Arndt Klocke (GRÜNE): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Anwesende auf der Tribüne! Ich glaube, oben sind aktuell fast mehr als im Plenarsaal, was das Thema nicht verdient hat, weil es natürlich ein extrem wichtiges und zentrales gesellschaftliches Thema ist.
Ich kann mir aber vorstellen, dass man, wenn man dieser Debatte lauscht und den ersten Satz in dem Antrag der SPD sieht, direkt zu einer Politikverdrossenheit kommen kann. „Soziale Kälte ist der Markenkern dieser Landesregierung“ – Leute, geht es vielleicht noch höher?
(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Haben wir auch gedacht, und dann kommen die …!)
Ich bin jetzt 15 Jahre lang Abgeordneter. So einen Antrag mit meiner Unterschrift darunter hat es nicht gegeben. Oder Sie müssten ihn aus dem Archiv herausholen und ihn mir bei nächster Gelegenheit vorstellen. Schon allein die Intonation ist schlecht und auch falsch.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wir hatten jetzt intensive Haushaltsdebatten, und wir haben so viel Geld für soziale Träger, für Kinder- und Jugend, für Unterstützung von Initiativen etc. zur Verfügung gestellt.
(Zuruf von der SPD: Haltungsnoten!)
Mit so einem Satz anzukommen, ist schon ausgesprochen schwach.
(Jochen Ott [SPD]: Vor allem bei der AIDS-Hilfe haben wir immer noch …!)
– Ja, bei der AIDS-Hilfe haben wir viel zurückgedreht, und darum habe ich mich auch intensiv selbst gekümmert, lieber Jochen Ott. Ich weiß nicht, was du gemacht hast, ich habe es getan.
(Jochen Ott [SPD]: Wenn das keine soziale Kälte ist, weiß ich es auch nicht! Sie haben es doch gestrichen!)
Ich glaube, im Wesentlichen habe ich erst einmal das Wort.
(Jochen Ott [SPD]: Das hat Sie hart getroffen!)
Weil ich Parlamentarier bin und mich ansonsten mit Gruppen treffe und nicht …
(Zuruf von Jochen Ott [SPD])
– Ja. Jetzt kommen wir mal wieder zum Thema zurück.
Wir reden über das Mietrecht, und wir sind kurz vor der Bundestagswahl. Wenn man eine so dünne Bilanz hat wie diese Bundesregierung und insbesondere die SPD-Bauministerin bei dieser Frage … Ich weiß selbst, dass da vieles lange bei Buschmann gelegen hat. Aber ein Kanzler hat eine Richtlinienkompetenz.
(Jochen Ott [SPD]: Wieviel Geld hat diese Bundesregierung gegeben?)
Sich heute hier hinzustellen und den dicken Max zu machen, aber drei Jahre im Bereich der Mietrechtsnovelle nichts auf die Kette zu kriegen – weder die Bauministerin noch der Bundeskanzler –, das ist schon mal schlecht. Aber dann noch so einen Antrag vorzulegen …
(Jochen Ott [SPD]: Welche Bundesregierung hat so viel Geld für Bauen gegeben?)
– Lieber Jochen Ott, ich habe den Eindruck, ich treffe euch. Sonst würdest du nicht die ganze Zeit dazwischenreden.
(Jochen Ott [SPD]: Was du sagst, ist unerträglich! Das ist einfach falsch, sachlich falsch!)
– Nein, das ist nicht unerträglich. Wir sind ja selbst Teil der Berliner Koalition. Nichts davon, was im Koalitionsvertrag zum Mietrecht festgelegt worden ist, ist drei Jahre später umgesetzt worden. Wenn man das verantwortliche Ressort und das Kanzleramt besetzt und dann kurz vor Weihnachten hier so einen Antrag vorlegt, das ist schon blamabel, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wir haben das Bundesbauministerium, das Justizministerium und das Bundeskanzleramt. Es hat lange im Justizministerium gelegen. Aber ein Kanzler, der eine Richtlinienkompetenz hat und diese auch bei „Atom“ und bei anderen Fragen genutzt hat, hätte, wenn „Wohnen und Mieten“ wirklich ein so wichtiges Thema ist, auch hier seine Richtlinienkompetenz ziehen müssen. Das hat Olaf Scholz aber nicht getan und macht jetzt im Wahlkampf den dicken Max. Das finde ich schon ziemlich peinlich.
(Beifall von den GRÜNEN – Jochen Ott [SPD]: Welches Ministerium ist dafür zuständig?)
Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Herr Kollege, es besteht der Wunsch nach einer Zwischenfrage des Kollegen Watermeier. Möchten Sie die zulassen?
Arndt Klocke (GRÜNE): Nein, das mache ich immer gern, aber bei so vielen Zwischenrufen lasse ich keine Zwischenfrage zu. Das könnt ihr dann über Zwischenrufe regeln.
(Sebastian Watermeier [SPD]: Ich habe ja nicht dazwischengerufen!)
Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Bitte schön.
Arndt Klocke (GRÜNE): Wir kommen zurück zum Mieterschutz in Nordrhein-Westfalen. Wir haben in diesem Herbst auf die Mietrechtsnovelle im Bund gewartet. Das ist auch im Ausschuss von der Ministerin thematisiert worden. Der Grund, warum die Mieterschutzvereinbarung NRW noch nicht vorliegt, ist, dass wir gucken wollen, was sich im Bund ändert, um das entsprechend anzupassen. Genauso ist es im Ausschuss auch thematisiert worden, und es ist von der Bundesregierung eben nichts gekommen.
Es wird im Frühjahr – die Ministerin wird das vielleicht gleich ein bisschen präzisieren – natürlich eine neue Mieterschutzverordnung für Nordrhein-Westfalen geben. Die Ankündigung ist doch klar – und sie ist auch im Koalitionsvertrag so festgelegt worden –: Es wird mehr Kommunen in dieser Mieterschutzverordnung für Nordrhein-Westfalen geben.
(Jochen Ott [SPD]: Du weißt, dass das totaler Quatsch ist! – Sebastian Watermeier [SPD]: Ab 2026!)
Das wird auch entsprechend vorgestellt werden.
(Sebastian Watermeier [SPD]: Ab 2026, Herr Kollege!)
Die Mieterschutzverordnung läuft zum 01.07.2025 aus und Nordrhein-Westfalen wird frühzeitig eine neue vorlegen. Da könnt ihr sicher sein.
(Sebastian Watermeier [SPD]: Der Staatssekretär hat gesagt: neue Gebietskulisse erst ab 2026!)
– Ich weiß, was wir unter Schwarz-Grün miteinander besprochen haben. Die Ministerin hat auch gleich das Wort.
(Jochen Ott [SPD]: Dann erzählt vielleicht mal was Richtiges im Ausschuss! Das kann doch nicht sein!)
– Meine Güte, seid ihr aufgeregt und angepiekst! Das ist bemerkenswert. Das finde ich auch den Zuschauerinnen und Zuschauern nicht würdig, was ihr hier abzieht. Das muss man wirklich sagen.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Wenn man im Glashaus sitzt! – Weiterer Zuruf von der SPD: Es wird immer besser!)
Es wird eine neue NRW-Mieterschutzvereinbarung geben.
Jetzt kommen wir zu den sozialpolitischen Themen, die in diesem Antrag angesprochen werden.
In diesem Haus ist im Frühjahr dieses Jahres ein Antrag zum Thema „Housing First“ beschlossen worden. Dazu hatte es hier eine große Anhörung mit vielen Sozialverbänden gegeben – mit ganz viel Rückenwind für das, was mit diesem Antrag beschlossen worden ist. Es gibt die entsprechenden Kümmerer-Projekte und die große Landesinitiative „Endlich ein ZUHAUSE!“. Das wird auch gut im Haushalt finanziert und unterstützt.
Dass es in diesem Land eine Problemlage gibt, weil Menschen aus sozial schwachen Gruppen, Menschen aus vulnerablen Gruppen, Menschen mit einem geringen Einkommen Probleme auf dem Mietmarkt haben, ist keine Frage.
Wir haben auch – das hat ein Gutachten Anfang dieser Woche ja noch einmal belegt – weiterhin und zunehmend steigende Mieten, insbesondere in den großen Städten.
Aber dann muss man hier doch auch mit einem solchen Antrag eine Antwort auf die Frage geben: Was würde denn im Mietrecht greifen, wenn es die Mietpreisbremse in dieser Form nicht gäbe, um Verbesserungen beim Mieterschutz hinzubekommen? Und dazu finde ich im SPD-Wahlprogramm, das ich mir an der Stelle angeschaut habe, gar nichts.
Von den Grünen wurde jetzt im Bundestag ein Antrag auf Fortschreibung der Mietpreisbremse und Verschärfungen eingebracht.
Meine Frage ist – es gibt ja gleich noch eine zweite Rede von der SPD –: Was sind denn die Vorstellungen für die nächste Legislaturperiode in Berlin? Denn die Wahrscheinlichkeit, dass die CDU entweder mit der SPD – große Wahrscheinlichkeit – oder mit den Grünen – eher weniger wahrscheinlich; warten wir mal ab – in die Bundesregierung geht, ist doch ab März – mit Merz oder auch ohne Merz; schauen wir mal – des nächsten Jahres da. Was soll denn die nächste Bundesregierung im Bereich „Mietrecht und Mietpreisbremse“ machen, damit wir eine bessere Situation haben, als wir sie jetzt haben? Dazu finde ich in dem ganzen Antrag der SPD überhaupt nichts.
Wenn wir steigende Mieten bekämpfen wollen, geht es natürlich auch um Wohnungsneubau, Wohnungssanierung und Zurverfügungstellung von mehr Wohnungen. Man kann doch dieser Landesregierung nicht vorwerfen, da nichts getan zu haben. 1 Milliarde Euro zusätzlich fließen über die NRW.BANK in diesem Jahr in die Wohnraumförderung. Kommunen wie Bonn, Münster und Bielefeld, die deutlich mehr Anträge für Neubau und auch für Sanierung hatten, haben jetzt eine Planungssicherheit für 2025/26, diese Projekte umzusetzen. Die Wohnraumförderung in diesem Land ist massiv: mehr als 1 Milliarde Euro. Es ist schon im letzten Haushalt eine Rekordsumme gewesen und in diesem Haushalt wieder eine Rekordsumme,
(Beifall von der CDU – Jochen Ott [SPD]: Woher kommt das Geld?)
die für sozialen Wohnungsbau in diesem Land ausgegeben wird. Das ist Fakt in Nordrhein-Westfalen.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Dieser Landesregierung vorzuwerfen, dass wir soziale Kälte produzieren, ist daher völlig neben der Spur. Wenn wir die Wohnraumförderung gekürzt hätten, wenn wir 500 Millionen Euro herausgenommen hätten … Aber das Gegenteil ist der Fall: Es ist aufgestockt worden. Es gibt 1 Milliarde Euro für Planungssicherheit mehr. Wir haben über einen Zeitraum bis 2027 mit einer festen Vereinbarung Planungssicherheit für alle, die in diesem Bereich wohnen, planen und bauen.
Wenn man mit Projektentwicklern redet, wenn man mit dem VdW redet, wenn man mit kommunalen Wohnungsbauunternehmen redet, hört man, dass alle mit dieser Situation in Nordrhein-Westfalen hochzufrieden sind.
Was kritisiert die SPD mit diesem Antrag? Das hat sich für mich beim Lesen in keinster Weise erschlossen.
Die Sache mit der Wohnungsbaugesellschaft ist ja ein Dauerbrenner. Wir haben in diesem Land gute kommunale Wohnungsbauunternehmen, gute regionale Wohnungsbauunternehmen und gute Genossenschaften. CDU und Grüne werden mit einem Antrag im ersten Quartal 2025 noch einmal deutlich machen, was das Land tut und auch zusätzlich tun kann, um Wohnungsbau vor Ort umzusetzen. Das nimmt diese Landesregierung im nächsten Jahr in die Hand. Dafür braucht es keine Landeswohnungsbaugesellschaft mehr. Dazu hat Jochen Ott das Notwendige … Oh nein! Jetzt habe ich Jochen Ott zu ihm gesagt. Meine Güte! Jochen Ritter hat das Entsprechende schon gesagt.
(Jochen Ott [SPD]: Wo das Herz von voll ist! Es ist Weihnachten!)
– Bitte vergib mir. Ich werde versuchen, das im Protokoll noch zu ändern.
Ich wünsche an der Stelle auch von meiner Seite – denn das war meine letzte Rede für dieses Jahr – schöne Weihnachten und hoffe im nächsten Jahr auf konstruktive Debatten, vielleicht etwas konstruktivere als diese. – Danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Vielen Dank, Herr Kollege Klocke. – Erster Hinweis: Ich glaube nicht, dass es Ihnen gelingen wird, etwas im Protokoll zu ändern.
Zweiter Hinweis: Ihnen wird möglicherweise nicht entgangen sein, dass eine Kurzintervention angemeldet worden ist, und zwar vom Kollegen Watermeier, auf die Sie natürlich von Ihrem Platz aus erwidern können. – Ich erteile dem Kollegen Watermeier für eine Minute das Wort. Bitte schön.
Sebastian Watermeier (SPD): Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Lieber Herr Kollege Klocke, man muss in Bezug auf Ihre Ausführungen zur Mieterschutzverordnung vielleicht doch ein paar Sachen richtigstellen.
Die Grünen haben bekundet, erkannt zu haben, dass die Gebietskulisse für die Mieterschutzverordnung, wie sie jetzt in NRW gilt, völlig unzureichend ist und den Bedarfen im Land nicht gerecht wird. Seit Jahren reden sie davon, diese Gebietskulisse auszuweiten. Immer wieder ist das nach hinten verschoben worden. Jetzt kommuniziert die Ministerin, die Novelle der Mieterschutzverordnung solle kommen. Im Ausschuss führt der Staatssekretär auf Berichtsanfrage der SPD aus, es würde zunächst einmal nur die Geltungsdauer verlängert werden, und ab 2026 würde es zu einer Vereinbarung der Gebietskulisse kommen.
Sie erzählen hier etwas völlig anderes und kritisieren, dass die Opposition da ein Informationsinteresse hat. Ich finde das unmöglich. Öffentlichkeit und Opposition haben ja wohl noch das Interesse und den Anspruch, zu erfahren, was Sie politisch planen, und nicht, von Ihnen hier kommuniziert zu bekommen, dass das irgendwie zwischen Schwarz-Grün anders vereinbart sei und das, was der Staatssekretär da erzählt habe, …
Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Die Redezeit, Herr Kollege.
Sebastian Watermeier (SPD): … eigentlich gar nicht stimme.
(Beifall von der SPD)
Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Vielen Dank. – Herr Kollege Klocke, bitte schön.
Arndt Klocke (GRÜNE): Danke, Herr Präsident. – Mein Kenntnisstand ist, dass die Vereinbarung, die wir, CDU und Grüne, miteinander getroffen haben, dass wir rechtzeitig die Mieterschutzverordnung nicht nur verlängern, sondern auch ausweiten, gilt. Alles andere wird das Frühjahr zeigen.
Wir jedenfalls setzen auf dieses Gutachten. Das werden wir intensiv auswerten, auch im Ausschuss. Mein Stand ist, dass dieses Gutachten belegen wird, dass wir deutlich mehr Städte in die neue NRW-Mieterschutzverordnung aufnehmen können. Das haben wir – das haben Sie eben richtig zitiert – immer gefordert. Das haben wir auch in unserer gemeinsamen Oppositionszeit angemahnt, als CDU und FDP das massiv heruntergefahren und aufgrund der damaligen Ausgangslage auf 18 Städte beschränkt haben. Das haben wir gemeinsam kritisiert. Wir Grüne sind weiterhin der Auffassung, dass es eine deutliche Ausweitung braucht. Ich bin guter Dinge und zuversichtlich, dass wir das im nächsten Jahr gemeinsam als Landesregierung hinbekommen werden.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)