Arndt Klocke: „Wie gelingt es uns in dicht besiedelten Städten, zusätzlichen Wohnraum zu schaffen?“

Antrag von SPD und GRÜNEN zur Wohnraumförderung

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Arndt Klocke (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Vorredner hat ja deutlich gemacht, dass er etwas vom Thema versteht.
(Jochen Ott [SPD]: Danke!)
– Ein Lob in Richtung SPD ist ja auch mal richtig.
(Minister Michael Groschek: Und das aus Kölner Mund!)
– Und das aus Kölner Mund. Es war auch ernst gemeint.
(Beifall von den GRÜNEN)
Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben diesen Antrag heute auf die Tagesordnung gesetzt, weil wir meinen: Wenn man Gutes tut, dann darf man hier im Plenum als Landesregierung und als regierungstragende Fraktionen auch einmal darüber reden.
Wir haben heute Morgen in der ersten Debatte gehört, was alles in unserem Land angeblich nicht gut läuft, wo es hakt, hängt und klemmen soll. Im Bereich des Wohnungsbaus ist das jedenfalls nicht der Fall – was nicht heißt, dass es nicht noch besser werden muss. Wir brauchen dringend bezahlbare, barrierefreie, altersgerechte Wohnungen, und zwar deutlich mehr, als wir in den letzten Jahren geschaffen haben.
In diesem Segment ist aber – der Kollege Ott hat eben schon deutlich darauf hingewiesen – über zehn, 15, fast 20 Jahre zu wenig passiert. Da müssen sich einige Regierungen an die Nase fassen. Es sind Förderprogramme zurückgefahren worden. Die Städte haben nicht da Druck gemacht, wo es notwendig war. Man hat gerade in den Jahren von 2005 bis Anfang der 2010er-Jahre die Trends, die gerade in den Boomregionen schon zu bemerken waren, nämlich in den großen Städten in Nordrhein-Westfalen, die damals schon als wachsend prognostiziert worden sind – Städte wie Köln, Münster, Aachen, Bonn etc. –, ignoriert. Auch da ist in diesen Jahren zu wenig passiert. Dort wurde –auch zusammen mit den Genossenschaften und den entsprechenden Wohnungsbauunternehmen – zu wenig bezahlbarer Wohnraum geschaffen.
Daher ist es zu begrüßen – das wollen wir in der Debatte auch deutlich machen –, dass mit dem Aufstocken der Förderprogramme und dem Neuanschieben von Förderprogrammen seitens der Landesregierung und seitens des Ministers hier vieles auf den Weg gebracht worden ist.
Wir haben jetzt aufgrund der vielen Menschen, die neu in das Land gekommen sind, die als Flüchtlinge angekommen sind und die hier in den nächsten Jahren Wohnraum suchen, die Situation, dass sich die Lage noch einmal ein Stück verschärft. Aber der grundsätzliche Sachverhalt, dass wir gerade im unteren Preissegment bezahlbaren Wohnraum brauchen, ist schon seit vielen Jahren bekannt.
Wir haben außerdem die Situation, dass wir weiterhin insbesondere in den Ballungsräumen hohe Mietanstiege haben. Die Mietpreisbremse ist ein Instrument, das ein Stück Wirkung zeigt. Das ist aber noch nicht genug. Hier müssen wir uns weiter Gedanken machen, wie wir gerade für junge Menschen, für Familien, für Studierende etc. bezahlbare Wohnungen anbieten können und wie wir die Mietpreisentwicklung entsprechend abfedern können.
Ich will auf eine Sache zu sprechen kommen, die bisher in der Debatte noch nicht angesprochen worden ist, nämlich auf die Frage von Flächenkonkurrenzen. Ich denke, dass uns das in den nächsten Jahren in allen Städten und allen Regionen, in denen gebaut werden soll, Probleme bereitet. Das ist meines Erachtens keine Frage irgendeiner politischen Ausrichtung, sondern wir werden uns die Frage stellen – die Bauämter der Städte und die Stadtplanungsämter stellen sich diese Frage ja schon –: Wie gelingt es uns in dicht besiedelten Städten, zusätzlichen Wohnraum zu schaffen? Stichworte sind „vertikales Bauen“, „Nachverdichtung“, „Schließung von Baulücken“ etc. Da wäre es wünschenswert, wenn Städte Programme, die lange existierten und dann heruntergefahren wurden, jetzt wieder reaktivieren würden.
Wir haben die Situation, dass in vielen Planungsämtern – auch die Verwaltungen sind gefragt, was kompetente Menschen in den entsprechenden Ämtern angeht – in den letzten Jahren leider viel Personal abgebaut worden ist. Ingenieurstellen sind nicht nachbesetzt worden. Wir haben in den Bauämtern zu wenig Personal. Die Bauanträge brauchen zu lange. Ich erhalte immer wieder Beschwerden von Menschen, dass sie in Troisdorf, in Pulheim, in Bielefeld Bauanträge gestellt haben …
(Yvonne Gebauer [FDP]: In Köln!)
– In Köln mit Sicherheit. Ich wollte Köln jetzt nicht als Erstes nennen, Frau Kollegin Gebauer. Aber natürlich ist das auch in Köln der Fall.
Es beschweren sich Leute, dass sie nicht, wie es sein sollte, einen Monat auf die Genehmigung und Bewilligung des Antrags warten, sondern vier bis fünf Monate, bevor sie beginnen können.
Das ist vonseiten der Landesregierung nicht mittelbar zu lösen. Hier sind die Kommunen gefragt. Wir müssen sie aber dabei unterstützen, damit wir mehr Substanz in die Ämter bekommen; denn sonst werden wir diese Anträge nicht bearbeitet bekommen, und es wird nicht vorangehen.
Es wird in den Städten Debatten um Flächen geben. In Nippes kennen wir dieses Problem sehr konkret. Herrn Ott ist es auch bekannt, da er im gleichen Stadtteil wohnt. Wir haben derzeit die Situation, dass es da nicht allzu viel Grün gibt. Es ist ein gut besiedelter Stadtteil mit vielen Straßen in Richtung Zoobrücke. Aber es gibt Frischluftschneisen, Grünzüge und Kleingärten. Jetzt ist die berechtigte Debatte in der Stadt, die vom Baudezernenten aufgeworfen wurde, mit entsprechenden Neubauten und Nachverdichtungen in diesen Ecken Wohnraum zu schaffen. Das ist ein wachsender, prosperierender Stadtteil. Aber natürlich stellt sich auch die Frage: Wie schaffen wir dort Naherholung, Nachhaltigkeit und Frischluftschneisen? Die Probleme des Klimawandels – heiße Sommer etc. – stellen sich ebenfalls.
Da muss man zu einem Ausgleich kommen. Es wird wahrscheinlich ein mühsames Ringen sein. Ich hoffe, dass man nicht in Debatten „Ökologie versus Wohnungsbau“ hineinkommt; denn das wäre falsch.
(Minister Michael Groschek: Richtig!)
Die Frage des notwendigerweise zu schaffenden Wohnraums ist da. Sie ist real. Sie ist nicht von der Hand zu weisen. Aber wir müssen auch dafür sorgen, dass unsere Städte in 20, 30 Jahren lebenswert sind, dass sie entsprechend grün sind, dass sie Naherholung bieten, dass sie Freiflächen bieten. Es wird in den nächsten Jahren ein mühsames Ringen sein, da zu einem Ausgleich zu kommen und das ohne ideologische Scheuklappen zu betrachten.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass wir bei aller Notwendigkeit, jetzt schnell zu handeln, nicht wieder zum Schlichtbau der 60er- und 70er-Jahre kommen. Damals wurden irgendwelche Wohngettos angelegt, die jetzt dringend sanierungsbedürftig sind. Es ist zwar richtig, dass wir, wie Kollege Ott gesagt hat, jetzt bauen, bauen, bauen müssen. Der Minister unterstreicht das ja auch immer mit wortreichen Bildern. Aber bei diesem ganzen Bauen wollen wir nicht die Erkenntnisse des Städtebaus und des Wohnungsbaus der letzten 20, 30 Jahre vernachlässigen – dass Wohnraum auch lebenswert sein muss, dass entsprechende Wohnsiedlungen und Wohngettos nicht entstehen
(Beifall von den GRÜNEN und Jochen Ott [SPD])
bzw. dass sie angebunden sein müssen, dass sie verkehrlich angebunden sein müssen, dass es Infrastruktur gibt, dass bei der Planung berücksichtigt wird: Was ist zum Beispiel mit Kindertagesstätten? Was ist mit der Nähe zu Schulen? Was ist mit Naherholungsangeboten? Was ist mit Carsharing, sodass die Leute, die das wollen, auch die Möglichkeit haben, auf das eigene Auto zu verzichten? Alles das muss bei der dringend notwendigen Planung berücksichtigt werden.
Auch wenn vieles jetzt schnell gehen muss, sollte man die wichtigen Erkenntnisse, die es in der Städtebaupolitik in den letzten Jahren und Jahrzehnten gegeben hat, nicht vernachlässigen. Wir wollen kein neues Chorweiler, keinen neuen Kölnberg oder kein neues Kinderhaus in Münster. Diese ganzen Sanierungsfälle wollen wir nicht. Wir wollen schnell handeln, aber wir wollen auch nachhaltig handeln. Dafür werben wir, sehr geehrte Damen und Herren.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Das haben wir mit dem Antrag auch deutlich gemacht. Wir haben die Förderinstrumente noch einmal genannt. Deswegen bitte ich Sie um Zustimmung. Es sind viele vernünftige, wichtige Instrumente dort benannt. Das müsste eigentlich im ganzen Haus konsensfähig sein. – Danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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