Arndt Klocke: „Strahlung macht vor den Grenzen nicht halt.“

Antrag der GRÜNEN für die sofortige Abschaltung der Atomreaktoren Tihange und Doel

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Arndt Klocke (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe gerade vereidigte Minister! Die erste inhaltliche Plenardebatte in dieser neuen Legislaturperiode dreht sich um ein zentrales Thema für unser Land. Am letzten Wochenende haben 50.000 Menschen in einer beeindruckenden Menschenkette, die fast 90 km weit reichte, für die endgültige Stilllegung der Atomkraftwerke in Tihange und Doel demonstriert. Sie haben deutlich gemacht, dass ein endgültiger europäischer Atomausstieg und die Stilllegung der beiden Reaktoren zentrale Forderungen sind. Strahlung macht vor den Grenzen nicht halt.
Meine Damen und Herren, seit vielen Jahren sind Sicherheitsmängel an diesen beiden Reaktoren in Belgien bekannt. Immer wieder werden neue Defizite und Mängel öffentlich. Gerade kürzlich wurde eine neue Anzahl von fast 100 Rissen dokumentiert. Die große Sorge in der Region und im ganzen Land vor einem schwerwiegenden Unfall ist bekannt.
Nach deutschen Standards wären diese beiden Atomkraftwerke längst geschlossen worden. Selbst die belgische Aufsichtsbehörde hat gravierende technische und organisatorische Mängel in den beiden Atomkraftwerken festgestellt. Die Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen, insbesondere in der Städteregion Aachen, befürchten im Falle eines nuklearen Unfalls schwerwiegende Auswirkungen.
Deshalb hat sich die bisherige rot-grüne Landesregierung gegenüber Belgien, aber auch gegenüber dem Bund engagiert dafür eingesetzt, dass die beiden Skandalatomkraftwerke endgültig stillgelegt werden. Zudem hat die vorherige Landesregierung beschlossen, dass die Anlagerichtlinien des Pensionsfonds des Landes nachhaltig auszurichten sind.
Damals haben CDU und FDP noch dagegen gestimmt, heute gibt es andere Signale.
Diese Anlagerichtlinien sind die Basis dafür, dass Nordrhein-Westfalen die indirekte Beteiligung an den belgischen, aber auch an den französischen Atomkraftwerken verkauft hat.
(Beifall von den GRÜNEN)
– Genau, Sie dürfen gerne klatschen. – Es ist durchaus erfreulich – das sage ich in Richtung der beiden neuen Regierungsfraktionen –, dass sich auch die neue Landesregierung für eine schnelle Stilllegung dieser beiden Pannenreaktoren einsetzen will. Das dokumentieren Sie heute mit dem vorgelegten Entschließungsantrag. Dass im nordrhein-westfälischen Parlament, dem Parlament des größten Bundeslandes, CDU und FDP einen Antrag vorlegen, in dem der Atomausstieg dokumentiert und gefordert wird, ist ein großer Erfolg der jahrzehntelangen Antiatombewegung.
(Beifall von den GRÜNEN)
Der Bundestag hat ja heute eine weitere historische Entscheidung getroffen, nämlich die Ehe für alle beschlossen.
Es ist ein Erfolg von vielen Menschen, die sich in den letzten Jahrzehnten für eine andere Energiepolitik, für eine andere Atompolitik engagiert haben. Deswegen begrüßen wir es durchaus, dass CDU und FDP heute diesen Antrag vorgelegt haben.
Aber, meine Damen und Herren, wenn Sie sich für klimafreundliche Stromlieferungen auch aus Nordrhein-Westfalen nach Belgien einsetzen, um die dann wegfallenden Atomkraftwerke zu kompensieren, dann dürfen Sie nicht einen solchen Koalitionsvertrag vorlegen, wonach Sie die Energiewende zurückdrehen und der Windkraft den Garaus machen wollen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wir brauchen eine klimafreundliche Energieversorgung in Nordrhein-Westfalen. Dann können wir auch die Atomkraftwerke in Belgien entsprechend besetzen – ersetzen.
(Heiterkeit)
– Nein, ersetzen. Das ist unsere alte Tradition. Ich würde das, ehrlich gesagt, wenn es notwendig ist, auch machen, aber erst einmal geht es darum, die Atomkraftwerke zu ersetzen. Besetzen ist der letzte Schritt. Die Demonstration am Wochenende war ja deutlich. Da braucht es, glaube ich, kein weiteres Signal.
Herr Ministerpräsident Laschet, Sie müssen sich bei der Bundesregierung dafür einsetzen, dass die unseligen Brennelementelieferungen nach Belgien endgültig gestoppt werden. Hier gibt es seitens der Bundesregierung einen Schlingerkurs, auch was Tihange und Doel angeht.
In Ihrem Entschließungsantrag laden Sie die Schuld bei der Bundesumweltministerin ab. Sicher, sie ist zuständig und muss entsprechend reagieren, aber es ist Aufgabe der gesamten Bundesregierung und auch der Bundeskanzlerin, an dieser Stelle Farbe zu bekennen.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Als neuer Ministerpräsident müssen Sie sich im Sinne der Bürgerinnen und Bürger des Landes Nordrhein-Westfalen nicht nur dafür einsetzen, dass es keine weiteren Lieferungen von Brennelementen gibt, sondern auch dafür, dass diese Atomkraftwerke zügig stillgelegt werden.
Es muss gelten: keine weiteren Brennelementelieferungen nach Belgien. Tihange und Doel müssen abgeschaltet werden. Und es muss eine eindeutige Vorfahrt für den Ausbau von erneuerbaren Energien geben – in Nordrhein-Westfalen, in Deutschland und in ganz Europa. – Wir bitten Sie deswegen, unserem Antrag zuzustimmen. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN)