Arndt Klocke: „Ein wichtiges Stichwort ist hier die Bürgerbeteiligung“

Unterrichtung der Landesregierung "Binnenschifffahrt"

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Arndt Klocke (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Damen und Herren! Lieber Christof Rasche, ich glaube, ich habe den Kollegen Ellerbrock in der letzten Verkehrsausschusssitzung gleich dreimal gelobt. Das führte zu absoluter Verunsicherung.
(Christof Rasche [FDP]: War ich nicht dabei!)
Sehr geehrte Damen und Herren, es ist ja zuerst einmal erfreulich, festzustellen, dass dieses Konzept von den beiden großen Oppositionsfraktionen mitgetragen wird. Das war eben die Botschaft der Rede des Kollegen Voussem und auch von Christof Rasche. Was die Frage angeht, ob man das alles ein bisschen schneller hätte hinbekommen können, so mag das sein. Gut Ding will Weile haben. Es gibt auch andere zentrale Rahmenpläne wie den Bundesverkehrswegeplan, der seitens der Bundesregierung und des Bundesverkehrsministers ebenfalls deutlich hinter der Zeit vorgelegt worden ist. Wir haben auch darauf gewartet, dass es schneller geht.
Die Arbeit geht trotzdem weiter. Es ist nicht so, als ob in der Zwischenzeit in den entsprechenden Dienststellen, in den Behörden, in den verschiedenen Beratungscentern etc. nicht gearbeitet worden wäre. Jetzt haben wir ein neues Rahmenkonzept. Was erwarten Sie von einer Grünen-Rede? Sie erwarten natürlich, dass ich hier die Nachhaltigkeitsaspekte betone. Diese sind eindeutig in diesem Konzept enthalten. Binnenschifffahrt ist ein absolut umweltfreundlicher Verkehrsträger, wenn man ihn beispielsweise mit der Straße vergleicht. Aber es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass bei der Entwicklung von Binnenschifffahrtsstandorten und bei der Entwicklung der Häfen natürlich auch Nachhaltigkeitsaspekte eine Rolle spielen. Ein wichtiges Stichwort ist hier die Bürgerbeteiligung, insbesondere Bürgerbeteiligung at first. Wir haben bei ganz vielen Verkehrsprojekten – Stuttgart 21 ist auf Bundesebene das Schlagendste – festgestellt, wenn man die Bürger nicht rechtzeitig in Prozesse involviert, nicht rechtzeitig informiert und nicht rechtzeitig mitnimmt, dann führt das zu dem, was der Minister eben angesprochen hat. Es kommt nämlich zu Klagewellen und zu Prozessen, die die Planungsprozesse unnötig aufhalten. Daran können wir kein Interesse haben. Deswegen ist auch ein wichtiger Punkt in dem Konzept erwähnt, dass wir nämlich bei Ausbaumaßnahmen, bei konzeptionellen Schritten möglichst früh die Öffentlichkeit, die Bürgerinnen und Bürger, mitnehmen und informieren, und versuchen, hier einen möglichst weiten Konsens herzustellen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das haben wir in dem Konzept festgeschrieben.
Wenn man Binnenschifffahrt vorantreiben will, ist es ein weiterer Punkt, dafür zu sorgen, dass beispielsweise die Landstromversorgung an allen Hafenstandorten und allen Liegeplätzen eingerichtet wird. Hier ist Düsseldorf beispielsweise recht weit. In Köln muss ein Stück nachgearbeitet werden. In anderen Städten ist noch viel mehr zu tun. Ein wichtiger Punkt ist eben eine nachhaltige und umweltfreundliche Landstromversorgung.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ein anderer Punkt ist beispielsweise der Bereich, dass Binnenschiffe natürlich auch Emissionen wie Feinstaub etc. verursachen. Wir konnten das hier noch bis vor zwei Jahren quasi täglich durch die Lüftung unseres Plenarsaals erleben. Wenn große Binnenschiffe hier entlangfuhren, erreichte der Ruß auch den Plenarsaal.
Wenn wir hier etwas verändern wollen, müssen wir entsprechende Kreditangebote machen. Die kleinen Partikulierer haben leider nicht die wirtschaftlichen Möglichkeiten, um die Antriebe schnell umzustellen. Hier gibt es auch Bemühungen seitens der EU-Kommission, von der heutigen Diesel- und Schwerölmaschinerie bei den Binnenschiffen wegzukommen. Dafür braucht man vernünftige Beratungsangebote und vernünftige Kredite. Auch das wollen wir mit dem Konzept entsprechend voranbringen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Denn nur so wird die Binnenschifffahrt im Vergleich zur Straße wirklich ein umweltfreundlicher Verkehrsträger.
Der Verkehrsminister hat gerade angesprochen, dass wir Güter verlagern wollen, und er hat auch auf die Probleme hingewiesen. Es gehört zu einer nüchternen Bilanz schon dazu, den Finger in die Wunde zu legen und ganz klar in Richtung Bahn zu sagen: Es kann nicht sein, dass wichtige Umschlagterminals abgebaut werden, dass hier in dem Bereich gekürzt wird. – Hier muss es ein deutliches Signal in Richtung Deutsche Bahn geben, dass wir im Bereich Güterverkehr die Standorte, die wir heute haben, nicht nur erhalten, sondern auch ausbauen wollen. Herr Pofalla, der im Bahnvorstand sitzt, aus Nordrhein-Westfalen kommt und langjähriger CDU-Abgeordneter war, sollte mit uns dafür kämpfen, dass die entsprechenden Verladeterminals nicht nur erhalten, sondern auch ausgebaut werden.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wenn man die Landesregierung für Versäumnisse kritisiert, dann sollte man seine Hausaufgaben gemacht haben. Liebe CDU, lieber Kollege Voussem, wenn ich mir die Zahlen angucke – der Kollege Ott hat es eben angedeutet –: Es ist natürlich schön, wenn Sie sagen, dass die Bundesregierung im Haushalt hier Gelder für Investitionen in Infrastruktur bereithält, aber die müssen auch eingesetzt werden.
Bei einer Kleinen Anfrage zum Einsatz der Investitionen in Binnenschifffahrt in den Jahren 2015 und 2016 meiner Bundestagskollegen Valerie Wilms und Matthias Gastel – die ich hier gerne mit Erlaubnis der Präsidenten zitieren würde – kam Bemerkenswertes raus: Im Haushalt 2015 waren 997 Millionen € im Haushalt eingestellt, real in Projekte eingesetzt wurden 760 Millionen €. Und im Haushalt 2016 sind 974 Millionen € eingestellt, im ersten Halbjahr wurden aber nur 207 Millionen € eingesetzt – also nicht einmal ein Viertel der im Haushalt eingesetzten Summe.
Wenn Sie sich hier in jeder Debatte um Verkehrsinfrastruktur hinstellen und immer noch dieses Versäumnis von 2013 betonen, wo das Land 32 Millionen €, die es vom Bund hätte haben können, nicht eingesetzt hat, dann gehört doch zur Wahrheit dazu, dass Sie im letzten Jahr 250 Millionen €, die der Bund im Haushalt für Investitionen in die Binnenschifffahrt, in Schleusen, in Kanäle eingestellt hatte, nicht eingesetzt haben und in diesem Jahr noch 700 Millionen € im Haushalt an Rückhalt haben.
Das sind doch die wahren Zahlen. Also, warum passiert denn hier nichts auf Bundesebene? Warum werden die Mittel, die im Haushalt sind, nicht eingesetzt? – Weil die Bundesregierung hier die Strukturen entsprechend nicht eingezogen hat, weil es Probleme in der Wasser- und Schifffahrtsstraßenverwaltung gibt. Das liegt doch, lieber Christof Rasche, mindestens genauso lange auf Halde, wie dieses Konzept möglicherweise auf sich warten lassen hat.
(Beifall von den GRÜNEN und Jochen Ott [SPD])
Zur Frage der Logistik. „Logistik“ – „Investitionen in Logistik“ – ist ja ein bisschen ein Zauberwort. Es ist auch grundsätzlich richtig, dass das ein wichtiger Zukunftsmarkt ist. Nur, relevant ist doch, dass Logistik auch Wertschöpfung auslöst. An einigen Standorten werden große Hallen gebaut und dann werden Güter aus Fernost, Billigwaren importiert, dort umgelabelt – T-Shirts, was auch immer –, mit Gabelstaplern durch die Gegend gefahren, und das ist dann die Investition in Logistik.
Ich finde es grundsätzlich richtig, in Logistik zu investieren – das ist ein wichtiger Zukunftsmarkt. Aber wenn, dann müssen doch hier vor Ort entsprechend auch Arbeitsplätze geschaffen werden, dann muss eine Wertschöpfung stattfinden. Es lohnt sich doch nicht, hier nur in große Terminals und große Hallen zu investieren, aber letztendlich passiert für die heimische Wirtschaft gar nichts. Das ist hier an einigen Standorten leider auch der Fall.
Und zum Güterverkehr: Ja, Güterverkehr und Investitionen in Güterverkehr sind wichtig, aber es muss doch auch die Frage gestellt werden: Sind Investitionen in Güterverkehr immer nachhaltig? Wenn man sich beispielsweise anguckt, dass viele Firmen heutzutage unsere Straßen, die Autobahnen zur Lagerhaltung benutzen und gar nicht mehr real produziert und ausgeliefert wird, sondern die Autobahn das Lager ist – und damit natürlich auch eine Umweltbelastung entsteht –, dann muss doch die Frage gestellt werden: Ist das die Art von Güterverkehr, die wir uns vorstellen? – Ich meine nein. Das Konzept gibt hier auch klare Antworten, dass das eben nicht unsere Perspektive in Nordrhein-Westfalen ist.
(Beifall von Martin-Sebastian Abel [GRÜNE])
Wo muss also nachgearbeitet werden? Das Konzept gilt es jetzt umzusetzen – keine Frage –, aber beim Bund muss nachgearbeitet werden. Und da würde ich die Kollegen der CDU bitten, das auch mitzunehmen, was eine effiziente, motivierende Verwaltung im Bereich der Häfen und der Wasser- und Schifffahrtsstraßenverwaltung angeht.
Es gibt einige gute Reformvorschläge, es gibt einige schlechte, es gibt viel Aufruhr in der Behörde, es gibt viele Unstimmigkeiten, es gibt viel Verunsicherung. Diese Reform muss dringend vorangebracht werden, denn ansonsten werden wir hier den Aufschwung und die Perspektiven, die wir uns vorstellen, leider auch nicht erleben, sehr geehrte Damen und Herren.
Es gab ja im Herbst 2014 einen fraktionsübergreifenden Antrag zu diesem Themenbereich. Vieles von dem ist in dem Konzept umgesetzt worden – das ist auch löblich und deswegen wahrscheinlich auch die Zustimmung der Oppositionsfraktionen in ihren Redebeiträgen. Ich würde gerne zum Abschluss dieses Beitrags aus unserem gemeinsamen Antrag eine Passage zitieren, wo man vielleicht denkt: Aus einem grünen Parteiprogramm entsprungen. – Aber sie stammt aus einem gemeinsamen Antrag von CDU, FDP, SPD und Bündnis 90/Die Grünen, wo es heißt:
„Umweltgerechte und ressourceneffiziente Transport- und Logistikprozesse erfahren in der Logistikbranche und im Kundenkreis“ in Nordrhein-Westfalen „eine zunehmend große Aufmerksamkeit (green logistics). In diesem Zusammenhang sind zukunftsorientierte Maßnahmen für einen effizienten, schadstoffarmen und klimaschonenden Güterverkehr auf den Binnenwasserstraßen“ und auf unseren Straßen „detailliert zu prüfen. Der Erfolg kann nur durch Veränderungen erzielt werden, die den Logistik- und Binnenschifffahrtsunternehmen dauerhaft eine erfolgreiche Marktpositionierung“ in Nordrhein-Westfalen „gegenüber anderen Verkehrsträgern ermöglichen.“
Ich glaube, dem ist nichts hinzuzufügen. Das ist auf jeden Fall unser grünes Credo. Ich freue mich, dass wir das auch schon gemeinsam miteinander hier verabschiedet haben. Von daher steht im Konzept viel Vernünftiges. Lassen Sie uns das jetzt umsetzen. Die Debatte heute trägt dazu bei. Wir sollten es nicht kleinreden und jetzt über die Frage streiten, wann was veröffentlicht wurde, sondern es geht darum, das, was hier niedergeschrieben wurde, auch in reale Politik umzusetzen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)


2. Runde:

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Arndt Klocke (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich ergreife noch einmal das Wort zu zwei Punkten aus der Debatte, die mir wichtig sind. Das betrifft einmal die angesprochene Frage, ob man eine Kategorisierung im Landesentwicklungsplan mit landesbedeutsamen Häfen und anderen schafft.
Ich würde noch einmal dafür werben – er ist heute vorgestellt worden –, das entsprechend zu machen. Denn wenn wir alle 124 Hafenstandorte, jedenfalls die, die gemeldet sind, seitens des Landes, der Behörden, der Kommunen gleich behandeln würden, würden wir insbesondere die Kommunalverwaltungen doch vielfältig unter erheblichen Planungsstress setzen, was auch gar nicht vorhandene Entwicklungsperspektiven angeht.
Es macht Sinn – da ist auch noch einmal nachjustiert worden, jedenfalls was die Frage Emmerich angeht, das ist eben angesprochen worden –, zwei Kategorien zu haben, nämlich einmal die bedeutenden, landesbedeutsamen Hafenstandorte und die anderen. Das als Punkt eins.
Bei Punkt zwei komme ich noch einmal zur Frage der Flächen. Selbstverständlich braucht wirtschaftliche Entwicklung auch ausreichend Flächen. Das ist völlig unbestritten. Der Aspekt aber von Nachhaltigkeit, also von Grünflächen, von Retentionsräumen am Rhein, ist ein relevanter. Ich möchte noch einmal dafür werben, Umweltpolitik nicht immer nur in Sonntagsreden zu betreiben.
(Beifall von den GRÜNEN)
Eben ist der Chef der Duisburger Häfen, Herr Staake, angesprochen worden, der mit Sicherheit seine Leistungen und Verdienste hat, was den Hafen angeht, was die Entwicklung des Hafens angeht.
Ich erinnere mich an die Vorstellung unseres Konzeptes in den Rheinterrassen. Da war er auf der Bühne in einem Talk. In jedem dritten Satz meinte er, Nachhaltigkeitsaspekten, Klimaschutzaspekten und überhaupt dem Einfluss der Grünen in der Landesregierung einen Seitenhieb verpassen zu müssen. Es ist vielleicht kein Wunder, wenn man Duzfreund von Gerd Schröder ist und sozusagen in der Tradition steht.
Ich aber meine, es ist nur zukunftsfähig, und zwar über den Tag hinaus und nicht als eine kurzfristige Entwicklung, wenn man Klimaschutz und Nachhaltigkeitsaspekte mit wirtschaftlicher Entwicklung und wirtschaftlicher Perspektive verbindet. Das gelingt in diesem Konzept. Deswegen werben wir auch dafür, das entsprechend umzusetzen.
Es macht aber aus unserer Sicht keinen Sinn, immer Krokodilstränen zu weinen, wenn wir Starkregenereignisse haben und uns sozusagen die Bäche und Flüsse wegspülen, wenn man sich andere Aspekte im Bereich unserer Umwelt anguckt. Immer dann, wenn es konkret wird, wenn es darum geht, den Ausgleich zu schaffen zwischen den berechtigten wirtschaftlichen Interessen und der Flächenpolitik – auch den Rückhalt von Grünflächen –, dann sagt man: Na ja, für die wirtschaftliche Entwicklung muss entsprechend alles abgeräumt werden, nur damit die wirtschaftlichen Perspektiven gut sind.
Gute wirtschaftliche Perspektiven gibt es nur in der Kombination aus Nachhaltigkeit, Klimaschutz und florierender Wirtschaft und Handel. Und das gewährleistet das Konzept. Wir würden an dieser Stelle auch noch einmal dafür werben, das entsprechend zu berücksichtigen.
(Beifall von den GRÜNEN)

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