht einen klaren Maßnahmenkatalog vorlegen, dann wird es in der Folge dazu kommen, dass – jedenfalls in einigen Städten und auf einigen Routen –Fahrverboten ausgesprochen werden. Das haben Sie in Ihrer Rede gerade auch nicht ausgeräumt.
In jeder Sitzung des Verkehrsausschusses machen uns die Vertreter der Landesregierung und die regierungstragenden Fraktionen klar, dass hier sieben Jahre lang nichts getan wurde. Daher ist es durchaus bemerkenswert, dass Sie anerkannt haben, dass die vorige Landesregierung in wichtigen Bereichen Dinge auf den Weg gebracht hat, die Sie jetzt entsprechend weiterführen. Sie haben in Ihrer Rede vorhin versäumt, zu verdeutlichen, was die Landesregierung über die bisher schon laufenden Maßnahmen hinaus tun wird, um Fahrverbote in den Städten zu verhindern.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Dazu machen Sie noch den Fehler, dass Sie Recht und Gesetz infrage stellen. Ich möchte gerne wissen, Herr Ministerpräsident, wie Sie und auch der FDP-Koalitionspartner reagiert hätten, wenn ein grüner Landesminister oder ein grüner Ministerpräsident es gewagt hätten, eine solche Urteilsauslegung eines höchstrichterlichen Spruchs des Bundesverwaltungsgerichts vorzunehmen, wie Sie das hier in Düsseldorf vor der Landespressekonferenz getan haben Herr Ministerpräsident, und was dann hier im Plenarsaal los gewesen wäre!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Auch Sie sind an Recht und Gesetz gebunden. Wo kämen wir denn hin, wenn die Regierung oder der Ministerpräsident in Gutsherrenart darüber befände, wie ein Urteilsspruch umzusetzen ist?
(Armin Laschet, Ministerpräsident: Der ist klar!)
– Das Urteil ist klar, aber das, was Sie sagen, ist nicht klar. Sie haben keine klare Linie in dieser Frage.
(Bündnis 90/Die Grünen – Armin Laschet, Ministerpräsident: Glasklar!)
Herr Löttgen, nun zu Ihnen und Ihrer Pressemitteilung zur Deutschen Umwelthilfe. Sie haben in einer bemerkenswerten Presseerklärung zehn Tage nach dem Richterspruch darauf abgehoben, dass die Deutsche Umwelthilfe möglicherweise bestechlich sei, weil im Spendenportfolio Eingänge von Toyota stehen. Toyota macht gemeinsam mit der Deutschen Umwelthilfe seit einigen Jahren ein Projekt für Umwelttaxis und hat bundesweit eine große Umfrage zu Dienstwagen durchgeführt.
Sie haben sehr süffisant eingefügt, dass die Unabhängigkeit der Deutschen Umwelthilfe ja nicht gewährleistet sei. Lieber Herr Löttgen, ich habe … Das unterstellen Sie …
(Bodo Löttgen [CDU]: Wo steht das?)
–  Glasklar in Ihrer Pressemitteilung –.
(Bodo Löttgen [CDU]: Zitieren Sie doch mal! Lesen Sie doch mal vor!)
–  Ich zitiere jetzt mal den Spendenbericht des Deutschen Bundestages aus dem Jahre 2017, der dem Bundestagspräsidenten vorliegt. Dort steht, dass im letzten Sommer zwei Spenden in Höhe von 50.000 € seitens BMW an die CDU geflossen sind. Außerdem gibt es eine Spende in Höhe von 100.000 € seitens Daimler Benz an die CDU.
(Zurufe)
Würden Sie, Herr Löttgen – Sie haben gleich im Rahmen Ihres Redebeitrags die Möglichkeit, hierzu etwas zu sagen –, der Deutschen Umwelthilfe wirklich unterstellen wollen, dass sie aufgrund dieser Zuwendung von Toyota von der Industrie gekauft worden ist?
Angesichts Ihrer Spendeneingänge bei der CDU auf Bundesebene müssten Sie doch das Urteil fällen, dass Sie genauso der deutschen Automobilindustrie hinterherrennen und deren Maßnahmen unterstützen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Jetzt komme ich zum eigentlichen Forderungskatalog: Wir brauchen verbindliche HardwareNachrüstungen. Das ist die einzige Möglichkeit, wie wir zeitnah, schnell und flexibel Fahrverbote verhindern können.
(Beifall von den GRÜNEN)
Dazu hat der Verkehrsminister klare Aussagen getätigt, aber auch ADAC, DGB, Deutscher Städtetag, Städte- und Gemeindebund, der CDU-Oberbürgermeister von Essen und die Kölner Oberbürgermeisterin fordern die verbindlichen Hardware-Nachrüstungen.
Herr Ministerpräsident, Sie haben hier keine klare Linie. Ihr Verkehrsminister unterstützt diesen Vorschlag. Sollten wir sagen: „Mehr Wüst, weniger Laschet“? – Sie haben heute die Möglichkeit, klarzumachen, ob Sie als Ministerpräsident des größten Bundeslandes auf die Bundesregierung Druck und Einfluss ausüben, damit der neue Bundesverkehrsminister hierzu ein klares Konzept vorlegt, das die Automobilindustrie verpflichtet, auf ihre Kosten diese Hardware-Nachrüstung vorzunehmen. Herr Ministerpräsident, bekennen Sie Farbe!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich komme zum zweiten Schritt. Es ist doch möglich, hier genauso vorzugehen, wie es seinerzeit bei der grünen Plakette gelaufen ist, begonnen unter Ihrem Landesumweltminister Uhlenberg, weitergeführt von Herrn Remmel. Da ist es doch hinsichtlich der Feinstaubfrage und der Frage nach dem CO2 mit einem guten landesweiten Maßnahmenpaket gelungen, die Werte deutlich zu senken und mit der grünen Plakette eine Kontrollmöglichkeit zu schaffen.

Warum verweigert die Landesregierung weiterhin die Unterstützung für die Einführung der blauen Plakette, die ja die Kontrollmöglichkeit böte, im Anschluss an durchgeführte Hardware-Nachrüstungen nachzuvollziehen, ob die Fahrzeuge sauber sind?
Sie zitieren hier immer wieder Herrn Kretschmann. Herr Kretschmann hat da eine klare Haltung. Er setzt sich für die Einführung der blauen Plakette und die Durchführung entsprechender Hardware-Nachrüstungen mit Unterstützung der Industrie ein, die das eins zu eins bezahlen soll.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wenn Sie sich also auf Herrn Kretschmann berufen, dann müssten Sie Herrn Kretschmann in diesem Punkt auch unterstützen.
Herr Ministerpräsident, ich habe Ihnen eben sehr genau zugehört und fand durchaus bemerkenswert, dass Sie in Ihre Rede ein paar Punkte eingepflegt haben, die bisher seitens Ihrer Regierung in der Debatte eher unter „ferner liefen“ oder gar nicht angesprochen worden sind. Beispielsweise haben Sie von der Hintergrundbelastung durch die Braunkohlekraftwerke gesprochen. Das ist in Köln ein reales Thema. Unter anderem sind es die Kraftwerke und die Industrie, die hier zu einer entsprechenden Belastung führen.
Sie haben auch die Flughäfen angesprochen. Wäre es nicht heute an der Zeit, die Chance zu nutzen, hier eine klare dahin gehend Aussage zu machen, dass es – um die Innenstadtluft sauber zu bekommen – keine Kapazitätsausweitung am Düsseldorfer Flughafen über das hinaus geben wird, was wir heute schon an Flugbewegungen haben? Das wäre eine klare Aussage gewesen!
(Zurufe)
Was bedeutet es ansonsten, wenn man sagt, dass die Flughäfen zur Belastung beitragen? Es interessiert uns wirklich, was die Landesregierung unternehmen wird, um die deutliche Belastung, die von den Flughäfen ausgeht, zurückzudrängen.
Sie haben auch die Binnenschifffahrt angesprochen. Das ist ja durchaus richtig. Es steht aber die Frage im Raum, mit welchem Maßnahmen- und Handlungspaket die Landesregierung dazu beitragen wird, dass die Partikuliere auf dem Rhein für saubere Luft auf dem Rhein sorgen können? Wir alle wissen, dass das ein sehr schwieriges Projekt ist. Es gibt viele ei- genständige Unternehmer. Die Schiffe werden für einen Zeitraum von 40 oder 50 Jahren an- geschafft.
Es gibt eine neue EU-Richtlinie, die ab 2019 gilt. Diese fordert zumindest saubere Kraftstoffe. Die Frage lautet aber doch: Wie wird die Landesregierung antreten, um die Schiffer dabei zu unterstützen, von ihren dreckigen Antrieben wegzukommen und die Schifffahrt auf dem Rhein sauberer zu machen?
Wenn Sie es schon ansprechen, Herr Ministerpräsident, sage ich Ihnen: Sie regieren, Sie stellen die Ministerien. Sagen Sie uns, welches Maßnahmenprogramm Sie vorstellen wollen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Zum Abschluss: Sie erwähnen so gerne Aachen. Das ist im Grunde ein Ge- schenk, das Ihnen gemacht worden ist. Die vorige Landesregierung respektive die Wissenschaftsministerin hat über Jahre hinweg mit guten Förderprogrammen die Elektromobilität in Aachen ausgebaut. Wir waren schon damals dort und haben vor Ort Gespräche am Lehrstuhl geführt. Wir haben uns dort den ersten Prototypen des Streetscooter angeschaut.
Sie kommen zufällig aus Aachen und nutzen jede Gelegenheit, auf dieses Projekt abzuheben. Sie rekurrieren immer auf Aachen, haben aber jetzt die Gelegenheit versäumt, uns deutlich zu machen, mit welchen Maßnahmenprogrammen Sie über das hinaus – ich spreche dabei von den 100 Millionen €, die seitens des vorherigen Umweltministers im Bereich „emissionsfreie Innenstädte“ schon auf den Weg gebracht worden sind – tätig werden wollen, was bereits läuft. Was also wird die Landesregierung des Weiteren auf dem Gebiet der Elektromobilität fördern? Auch das wäre eine Chance gewesen.
Gleich folgt noch eine zweite Runde. Ich habe meine Rede bewusst ein Stück weit moderat angelegt, ….
(Heiterkeit von der CDU)
–  Ja, ich finde schon, dass das moderat war. Ich habe Fragen gestellt. Sie haben heute die Chance, hier Farbe zu bekennen. Was Sie gerade geliefert haben, war eher ein Rumlavieren. Sie haben sich an der Rechtsmaterie abgearbeitet, ohne eine klare Aussage zu treffen.
Die Bürgerinnen und Bürger, die Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister sowie auch die Bezirksregierungen sind überhaupt nicht zufrieden; denn Sie sprechen nicht mit ihnen. Sie sollten überhaupt mehr mit Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeistern sowie mit Bezirksregierungen reden anstatt mit der Automobilindustrie. Sie sollten auch nicht immer eins zu eins …
(Zuruf von der CDU)
–  Ja, es ist so! Man kann sich noch einmal das Interview ansehen, das Herr Mattes am Donnerstagabend als neuer VDA-Präsident in den „Tagesthemen“ gegeben hat. Darin werden die Forderungen der Automobilindustrie im Anschluss an das Urteil genannt. Das, was Sie am Freitag in der Pressekonferenz als Ihre Forderungen wiedergegeben haben, entspricht wirklich eins zu eins der Position von Herrn Mattes.
Herr Ministerpräsident, natürlich ist es wichtig, sich mit den Konzernen und den Vorständen zu unterhalten. Sie als Ministerpräsident haben die Aufgabe, die Interessen der Bürgerinnen und Bürger im Auge zu haben, deren Gesundheit zu schützen und zu einem Ausgleich zu kommen. Das machen Sie aber nicht!
(Beifall von den GRÜNEN)
Sie plaudern munter das nach, was in den Konzernzentralen diskutiert wird.
Das gilt für die Industrie und für die Energiepolitik, leider aber auch für die Verkehrspolitik. Sie nutzen nicht die Chance, Druck auf Berlin zu machen. Sie könnten den neuen Bundesverkehrsminister in die Pflicht nehmen, jetzt ein entsprechendes Maßnahmenprogramm vorzulegen. Sie könnten sich für Hardware-Nachrüstungen gegenüber der Automobilindustrie ein- setzen.
Sie sind der Ministerpräsident des größten Bundeslandes. Nutzen Sie diese Chance, und nutzen Sie in der zweiten Runde auch die Chance, hier, wie man so schön sagt, ein bisschen mehr Butter bei die Fische zu tun! Machen Sie uns klar und deutlich, wohin Sie eigentlich wollen! – Danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN)

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