Arndt Klocke: „Einsamkeitsprävention heißt wirklich auch, eine andere Form von Stadtplanung zu machen“

Zum Abschlussbericht der Enquete-Kommission IV (Einsamkeit)

Arndt Klocke (GRÜNE): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Cormann hat am Ende ihrer Rede den sehr schönen Satz „Von hier aus weiter!“ gesagt. Denn es ist zwar ein Abschlussbericht; aber es geht bei diesem Thema um den Aufbruch nach vorne.

Ich bin fest davon überzeugt, dass wir miteinander Pionierarbeit geleistet haben. Es gab noch nie an irgendeiner Stelle in einem Bundesland oder auf Bundesebene eine solche fachkundige Arbeit.

Der Vorteil von Enquetekommissionen ist, dass man sich herausgehoben aus den Debatten des Alltags und auch aus den gelegentlichen Schlachten, die wir im Parlament miteinander schlagen, in eine fachliche Arbeit zurückzieht. Man lädt dafür Expertinnen und Experten von außen ein. Das haben wir in 19 Sitzungen vielfältig gemacht, wie Herr Dr. Vincentz schon gesagt hat. Viele wirkliche Koryphäen aus der Wissenschaft standen uns dabei beratend zur Seite.

Von meiner Seite geht auch ein herzlicher Dank an alle – es sind vor allem Damen, aber auch einige Herren –, die uns in den Wochen dort so unglaublich unterstützt haben. Die Referentinnen und Referenten haben ebenfalls einen ganz wichtigen Beitrag zu der Arbeit geleistet, indem sie die Vorarbeit und die Abstimmung von Texten übernommen haben. So ist auch der Abschlussbericht, der jetzt auf 250 Seiten vorliegt, zustande gekommen.

Mit Blick nach vorne – wir haben im Mai Landtagswahl – können wir, die Obleute in diesem Bereich, uns nur wünschen, dass unabhängig davon, wie die Wahl ausgeht und wer dann eine Regierung bildet, diese Impulse wirklich aufgenommen werden. Das kann man durch die verschiedenen Arbeitsbereiche durchdeklinieren.

Ein sehr wichtiger Bereich ist sicherlich der Bereich Schule. Es gibt einen sehr schönen Satz von Eckard von Hirschhausen. Es gab mal vor einigen Monaten im WDR – Hirschhausen hat ja so eine Medizinsendung dort montagsabends – eine Sendung zum Thema „psychische Gesundheit“. Und da sagte er den Satz, einen ganz einfachen Satz, der ist mir sehr in Erinnerung geblieben. Er sagte:

Wenn wir nach 13 Jahren aus der Schule kommen – ob nach zehn oder 13 Jahren –, dann können wir wirklich die kompliziertesten chemischen Formeln, physikalischen Zusammenhänge, biologischen Abläufe etc. erklären. Aber was wir machen, wenn es uns seelisch nicht gutgeht, wie man sich helfen kann – Stichwort Sportunterricht, dort läuft auch viel, dass man verschiedene Disziplinen lernt, dass man lernt, wie man sich sportlich fithalten kann, auch in Teams, mit Mannschaften etc. –, der Bereich „psychische Gesundheit“ wird in der Schule unzureichend oder eher gar nicht thematisiert.

Deswegen gilt mit Sicherheit für eine künftige Landesregierung, für ein künftiges Schul- und Bildungsministerium, dieses Thema in den Schulunterricht zu implementieren, ob, wie auch immer, im Gemeinschaftsunterricht, SoWi etc. Man kann es sicherlich auch im Religionsunterricht thematisieren. Das ist uns Obleuten ein ganz wichtiges Anliegen. Ich hoffe, egal wer da miteinander verhandelt, dass man das aufnimmt, das Thema „Depressionsprävention“, „Achtsamkeit“, „psychische Gesundheit“ etc. in den Unterricht hineinzunehmen.

Den zweiten Bereich hat Frau Cormann eben angesprochen, den Bereich Bauen und Wohnen. Da haben wir festgestellt, das ist ein wirklich elementarer Bereich. Ich glaube, Leute, die das erste Mal mit dem Thema zu tun haben, sagen: Bauen und Wohnen, hm?

Ich kann es an einem konkreten Beispiel aus meinem Stadtteil sagen. Ich lebe in der Nähe in Köln-Nippes. Da ist ein großes ehemaliges Industriegelände jetzt zu einem Wohnbezirk, Clubgelände, umgewandelt werden, 1.000 Wohneinheiten. Man hat es glücklicherweise so gemacht, dass man eine Fläche, die auch schon bei diesem Industriegebiet da war, offen gelassen hat für eine Begegnungsfläche mit einem großen Abenteuerspielplatz.

An einem Tag wie heute sind dort Hunderte von Menschen, Jung und Alt, die da sitzen, Kinder, die spielen, Kinder, die sich untereinander kennenlernen, Menschen aus dem neuen Stadtquartier, die da miteinander werkeln, es gibt da Reparaturwerkstätten etc.

Das ist wirklich ein ganz wichtiger Impuls, auch für eine neue Landesregierung, für Quartiersentwicklung. Einsamkeitsprävention heißt wirklich, eine andere Form von Stadtplanung zu machen. Das haben wir in unserer Arbeit miteinander festgestellt. Danke, Frau Cormann, dass Sie das an der Stelle auch angesprochen haben.

Zum Abschluss noch für alle, die sich mit dem Thema vorher schon beschäftigt haben: Es gibt da Beispiele aus Großbritannien. Es gibt in Bhutan das sogenannte Ministerium für Glück. Da würde man vielleicht erst einmal sagen, das klingt irgendwie bekloppt, ist obsolet oder wie auch immer. Aber wenn man es runterbricht: Was heißt das eigentlich im Bereich von Gesundheitsprävention, von Wohlbefinden, auch von Einsatzfähigkeit im Beruf? Menschen, die mit Depressionen über Monate ausfallen, sind auch nicht arbeitsfähig. Was bedeutet das für Familien, für gesunde Familienstrukturen, für das Aufwachsen von Kindern?

Ich will jetzt hier an der Stelle kein Ministerium für Glück fordern. Aber das, was wir gemeinsam jetzt festgestellt haben, ist, dass es gut wäre, einen Landesbeauftragten zu haben. Ich habe es selber erlebt in meiner queeren Arbeit in den Neunzigerjahren. Da war auch immer der Ansatz, dass es dann hieß, ach, um Schwule und Lesben, da kümmern sich auch Familienministerium und Arbeitsministerium, wie auch immer. Wir haben damals gesagt: Es braucht eine Stelle, wo das zusammenläuft. Deswegen ist es gut, dass es seitdem ein Referat für gleichgeschlechtliche Lebensformen in der Verwaltung gibt, die das sozusagen bündelt. Natürlich muss das in allen Ministerien mitgedacht werde.

Unser Wunsch an künftige Koalitionäre ist, diesen Impuls aufzunehmen und in einer neuen Landesregierung so etwas wie einen Beauftragten, eine Fachstelle, ein Referat für Einsamkeitsprävention aufzunehmen, damit diese 55 Handlungsmaßnahmen gut miteinander umgesetzt werden. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

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