Arndt Klocke: „Es muss das Ziel sein, dass man das Erlittene nicht über Jahre und Jahrzehnte mit sich rumschleppt“

Zum Antrag der SPD-Fraktion zur Situation der Flutbetroffenen

Arndt Klocke (GRÜNE): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon von den beiden Vorrednern angesprochen worden: Die Flut hat gewaltige Schäden hinterlassen – nicht nur in der Region, nicht nur an Häusern, nicht nur körperliche Verletzungen, sondern viele Menschen haben auch Schäden an ihrer Seele, an ihrer Psyche davongetragen. Deswegen ist es gut, dass wir als Landtag heute über dieses Thema sprechen.

Es hat in den betroffenen Kreisen – Kreis Euskirchen, Rhein-Sieg-Kreis, Rhein-Erft-Kreis, Städteregion Aachen – die Möglichkeit zur Ermächtigung gegeben. Dies ist in Anspruch genommen worden. Das hat die vorherige Landesregierung noch auf den Weg gebracht. Ab Sommer 2022 sind diese dann entsprechend angelaufen.

Jetzt gilt es – aus dem Ministerium gibt es das Signal; das wird, denke ich, der Minister gleich auch noch einmal unterstreichen –, dafür zu sorgen, dass diese Therapien beendet werden können. Jeder, der sich mit Psychotherapien auskennt, weiß, dass dies nicht wie bei einer verstauchten Sehne oder einem entzündeten Zahn mit zwei oder drei Besuchen getan ist, sondern dass Psychotherapien in der Regel über einen gewissen Zeitraum andauern.

Es ist wichtig, Krisenintervention und erst einmal eine Anlaufstelle zu haben. Das war in dem Fall gegeben, da Traumaambulanzen eröffnet worden sind und eine psychosoziale Notfallversorgung auf den Weg gebracht worden ist. Wenn man aber in eine richtige Psychotherapie einsteigt – wie fundiert auch immer sie ist: verhaltenstherapeutisch oder tiefenpsychologisch –, dann dauert es mehrere Jahre. An der Stelle wäre es sicherlich wichtig, dass begonnene Therapien beendet werden können und die Menschen ihre Therapie nicht nach einem gewissen Zeitraum beenden müssen, ohne dass das Problem und ihr Anliegen ausreichend besprochen und behandelt worden sind.

Jetzt fordert die SPD die Schaffung von Brückenambulanzen, also Brückentraumabegleitung. Da die Traumaambulanzen jetzt schon zwei Jahre geöffnet waren und über 100 Menschen dort Hilfe gesucht haben, stellt sich mir die Frage, was das bringen soll. Es ist jetzt notwendig, ist eine Verstetigung der begonnenen Behandlungen und die Ermutigung von Menschen – es sind vorhin Zahlen vorgetragen worden –, die seelische Leiden davon getragen haben, sich in psychologische Behandlung zu begeben. Es muss das Ziel sein, dass man das Erlittene nicht über Jahre und Jahrzehnte mit sich rumschleppt.

Hier kommen wir zu einem grundsätzlichen Problem: Das grundsätzliche Problem seit vielen Jahren ist, dass wir hierzulande eine Unterversorgung an Therapieplätzen haben – nicht nur in Nordrhein-Westfalen, das ist auch in anderen Bundesländern der Fall. Ich hatte kürzlich ein Gespräch mit der Psychotherapeutenkammer NRW. Sie beziffern die Unterversorgung auf etwa 25 %, und das schon seit Ende der 90er-Jahre.

Wir hatten dazu in der letzten Woche ausgehend von einem SPD-Antrag eine interessante Anhörung im Gesundheitsausschuss, in der es um eine bessere therapeutische Versorgung in unterversorgten Regionen ging. Der nächste Schritt wird sein, diese hochkarätige und spannende Anhörung im Ausschuss auszuwerten, um herauszufinden, was zu tun ist.

Ich möchte nur davor warnen, zu glauben, dass es aufseiten des Landesgesetzgebers viele Möglichkeiten gibt. Natürlich kann man im Gespräch mit Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen Ermächtigungen erteilen, aber das grundsätzliche Problem des ausreichenden Schlüssels muss in Berlin gelöst werden.

(Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: So ist es! )

Das ist real so. Das ist kein Schieben auf Berlin. Jeder, der sich in der Materie auskennt, weiß das.

(Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Selbstverwaltung!)

– Ja, es ist selbstverständlich Selbstverwaltung, aber trotzdem kann der Bundesgesundheitsminister im Gespräch mit den Krankenkassen und zuständigen Kammern dafür werben und sorgen, dass dieser Schlüssel ausgeweitet wird. Wie kompliziert das ist, das wissen wir. Ich habe mir das kürzlich noch einmal von Ihrer Amtsvorgängerin, Frau Steffens, erklären lassen. Die hat das ja einige Jahre im Detail erlebt.

Trotzdem: Wenn wir deutlich mehr Therapieplätze schaffen wollen, dann ist das der Ansatz. Das Land hat da begrenzte Möglichkeiten. Ich meine, dass das, was möglich war, getan worden ist und es entsprechende Angebote gibt.

Die Zielrichtung des Antrags finde ich richtig. Aber das, was Sie dort an Forderungen zusammengeschrieben haben, ist entweder schon auf dem Weg oder muss von anderer Seite erledigt werden. Da Sie direkte Abstimmung beantragt haben, müssen wir den Antrag ablehnen.

Auf der anderen Seite sage ich Ihnen als Grüner zu: Uns ist das Thema sehr, sehr wichtig. Die Auswertung der Anhörung von letzter Woche im Ausschuss steht ja noch aus. Was sich daraus ergibt, sollten wir intensiv diskutieren. Denn eine Verbesserung der psychosozialen Versorgung ist auch unser Anliegen. Da können Sie auf unsere Unterstützung zählen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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