Arndt Klocke (GRÜNE): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Schon wieder der Arndt mit dem Hemd!)
– Lieber Herr Kollege Hovenjürgen, das bleibt auch heute so. Aber ich verspreche morgen mehr Dezenz, was die Hemdenauswahl angeht.
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Aber es ist nett gemeint!)
Es ist auch nicht aus dem grünen Webshop.
(Henning Höne [FDP]: Noch mehr Farbe ginge nicht!)
– Mehr geht auch nicht. – Aber wenn ich es zu Anfang meiner Rede noch sagen darf: Unsere Fraktionsvorsitzende Verena Schäffer hat heute aber auch farblich einiges zu bieten.
(Henning Höne [FDP]: Das haben wir schon festgestellt!)
Es ist ja Frühling draußen.
(Angela Freimuth [FDP]: Es bringt gute Laune ins Haus!)
– Es bringt gute Laune, Frau Kollegin. Das nehme ich sehr gern an.
Ich will die gute Laune auch nicht trüben. Trotzdem müssen wir über ein ernstes Thema sprechen, nämlich über Spekulationen und Fehlentwicklungen im Wohnungsbau.
Ich würde gerne zu Anfang meiner Rede an eine Debatte erinnern, die wir hier im September 2016 geführt haben, also in der letzten Legislaturperiode. Damals gab es einen Antrag der damaligen Koalitionsfraktionen SPD und Grüne zu dem Thema „Share Deals“, also der Möglichkeit, eine oder mehrere Immobilien zu kaufen, diese dann an eine GmbH bis zu einem Satz von 94,9 % zu übertragen und dann entsprechend die Anteile weiter zu übertragen. Das führt dazu, dass große Immobiliengesellschaften so vorgehen und viele Immobilien und vor allen Dingen auch Grund und Boden in Hand dieser Gesellschaften bleiben und dort nicht gebaut wird.
Wir haben in Nordrhein-Westfalen ja einen sehr großen Bauüberhang. Im Jahre 2019 waren das 112.000 Wohnungen, die nicht gebaut worden sind, die wir aber dringend bräuchten für Menschen, die Eigentum erwerben wollen, für Menschen, die sich niederlassen wollen.
Das ist ja eigentlich auch ein Anliegen unserer Landesregierung. Jedenfalls habe ich viele der Anträge und auch der Reden von Bauministerin Scharrenbach und im Ausschuss so wahrgenommen, dass es darum geht, Erwerb von Eigenheimen zu ermöglichen.
Woran scheitert denn Wohnungsbau konkret in den Städten? Er scheitert unter anderem und verstärkt immer mehr daran, dass wir zu wenige Flächen haben und dass Grund und Boden eben in diesen Holdings verbleiben, sodass sie nicht bebaut werden können und nicht für den Wohnungsbau freigegeben werden können.
Auf der anderen Seite haben wir die Situation, dass ein einzelner Bewerber oder eine einzelne Bewerberin, der oder die sich eine Wohnung kauft, eine Grunderwerbsteuer in Höhe von 6,5 % zu zahlen hat.
Ich erinnere mich daran, dass die Erhöhung, die wir in der rot-grünen Koalitionszeit vorgenommen haben, damals sehr umstritten war. Sie ist von FDP und CDU stark kritisiert worden. Ich habe auch noch einmal in das Protokoll dieser Debatte im Herbst 2016 geschaut. Es gab scharfe Kritik an der als völlig überhöht bezeichneten Grunderwerbsteuer von 6,5 %.
(Zuruf von Henning Höne [FDP])
Wir haben uns damals mit dieser Entscheidung schwergetan. Der Hintergrund war der völlig überschuldete Landeshaushalt, den wir 2010 übernommen hatten – mit 6,8 Milliarden Euro Nettoneuverschuldung pro Jahr.
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Was habt ihr übernommen?)
Mit Blick auf die Schuldenbremse war es für die damalige Landesregierung natürlich notwendig, zu einer schwarzen Null zu kommen.
Sie haben das Glück gehabt, 2017 die Regierung ohne Neuverschuldung zu übernehmen.
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Was?)
Das ist auch ein entsprechendes Glück. Nur: Wir hätten dann erwartet, liebe Kolleginnen von CDU und FDP, dass Sie diese Chance nutzen und in den vier Jahren die Grunderwerbsteuer entsprechend wieder absenken. Das haben Sie jetzt vier Jahre nicht getan.
Ich habe vor einigen Wochen eine Rede von Minister Pinkwart gehört, der vermutlich gleich auf mich reagieren wird, anstelle der Wohnungsbauministerin. Da sprach er von der neuen Landesregierung – nach vier Jahren und ein Jahr vor der nächsten Landtagswahl.
(Zuruf von Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie)
Die neue Landesregierung – ich greife die Formulierung einmal auf – hat es vier Jahre lang nicht geschafft – trotz guter Kassenlage, trotz guter Haushaltslage –,
(Beifall von den GRÜNEN und Regina Kopp-Herr [SPD])
die Grunderwerbsteuer von 6,5 %, die sie scharf kritisiert hat, abzusenken.
(Beifall von Christian Dahm [SPD] – Christian Dahm [SPD]: So ist es!)
Das heißt, privater Wohnungserwerb wird hoch besteuert, und Spekulationen werden überhaupt nicht besteuert. Das ist das Problem.
(Zuruf von Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie)
Wir hatten in der letzten Woche einen von CDU/CSU und SPD gefassten Beschluss des Bundestages unter dem Stichwort „Share Deals“, aber mit einer Absenkung der Quote von bisher erlaubten 95 % – ich habe das eben inhaltlich ausgeführt – auf nun 90 %.
Alle kundigen Sachverständigen – die Deutsche Steuer-Gewerkschaft, der Bund der Steuerzahler, der Deutsche Mieterbund – haben in der Anhörung gesagt, dass das überhaupt nichts bringen wird. Wenn wir nicht mindestens auf 75 % heruntergehen, wird es diese Immobilienspekulationen, diese Spekulationen mit Grund und Boden, nicht verhindern.
Wir meinen: Es braucht einen weiteren Aufschlag des Landes Nordrhein-Westfalen. Es braucht eine weitere Bundesratsinitiative. Die Landesregierung muss doch, wenn es darum geht, Geld, das versteuert werden soll und muss, in die Kassen zu bekommen und Wohnraum zu schaffen, diese Share Deals verhindern.
Das war der Tenor der Debatte von 2016. Die jetzige Bundesregierung hat es nicht geschafft. Es ist ein großes Thema in den Medien und vor allen Dingen in den wohnungspolitischen Zusammenhängen in den letzten Wochen und Monaten gewesen.
Wir haben diesen Aufschlag gemacht. Dass es jetzt zeitgleich zu der Bundestagsentscheidung läuft, konnte man nicht vorhersehen. Aber die Bundestagsentscheidung springt unter der Latte durch – oder darüber; je nachdem, wie man es sehen will. Diese 90 % sind viel zu hoch. Wir wollen eine Bundesratsinitiative, die höchstens 75 % beinhaltet.
Ich würde mich sehr freuen, wenn der nicht mehr ganz so neue Minister Pinkwart uns gleich Unterstützung für diesen Antrag signalisiert.
(Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie deutet auf Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz.)
– Ah, es wird Frau Ministerin Heinen-Esser sein; Entschuldigung. – Bei Ihnen würde ich mich natürlich genauso freuen; denn es bringt mehr Geld in die Kassen, und es gibt mehr Wohnraum für die Menschen in diesem Land. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN)
Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Zur allgemeinen Information der Kolleginnen und Kollegen: Wir haben dem Abgeordneten Klocke gerade 40 Sekunden Redezeit zurückgeschenkt, weil die Diskussion über das farbenfrohe, freundliche Hemd genau diese Zeit in Anspruch genommen hat.