Arndt Klocke: „Wir brauchen Entstigmatisierung und Präventionsarbeit“

Zum Antrag der SPD-Fraktion zur Psychotherapeutischen Versorgung

Arndt Klocke (GRÜNE): Danke. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist grundsätzlich gut und richtig, dass die SPD einen Antrag zu diesem Thema stellt. Ich finde, dass wir hier im Landtag bisher viel zu selten und viel zu wenig über das Thema „mentale Gesundheit und psychotherapeutische Versorgung“ gesprochen haben. Wir reden ja regelmäßig über Gesundheitspolitik, aber dieser Bereich kommt mir jedenfalls doch regelmäßig etwas zu kurz.

Wir hatten in der letzten Legislaturperiode die wirklich hervorragende Enquetekommission zum Thema „Einsamkeit“. Ich sehe Josef Neumann da. Britta Oellers ist vielleicht auch im Raum. Wir haben da wirklich gut zusammengearbeitet. Herr Vincentz hatte den Vorsitz. Jetzt geht es darum, in den nächsten Monaten und Jahren die Ergebnisse der Enquetekommission intensiv umzusetzen.

Das, was die SPD in dem Antrag zentral fordert, also die Analyse, dass wir haben zu wenige Therapieplätze haben und vor allen Dingen die Wartezeiten viel zu lang sind, ist eindeutig richtig. Das kann man überall beobachten. Das ist nicht nur in ländlichen Räumen oder an den Rändern der Ballungsgebiete so, sondern auch in den großen Städten.

Das ist ein großes Problem. Wenn Menschen den Mut gefasst und überhaupt die Erkenntnis haben, dass sie sich helfen lassen müssen, wenn dann über den Facharzt bei einer Therapeutin angerufen wird und Wartezeiten von sechs oder neun Monaten in Aussicht gestellt werden, ist das nicht hinnehmbar. In dieser Zeit chronifiziert sich die Krankheit und verschlimmert sich immer mehr. Das heißt, hier müssen wir ansetzen.

Aber hier ist auch der Bund gefragt. Den entsprechenden Zulassungsschlüssel legt der Bund zusammen mit der Kassenärztlichen Vereinigung fest. Das heißt, der Antrag der SPD richtet sich auch ein Stück an Bundesminister Laumann, … – Jetzt sage ich schon „Laumann“; ich habe Sie ernannt. Nein, Lauterbach.

(Rodion Bakum [SPD]: Um Gottes willen!)

– Ja, könnte er auch. Jetzt ist er hier Landesminister.

(Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Dann seid Ihr mich endlich los! – Heiterkeit)

Ich will Ihnen positive Beispiele nennen. Ich war vor einigen Wochen in Bochum. Dort gibt es ein Zentrum für Psychotherapie von der Ruhr-Uni in der Innenstadt, unweit des Hauptbahnhofs, mit 120 Therapeutinnen und Therapeuten. Ein Erstgespräch findet innerhalb von 48 Stunden statt – vorbildlich. Das ist nicht nur für Studierende gedacht, sondern alle Bochumer und die umliegende Bevölkerung können dort hingehen und bekommen einen Termin. Wir brauchen viel mehr solcher Zentren. Das muss entsprechend ausgebaut werden.

Als Idee: Viele Therapeutinnen und Therapeuten arbeiten mit einer halben Kassenzulassung, erledigen aber den ganzen formalen Kram, die ganze Orga, also die Vergabe von Terminen, selbstständig. Das ist eine große formale Aufgabe. Wir könnten eine gesetzliche Regelung finden und das Ganze dahin gehend öffnen – das müsste allerdings der Bund machen –, dass diese Therapeutinnen und Therapeuten eine Fachkraft für den gesamten Orgabereich anstellen können. Auch damit wäre uns geholfen, weil es eine Entlastung wäre. Therapeutinnen und Therapeuten könnten sich wirklich um die Klienten kümmern und müssten sich nicht mit Abrechnungen und anderen Fragen beschäftigen. Das auch als Anregung in Richtung Berlin.

Ein zentraler Punkt. Da sind der Landtag und die Landesregierung in Fortsetzung der Enquetekommission gefragt. Das alles haben wir intensiv miteinander diskutiert. Wir brauchen Entstigmatisierung und Präventionsarbeit, insbesondere in der Öffentlichkeit, in Schulen, in Jugendeinrichtungen, bei der Jugendarbeit, damit allen, insbesondere jungen Menschen nahegebracht wird, dass es kein Tabu ist, sich helfen zu lassen, zum Arzt zu gehen und Beratungseinrichtungen zu nutzen. Je eher man das macht, desto eher ist nämlich eine Chronifizierung einer Erkrankung zu verhindern und desto besser kann man intervenieren.

Ich finde gut, dass der Antrag in den Fachausschuss überwiesen wird. Man könnte ihn also noch anreichern. Vielleicht gelingt es uns ja sogar, danach einen fraktionsübergreifenden Antrag einzubringen, in den wichtige Punkte einfließen. Ich finde erst einmal die Richtung gut und richtig, das hier zu thematisieren.

Der Kollege der SPD hat eben angesprochen und positiv erwähnt, dass es schon jetzt vielfältige öffentliche Veranstaltungen im Bereich „Information und Entstigmatisierung“ gibt. Sie haben die Woche der Seelischen Gesundheit angesprochen.

Zum Abschluss sage ich mit gewissem Stolz – ich fühle mich da geehrt –, dass ich im Herbst Schirmherr der KölnBonner Woche für Seelische Gesundheit bin. Es wird 50 große Fachveranstaltungen in beiden Städten geben. Diese Wochen gibt es landesweit. Solche Veranstaltungen braucht es mehr.

Ich trage die grüne Schleife als Kennzeichen für mentale Gesundheit am Revers.

Es gibt in diesem Bereich wahnsinnig viel zu tun. Mit der Enquetekommission haben wir 65 Handlungsempfehlungen vorgelegt. Sie können sicher sein, dass in den nächsten Wochen vonseiten der Regierungsfraktionen mit einem fachkundigen Antrag aufgezeigt wird, was wir als Landesregierung uns alles vorgenommen haben. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Vereinzelt Beifall von der SPD)

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