Arndt Klocke: „Hier geht es darum, Staus und Blockaden wirklich zu lösen“

Aktuelle Stunde u.a. auf Antrag der GRÜNEN im Landtag zur Leverkusener Brücke

Arndt Klocke (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der maroden Leverkusener Brücke und dem notwendigen Neubau haben wir uns hier im Landtag und im zuständigen Verkehrsausschuss in den letzten Jahren viele Male beschäftigt.
Bereits im November 2012 wurde die Brücke aufgrund der gravierenden baulichen Mängel für Fahrzeuge über 3,5 t gesperrt. Die zwischen 2012 und 2014 erfolgte Lockerung und durchgeführte Zwischensanierung hatte keinen Erfolg, sodass die Sperrung seit 2014 mit den entsprechenden Sperranlagen, die wir noch heute an der Brücke sehen können, dauerhaft gilt.
Die Leverkusener Brücke wurde bundesweit zu dem Symbol für die bröckelnde Infrastruktur in Deutschland. Die damalige rot-grüne Landesregierung beauftragte den notwendigen Neubau der Rheinbrücke 2016. Am Jahresende 2016 erging auch der Planfeststellungsbeschluss durch die zuständige Kölner Bezirksregierung.
Ziel war, bis zum Jahr 2020, also quasi jetzt, eine neue Rheinbrücke zu errichten und für den Verkehr freizugeben. Der Spatenstich erging im Dezember 2017 durch den neuen Verkehrsminister Wüst. Tempo war angesagt.
Wir Grüne hatten wegen der zentralen Rolle für das NRW-Verkehrsnetz und aufgrund der besonderen Situation mit zugestimmt, zwei Klagestufen bei Einsprüchen gegen den Bau wegfallen zu lassen und die Bürgerbeteiligung wegen der hohen Dringlichkeit einzuschränken. Damit haben wir uns bei vielen Leverkusener Anwohnern und auch bei den Umweltverbänden keine Freunde gemacht.
Umso verheerender ist es jetzt, im April 2020, dass der Bau wegen der mangelhaften Qualität des angelieferten Stahls und der notwendigen Asbestsanierung beim Abriss der alten Brücke voraussichtlich mindestens drei Jahre länger dauern wird – drei Jahre mehr Staus, Umgehungsverkehre, Schadstoffe und Chaos am Leverkusener Dreieck.
(Beifall von den GRÜNEN und Jochen Ott [SPD])
Ich gehöre nun in der dritten Legislaturperiode dem Verkehrsausschuss an und frage mich, warum die sich abzeichnende und sich zuspitzende Problematik in den letzten Monaten kein einziges Mal Thema im Ausschuss gewesen ist, sehr geehrte Damen und Herren und lieber Verkehrsminister Wüst.
 (Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wir hatten im Verkehrsausschuss in diesen Monaten weiß Gott unwichtigere Themen auf der Tagesordnung.
Minister Hendrik Wüst sagt heute in einem offenen Interview im „Kölner Stadt-Anzeiger“ über die Abläufe: „Auch ich habe mich wegen der Bedeutung des Projekts regelmäßig informieren lassen.“
(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])
Lieber Minister Wüst, es wäre nicht nur sinnvoll, sondern auch notwendig gewesen, wenn Sie auch das Parlament und zumindest den zuständigen Fachausschuss informiert hätten. Eine Sondersitzung des Verkehrsausschusses wäre bei diesem Thema, bei dieser Problematik und bei der bundesweiten Bedeutung dieses Projektes zu diesem Zeitpunkt mehr als berechtigt gewesen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Dies führt zu der Frage, warum vom Verkehrsministerium und dem zuständigen Fachminister nicht informiert wurde und ob es möglicherweise etwas zu vertuschen gibt.
Immerhin war eines der zentralen Wahlversprechen der CDU und der FDP bei der Landtagswahl 2020 und bei Ihrem mehr als hauchdünnen Wahlsieg, lieber Herr Ministerpräsident Laschet, den Verkehr in Nordrhein-Westfalen flüssig zu machen, die Staus zu beenden. NRW gegen den Stillstand, NRW kommt voran, gegen die Staus – das war Ihr Wahlversprechen.
Und heute – drei Jahre nach dieser Landtagswahl, auch mit Stichtag vor der Coronakrise – haben wir mehr Staus in Nordrhein-Westfalen, wir haben mehr Stillstand. Durch das Bauchaos an der Leverkusener Brücke wird es zu vielen zahlreichen Staus in den nächsten Jahren kommen, sehr geehrte Damen und Herren.
Auch über die von der Baufirma Porr angeführten Verzögerungen durch eine Asbest- und PCB-Belastung der alten Brücke ist nie informiert oder vom Minister berichtet worden. Man fragt sich, wie es sein kann, dass acht Jahre nach Beginn der ersten Sanierungsarbeiten im Jahre 2012 erst jetzt eine Asbestbelastung aufgedeckt wird, die den Fortgang der Arbeiten dort maßgeblich verzögern kann. Diese Frage stelle ich mir jetzt als Abgeordneter, aber auch als jemand, der in rot-grüner Regierungszeit hier Abgeordneter war.
Der Verkehrsausschuss hat mehrere Begehungen der Brücke gemacht. Ich erinnere mich an einen Termin in 2013, damals noch mit dem SPD-Kollegen Reiner Breuer als verkehrspolitischem Sprecher, heute Bürgermeister von Neuss. Man fragt sich, warum das Ministerium und die zuständige Fachabteilung keine Informationen zur Frage einer Asbestverseuchung an uns als Abgeordnete weitergegeben haben. Informationen an den Fachausschuss sind in diesem Fall nicht erfolgt.
Dagegen ist die Debatte um den jetzt eingesetzten Stahl keine neue. Schon zu Jahresbeginn 2018 wurde in der Presse und damit in der Öffentlichkeit über die Qualität des in China produzierten Stahls ausgiebig diskutiert. Damals hieß es sowohl von der Firma Porr als auch von Straßen.NRW, dass das anzuliefernde Material höchsten europäischen Standards entsprechen wird. Jetzt wissen wir, dass dem nicht so ist.
Die jetzt erfolgte Kündigung mag ein konsequenter Schritt sein, sie ist vermutlich der richtige Schritt. Aber die Tragödie, dass das Verkehrsministerium diesem sich abzeichnenden Trauerspiel so lange tatenlos zugesehen hat, war abzusehen. Und es ist wirklich eine Schande, dass Sie dem so lange zugesehen und uns nicht informiert haben, sehr geehrter Herr Verkehrsminister.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Dass Verkehrsstaatssekretär Schulte zuvor unter anderem bei dem jetzt gekündigten Bauunternehmen Porr in Lohn und Brot stand, hat aus unserer Sicht zumindest ein Geschmäckle.
(Zuruf von der CDU)
Die Landesregierung und der Minister müssen hier und heute …
(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])
– Ja, es scheint Sie zu treffen. Deswegen rufen Sie jetzt dazwischen.
Die Landesregierung und der Minister müssen hier und heute in der Aktuellen Stunde und in den kommenden Wochen im Ausschuss rückhaltlos offenlegen, wie es zu dem jetzigen Desaster an der Brücke kommen konnte und wie der Bau – das ist ja die entscheidende Frage, die die Bürgerinnen und Bürger jetzt bewegt – in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren trotzdem beschleunigt und zügig zu Ende geführt werden kann, sehr geehrte Damen und Herren.
Herr Minister, Sie sind noch bis Mai 2022 im Amt. Seit dem Wochenende wissen wir das mehr als zuvor. Sie sollten der Nachfolgeregierung keine Bauruine an der Leverkusener Brücke überlassen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von
Arndt Klocke (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen von CDU und FDP, Sie haben uns vorhin vorgehalten, wir hätten das Thema sozusagen gerade erst für uns entdeckt. Wir seien immerhin schon am 24. April über die Vorgänge informiert worden
–  zu einem Zeitpunkt, zu dem der WDR schon zahlreiche Meldungen gemacht und der „StadtAnzeiger“ in mehreren Artikeln berichtet hatte.
Ich will Ihnen sagen, was meine Vermutung ist, weshalb wir nicht im Frühjahr, also im Februar oder März, informiert worden sind. Man konnte ja den Artikeln entnehmen, dass die Hausspitze von Straßen.NRW dem Minister schon im Januar geraten hat, den Vertrag zu kündigen. Das hat einen ganz klaren und auch größeren Hintergrund.
Sie haben vor drei Jahren Wahlkampf mit diesem Thema gemacht – und eine hauchdünne Mehrheit erhalten –, indem Sie behauptet haben, Sie bekämen die Infrastruktur in den Griff, der Verkehr in NRW werde flüssiger und die Staus würden zurückgehen. Das werde alles passieren, wenn CDU und FDP regierten.
Drei Jahre später wird deutlich, dass Sie es nicht im Griff haben. (Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Und derjenige, der in der Öffentlichkeit als Kronprinz und nächster Ministerpräsident gehandelt wird, nämlich der Verkehrsminister, muss jetzt mal unter Beweis stellen, dass er ein solches Problem in den Griff bekommt.
(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])
Lieber Kollege Voussem, Sie sind seit 2010 im Landtag. Sie werden sicherlich seinerzeit mitbekommen haben, dass der damalige Verkehrsstaatssekretär der Grünen, Horst Becker, 2011 eine umfangreiche Brückenliste vorgelegt hat. Er hat über 2.000 Straßenbrücken durch Straßen.NRW und durch Gutachter prüfen lassen, eine Begutachtung vorgenommen und entsprechende Handlungsaufträge erteilt. – So viel dazu, dass wir das Thema gerade erst für uns entdeckt hätten. Und die entsprechende Sperrung gilt schon seit dem Jahre 2012, also seit unserer Regierungszeit.
Ich will Ihnen als grüner Abgeordneter sagen: Als ich als verkehrspolitischer Sprecher der Grünen unter anderem im Leverkusener Grünen-Büro den Kopf dafür hingehalten habe, dass wir zwei Klagestufen herausnehmen, die Bürgerbeteiligung einschränken und als Grüne die- ses Bauprojekt so mittragen, damit beschleunigt gebaut werden kann, waren dies für mich keine vergnügungssteuerpflichtigen Veranstaltungen. Das können Sie mir glauben.
(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])
Dass jetzt der ganze Zeitgewinn, den wir durch das Herausnehmen der Klagestufen erreicht haben, durch diesen Stahlskandal aufgefressen wird,
(Marc Herter [SPD]: Genau so!)
das haben Sie, Kollege Wüst, und das hat die Landesregierung zu verantworten. (Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wenn hier in den Raum gestellt wird, das alles hätten die rot-grünen Vorgängerregierungen gemacht und wir hätten die Infrastruktur ruiniert, stelle ich mir schon eine Frage. Vielleicht erinnern Sie sich nicht mehr daran, aber zwischen 2005 und 2010 haben CDU und FDP in Nordrhein-Westfalen reagiert, und der damalige Verkehrsminister sitzt heute auf der Regie- rungsbank und ist Finanzminister. Da wir im Jahre 2012 zu einer Sperrung gekommen sind, kann man ja wohl die sachliche und nüchterne Frage stellen, was zwischen 2005 und 2010 bei der Leverkusener Brücke passiert ist.
(Beifall von Stefan Zimkeit [SPD] – Jochen Ott [SPD]: Nichts!)
Was haben die beiden damaligen Verkehrsminister der CDU geleistet, wenn Sie uns heute solche Vorwürfe machen?
(Beifall von den GRÜNEN – Carsten Löcker [SPD]: Null! – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Beide sind ja irgendwie Minister geworden!)
Damit wir uns bei dieser Frage nicht falsch verstehen: Die jetzige Vertragskündigung halten wir Grüne für absolut richtig. Sie kommt zu spät, aber sie ist inhaltlich richtig. Die entscheidende Frage lautet jetzt: Wie schaffen wir es, unser Projekt zu beschleunigen, sodass es vor allen Dingen bei der Fertigstellung des Baus in 2023 bleibt? – Wir wissen ja von zahlreichen anderen Infrastrukturprojekten in diesem Land, dass auch solche Termine dann nicht eingehalten worden sind.
(Zuruf von Eva Lux [SPD])
Hier geht es darum, Staus und Blockaden wirklich zu lösen. Umweltbelastungen und massive Umgehungsverkehre haben Sie uns in all den Jahren unserer Regierungszeit vorgehalten, und jetzt lösen Sie Ihre Wahlversprechen nicht ein.
Vorhin kam ja der Ruf vom Kollegen Löttgen nach Neuwahlen. Da bin ich ganz ruhig. Ich glaube, die Bürgerinnen und Bürger wissen auch in zwei Jahren noch, dass Sie sie damals – dann vor fünf Jahren – mit diesem Thema beschwindelt haben und dass 2022 ein Regierungswechsel in Nordrhein-Westfalen ansteht. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

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