Arndt Klocke: „Vor Ort wissen die Leute ganz genau, was beim Wohnungsbau wichtig ist“

Zur Aktuellen Stunde auf Antrag der SPD-Fraktion zu Wohnraumförderung

Arndt Klocke (GRÜNE): Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, wenn ich Ihr Hausarzt wäre, würde ich wahrscheinlich sagen: Sie handeln bei der Medikation nach dem Motto „viel hilft viel“. Das ist aber nicht immer richtig, denn es kommt schon auf die Dosierung an.

Wir alle saßen erst letzten Donnerstag in der großen Anhörung. Die haben Sie noch nicht mal ausgewertet, schon folgt eine Aktuelle Stunde und gleich hinterher noch ein Tagesordnungspunkt. Als Fachpolitiker freue ich mich darüber.

(Sebastian Watermeier [SPD]: Na, gucken Sie mal!)

Wir können reden und diskutieren; die Chance hat man auch nicht immer. Aber man muss auch etwas Neues zu verkaufen haben. Im Einsetzungsantrag für die Aktuelle Stunde steht wirklich nichts Neues.

(Zuruf von Sarah Philipp [SPD])

Es ist immer die gleiche Schallplatte, die aufgelegt wird.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Man muss sich dann schon fragen …

(Christian Dahm [SPD]: Das Thema bleibt aber aktuell!)

– Das Thema ist aktuell; da sind wir uns alle einig. Es finden regelmäßig Podiumsdiskussionen bei den Verbänden etc. statt.

(Zuruf von Elisabeth Müller-Witt [SPD])

Sebastian Watermeier, Kollegin Freimuth, Jochen Ritter, Fabian Schrumpf und ich sehen uns ja regelmäßig und sind uns in der Analyse einig, aber es ist eben nicht singulär zu beantworten.

Die Fragen sind: Wie schaffen wir mehr bezahlbaren Wohnraum? Wie schaffen wir mehr Wohnungsbau? Man könnte 15 Faktoren nennen, die real wichtig sind, um da voranzukommen.

Bei der dauernden Thematisierung des Problems hielte ich die SPD für glaubwürdiger, wenn es ein SPD-regiertes Bundesland gäbe, von dem man sagen könnte, dass es da deutlich besser ist. Das sehe ich nicht. Die SPD stellt den Kanzler und die Bauministerin in Berlin. Wo ist der Referenzrahmen?

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

In Nordrhein-Westfalen haben wir jetzt eine schwarz-grüne Landesregierung, aber es gibt eine ganze Reihe von Kommunen und Landkreisen, die sozialdemokratisch regiert werden. Wo ist denn das große Prä oder der große Schritt bei der Wohnungsversorgung in Bielefeld oder in Dortmund oder in Bochum oder in Duisburg? Das sind SPD-regierte Kommunen mit einem SPD-Oberbürgermeister.

(Gregor Golland [CDU]: Nichts! – Zuruf von Sarah Philipp [SPD])

Wenn ich in Bielefeld einen Termin bei der Freien Scholle mache, werden mir die gleichen Probleme erzählt wie in Köln, in Aachen oder in Hamm. Wenn man das Ganze so intensiv thematisiert, wie die SPD das macht – das kann man ja machen –, dann muss man auch ein paar positive Beispiele nennen.

Die Opposition setzt doch Themen, um bei der nächsten Gelegenheit die Regierung und auch den Bauminister zu stellen. Wenn man das will, muss man doch sagen: So würden wir das anders und besser machen. – Das erkenne ich, ehrlich gesagt, bei der SPD nicht.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Es geht darum, ständig ein Thema zu setzen und darauf zu hoffen, dass morgens im WDR 2 bei Sabine Heinrich über Wohnen und die SPD gesprochen wird, in dem Zusammenhang.

(Sarah Philipp [SPD]: Weil das richtig ist!)

Irgendein Strategieberater der SPD wird gesagt haben:

(Zuruf von der SPD: Oi!)

Wenn ihr das ständig als Thema bringt, dann kommen wir in der Sache voran.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Sarah Philipp [SPD]: Sag doch mal was zum Thema! Sag was zu den Zahlen! Darum geht es!)

– Liebe Sarah Philipp, SPD-Parteivorsitzende in Nordrhein-Westfalen, ich glaube, ich habe da einen wunden Punkt getroffen, wenn ich die Reaktionen in den ersten beiden Reihen sehe. Wir beide haben mal ein paar Jahre zusammen Wohnungspolitik gemacht in der rot-grünen Regierungszeit mit einem sehr aktiven und erfolgreichen SPD-Bauminister.

(Sarah Philipp [SPD]: Da war super!)

Da waren wir viel sachlicher miteinander im Gegensatz zu dem, was ich mir eben angehört habe, Thema „Hüpfburgen“.

Am 1. Januar ist die neue Landesbauordnung in Kraft getreten. Wir haben darin eine ganze Reihe von Punkten aufgenommen, um Bauen schneller voranzubringen, um Typengenehmigungen schneller zu ermöglichen. Es ging um die Frage von Dachgeschosswohnungen, die sogenannte kleine Bauvorlagenberechtigung, die Solarverpflichtung usw. Da ist so viel drin, und jetzt haben wir Ende Februar. Die Bauordnung ist am 01.01. in Kraft getreten.

Man kann natürlich immer sagen: „Das greift nicht, das ist zu wenig und zu kurz“, wenn man es nach zwei Jahren bilanzieren würde. Die Koalition hat immer erklärt, dass man die Bauordnung, wenn es in dieser Legislatur weitere relevante Punkte gibt, noch mal angehen kann. Nach zwei Monaten aber von Totalversagen zu sprechen, dass alles vor die Hunde geht und überhaupt nichts passiert, entspricht nicht der Realität in diesem Land.

(Sarah Philipp [SPD]: Ihr sollt euch nicht so abfeiern!)

– Nein, das entspricht nicht der Realität.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ich sage Ihnen und euch, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, wem dieses Tremolo nutzt. Es geht nicht darum, den Finger in die Wunde zu legen bei Sachen, die real anzupacken sind, sondern es geht um den Sound, der darüber liegt – das hat auch Fabian Schrumpf eben gesagt – mit irgendwelchen rostigen Dings und Hüpfburgen usw. Ich sage euch, wem das nutzt: der braunen Truppe da vorne.

(Lebhafter Widerspruch von der SPD)

– Absolut, so ist das. Ja, das ist so. Natürlich ist das so, aber exakt.

(Jochen Ott [SPD]: Damit kann man Demokratie erschlagen! Unverschämtheit! – Zuruf von Kirsten Stich [SPD] – Weitere Zurufe)

– Empörung runterschalten.

(Unruhe – Glocke)

Ich bin weit davon entfernt, zu sagen, das sei beabsichtigt. Das ist natürlich in keiner Weise beabsichtigt, aber das führt dazu, weil in der öffentlichen Debatte der Eindruck aufkommt.

(Zuruf von der SPD: Dann macht euren Job!)

– Liebe Leute, die Probleme …

(Zurufe von der SPD)

– Sie können doch gerne mal – nein, nicht die Opposition abschaffen – sachlich konstruktive Vorschläge machen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Sebastian Watermeier [SPD]: Wozu hatten wir eigentlich letzte Woche eine Anhörung?)

Was sind ganz konkret die Punkte? Wir haben letzte Woche drei Stunden in diesem Plenarsaal gesessen, und sie waren alle da: die kommunalen Spitzenverbände, Mieterbund, VdW, die Bauverbände etc. Das war eine sachlich gute Debatte. Die müssen wir erst einmal auswerten.

(Sebastian Watermeier [SPD]: Wer hat die ausgelöst? Die SPD mit ihrem Antrag, Herr Klocke!)

Jetzt legt ihr noch mal nach, wieder mit dem Sound: Die Landesregierung tut nichts. Es passiert nichts. Das sind Hüpfburgen usw. – Das stimmt doch überhaupt nicht.

(Sarah Philipp [SPD]: Das war unser Antrag!)

Nordrhein-Westfalen ist bundesweit vorbildlich, was die Wohnraumförderung angeht.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Da kann man in Sachsen gucken, darüber redet man in Mecklenburg-Vorpommern, mit den Kollegen in Niedersachsen. Alle sagen das. Das ist aber kein ausschließliches Verdienst der jetzigen Landesregierung, das war auch schon vorher so.

(Zuruf von der SPD)

Seit 25 Jahren gibt es eine brillante Wohnraumförderung in diesem Land, und das muss auch die SPD wissen. Was ist denn der Punkt? Geht es um mehr Geld? Nordrhein-Westfalen gibt eine Rekordsumme für die öffentliche Wohnraumförderung. Das Geld muss doch jetzt erst mal eingesetzt werden.

(Sebastian Watermeier [SPD]: Herr Schrumpf hat gerade gesagt, es gibt 2,3 Milliarden Euro in Rheinland-Pfalz! Das ist ungefähr ein Drittel so groß!)

Wollt ihr 2 Milliarden Euro zusätzlich? Dann müsst ihr das in der Bundesregierung entsprechend organisieren. Das ist doch der Punkt. Ihr seid doch in Berlin dran.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ich will zum Schluss noch etwas zum Thema „Landesbaugesellschaft“ sagen. Ich predige bzw. sage in jeder Rede in den letzten anderthalb Jahren: Liebe SPD, legt doch mal ein Konzept vor. – Letzte Woche fand die Anhörung statt. Hans-Jochem Witzke, SPD-Mitglied, Mieterbund NRW, hatte das in seiner Stellungnahme.

Dann habe ich nachgefragt: Wie soll denn diese Landesbaugesellschaft konstruiert werden? Wie soll sie bezahlt werden? Das hat er beantwortet. Aus der öffentlichen Wohnraumförderung soll ein Viertel umgewidmet werden. Es geht nicht um mehr Geld, sondern es geht darum, es den kommunalen Wohnungsbaugesellschaften, den Genossenschaften wegzunehmen und in eine neue Landesstruktur zu stecken.

(Zuruf von der CDU: So ist es!)

Dass das effizienter ist, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, daran habe ich große Zweifel.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Vor Ort wissen die Leute ganz genau, was beim Wohnungsbau wichtig ist. – Herr Präsident, ich habe es gesehen. – Ob eine neue Dachorganisation das Entscheidende ist, daran habe ich meine Zweifel.

Noch einmal, liebe SPD: Legt doch mal ein Konzept vor – nicht nur ein Konzept, sondern einen Gesetzentwurf und mehr als diese Plattitüden und Stichworte, dann können wir das klar diskutieren.

(Zuruf von Elisabeth Müller-Witt [SPD])

Danke für Ihre Aufmerksamkeit

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von

Arndt Klocke (GRÜNE): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich mache es nicht lang; wir diskutieren schon lange. Ich bin der Ministerin und meiner Kollegin Hedwig Tarner für die wirklich vielen fachlichen Argumente, die eben genannt worden sind, warum diese Politik in die richtige Richtung geht, sehr dankbar.

Lieber Sebastian Watermeier, ich möchte aber den Ball mit diesem „Alles ist schön“ aufgreifen. Ich bin ja relativ lange dabei. „Alles ist schön“ war noch nie meine Devise. Wir haben ja schon mal miteinander regiert, da waren Sie, glaube ich, noch nicht dabei.

(Sebastian Watermeier [SPD]: Das stimmt! – Elisabeth Müller-Witt [SPD]: Sie haben auch nicht regiert, Sie waren in der Koalition!)

Da war zum Beispiel Svenja Schulze Wissenschaftsministerin. Ich weiß, dass der ansonsten von Ihnen sehr geschätzte Kollege Karl Schultheis aus Aachen mehrfach auf mich hocherbost und sauer war, da ich als Grüner es mal gewagt habe, die „Alles ist schön“-Linie nach dem Motto: „Wir machen alles richtig“, zu kritisieren und dazu einen anderen Akzent hatte.

Auch das „Bauen, Bauen, Bauen“ ohne Sinn und Verstand, von Mike Groschek ausgegeben,

(Sebastian Watermeier [SPD]: Das hat er auch nie so gesagt!)

egal was, egal wie, egal wo, war keine grüne Linie, und das habe ich auch thematisiert.

Alles ist schön – das macht die SPD, wenn sie regiert.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Das ist genau die Line, für die Sie stehen.

(Sebastian Watermeier [SPD]: Dann wird es auch gut!)

Um das mal zu demonstrieren, würde ich mit Erlaubnis des Präsidenten gerne aus meinem eigenen Posting zum Thema „Wohnraumförderung – Bilanz 2023“ von vor sechs Tagen zitieren. Da schreibe ich persönlich:

Es gibt also weiterhin viel zu tun, um Menschen bezahlbaren und lebenswerten Wohnraum in Nordrhein-Westfalen zu ermöglichen. Die jetzigen Ergebnisse sind hoffnungsvoll, trotzdem senken sie die weiterhin die Notwendigkeiten auf dem Wohnungsmarkt nicht ab.

Das schreibt Arndt Klocke.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und von Jochen Ritter [CDU])

Das ist das Gegenteil von „Alles ist schön“, wie Sie es sagen.

(Zurufe von der SPD)

Wir geben den Bauherren sowie den Planerinnen und Planern Planungssicherheit: 9 Milliarden Euro festgeschrieben in der Wohnraumförderung von 2023 bis 2027. Wer mit Investoren, mit Wohnungsbaugesellschaften spricht, erfährt, dass sie gerade Planungssicherheit brauchen. Und diese Planungssicherheit ist in Nordrhein-Westfalen gegeben.

(Jochen Ott [SPD]: Durch die Bundesmittel!)

– Das sind Bundesmittel. Ja, dann, lieber Jochen Ott, nenn mir mal das SPD-regierte Bundesland, wo noch zusätzlich zu den Bundesmitteln Landesmittel hinzugegeben werden. Es gibt diverse Bundesländer in Deutschland, die nicht einmal die durchgeleiteten Bundesmittel für den Wohnungsbau ausgeben,

(Jochen Ott [SPD]: Insbesondere im Süden!)

sondern sie in andere Projekte stecken. Da gibt es auch SPD-regierte Bundesländer. Das müsste die SPD auch wissen.

(Christian Dahm [SPD]: Ist das Baden-Württemberg? Ich bin mir da nicht sicher! Jochen Ott [SPD]: Das ist Bayern!)

– Nein, das ist unter anderem … Egal. Das machen wir in der nächsten Runde.

(Zuruf von der SPD)

– Nein, nein. Das war zum Beispiel viele Jahre lang das Saarland. Das ist doch allgemein bekannt, dass es aufgrund der Haushaltslage nicht in den Wohnungsbau gegangen ist. Die SPD regiert seit vielen Jahren im Saarland und stellt da die Ministerpräsidentin. Das ist doch auch bekannt.

(Jochen Ott [SPD]: Und viele Jahre nicht! Kramp-Karrenbauer, schon mal gehört?)

Ich freue mich, dass ich es zum zweiten Mal heute geschafft habe, den Widerspruch der SPD hervorzurufen. Das war ja die Aktuelle Stunde, von der SPD beantragt. Wir haben gleich noch einen weiteren Tagesordnungspunkt. Vielleicht gelingt es mir noch mal.

Uns muss es darum gehen, an konkreten Punkten über Verbesserungsmöglichkeiten zu sprechen. Damit bin ich sehr einverstanden.

Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Herr Kollege, mir gelingt es, auf die Redezeit aufmerksam zu machen.

(Heiterkeit von der SPD)

Arndt Klocke (GRÜNE): Aber dieses pauschale Herabwürdigen einer Politik, die grundsätzlich in die richtige Richtung geht, sollte sich die SPD einfach ersparen. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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