Arndt Klocke: „Wir brauchen eine andere Verkehrsinfrastruktur“

Antrag der Fraktionen von CDU undFDP zum Transformationsprozess zur Autobahn GmbH

Arndt Klocke (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Voussem, ich möchte Ihnen ein Kompliment machen: Sie würden wirklich als Regierungssprecher taugen. Das meine ich wirklich ernst, denn Sie haben das eben mit so einem nüchternen, sachlichen und werbenden Unterton vorgetragen, dass ich Ihnen das fast abgenommen hätte – aber nur fast.
Was ich in meiner Redevorbereitung mit Fragezeichen versehen hatte, nämlich die Skepsis gegenüber der Umsetzung, mögliche Probleme im Transformationsprozess und auftretende Mängel, hat Kollege Middeldorf, mit dem ich manchmal hadere und den ich manchmal lobe oder mit dem ich manchmal auf einer Linie liege, in seiner Rede komplett bestätigt. Das fand ich schon bemerkenswert.
Dieser Antrag lässt erahnen, dass in diesem Transformationsprozess irgendetwas nicht rundläuft, wenn im Beschlussteil formuliert wird, „etwaigen drohenden Friktionen bei der Personalgewinnung, Verzögerungen bei Projekten sowie sonstigen Problemen frühzeitig entgegenzuwirken“ oder „schnellstmöglich die volle Handlungsfähigkeit der Autobahn GmbH sicherzustellen“.
(Carsten Löcker [SPD]: Ja!)
Warum machen Sie so einen Antrag? Klar, wir sitzen hier tagelang zusammen, es sind viele wichtige Themen etc., alle haben viel miteinander zu tun, und es gibt auch viele andere drängenden Themen. Warum schreibt die Regierungskoalition einen solchen Antrag und legt ihn dem Parlament vor?
Meine Einschätzung mit Fragezeichen war: Das läuft nicht so, wie Sie sich das gedacht haben. Bei Ihrer Rede, Herr Voussem, habe ich einen kurzen Moment gedacht: Scheint doch irgendwie ein gutes Konzept zu sein. – Doch dann war meine Skepsis wieder da, und die hat Kollege Middeldorf mit seinen Ausführungen eindeutig bestätigt.
Jetzt mal raus aus der Ironie:
(Hendrik Wüst, Minister für Verkehr: Habe ich gar nicht verstanden, dass es Ironie war! Ich bin zu blauäugig!)
Wir brauchen eine gute Verkehrsinfrastruktur, gute Bundesfernstraßen; die Debatte läuft schon seit Jahren. Wir haben es damals, als die ersten Ideen des Bundes aufkamen, diskutiert.
Ich bin kein Organisationsexperte, doch mein Empfinden war schon immer, dass es letztlich egal ist, ob das jetzt in Bundesauftragsverwaltung läuft oder in Berlin organisiert wird. Es geht um die schnellstmögliche Umsetzung von wichtigen relevanten Verkehrsprojekten.
Es gibt ein paar Beispiele beim Wasserstraßenbau oder bei der Bahn, wo vieles zentral in Berlin organisiert wird. Deswegen hatte ich eine hohe Grundskepsis, ob es jetzt besser läuft, wenn wir die Straßen auch noch nach Berlin geben.
Die habe ich weiterhin.
Der Prozess läuft ja. Man kann es heute nicht abschließend beurteilen, und das wird auch nicht die letzte Debatte zu diesem Thema sein.
Ich finde es gut und richtig, dass Landes- und Bundesstraßen in Nordrhein-Westfalen bei Straßen.NRW bleiben. Das ist eine komplett richtige Entscheidung; das haben wir auch damals gesagt.
Dieses Begleitgremium haben wir schon mehrfach diskutiert. Das war ein Vorschlag der Industrie- und Handelskammern; jedenfalls erinnere ich mich an Veranstaltungen dort und an Pressestatements.
So etwas als Begleitgremium zu machen, finde ich richtig, und zwar genauso, wie Kollege Middeldorf es gesagt hat: nicht nur um einmal im Jahr bei Kaffee und Kuchen zusammenzukommen und zwei Tage vorher einen 140-seitigen Referenzbericht zu bekommen. Stattdessen muss es darum gehen, wirklich konkret zu schauen: Wie läuft die Umsetzung von Projekten? Was muss verbessert werden? Wo gibt es Mängel?
Wenn ein solches Gremium so etwas leisten würde, fänden wir Grüne, fände ich persönlich das völlig richtig. Wenn das eingerichtet und gut zusammengesetzt wird, können wir das unterstützen.
Mir fehlt in dem Antrag etwas; da schließe ich an die Debatte an, die wir eben zu unserem Antrag zum Bundesverkehrswegeplan geführt haben: Das ist ein vierseitiger Antrag zur Verkehrsinfrastruktur und zur Gewinnung von Infrastruktur der Zukunft.
Ich will gar nicht nach dem Begriff „Klimaschutz“ fragen – das hätte mich jetzt äußerst gewundert –, aber ich finde auch kein einziges Wort zu nachhaltiger Infrastruktur, zur Mobilitätswende und zu Zukunftsherausforderungen. Es sind nur vier Seiten Papier von CDU und FDP, und das im Jahre 2020, in der aktuellen gesellschaftlichen Debatte und vier Wochen nach der Kommunalwahl mit ihren Ergebnissen.
Mit keinem Wort wird hier erwähnt, dass wir die Mobilität der Zukunft organisieren müssen, dass die Mobilität der Zukunft anders aussehen muss als bisher, dass wir von der Autovorrangpolitik wegkommen müssen.
Wir werden Pkw brauchen, wir brauchen intakte Straßen, wir brauchen gut sanierte Straßen, aber wir brauchen eine andere Verkehrsinfrastruktur. Ich bin fest davon überzeugt: Das wäre ein paar Sätze wert gewesen, auch wenn sich der Antrag erst mal um die Organisationsstruktur dreht.
Zusammengefasst ist das ein Antrag, der bei mir Befremden und Fragen zurücklässt. Wir Grüne werden ihn daher ablehnen. Sie sind sich offensichtlich auch in den Regierungsfraktionen in der Perspektive nicht ganz klar.
Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.
Arndt Klocke (GRÜNE): Ich bin auf jeden Fall näher an den Ausführungen der FDP, bei Herrn Middeldorf.
Herr Voussem, noch mal zum Regierungssprecher zurück: Es war einen Versuch wert, aber die Fragezeichen sind bei mir geblieben. Wir haben eine große Aufgabe vor uns, und ich habe nicht den Glauben …
Vizepräsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Klocke.
Arndt Klocke (GRÜNE): … und nicht die Hoffnung, dass das mit der Infrastruktur, wie sie jetzt in Berlin organisiert wird, umzusetzen ist. – Danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN)

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