Arndt Klocke: „Dass der Freie Markt alles regelt, ist durch die Realität seit Jahren und Jahrzehnten widerlegt“

Zum Antrag der FDP-Fraktion für eine Bauwende

Arndt Klocke (GRÜNE): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wenn es eine kleine Runde ist, lieber Kollege Jochen Ritter, als jemand, der in der letzten Woche bei der Berlinale dabei war und die Verleihung des goldenen Ehrenbären an Tilda Swinton live miterleben durfte, muss ich ganz ehrlich sagen, dass dieser FDP-Antrag und auch die Rede der ansonsten geschätzten Kollegin Freimuth nicht reif für den Ehrenbären, sondern maximal reif für die goldene Zitrone wären. Sowohl inhaltlich als auch bei der Performance liegt – das muss ich ehrlich sagen – Frau Swinton deutlich vorn.

Wir haben in vier Tagen Bundestagswahl. Es steht natürlich jeder Fraktion frei, hier Anträge einzureichen, wie sie das für richtig hält. Das ist ein reiner Wahlkampfantrag, und zwar von vorne bis hinten und mit allen Ladenhütern – das hat der Kollege Stoltze von der SPD-Fraktion eben völlig richtig gesagt –, die in der FDP-Mottenkiste liegen. Wir werden ja am Sonntagabend sehen, ob diese Ladenhüter Sie noch mal über die 5 % bringen oder nicht.

(Zurufe von Yvonne Gebauer [FDP] und Susanne Schneider [FDP])

Die Grundhaltung, dass der Freie Markt alles regelt – das ist ja die Essenz dieses Antrages: wir brauchen keinen Mieterschutz, wir brauchen keine Kündigungssperrfristverordnung, es braucht keine öffentliche Wohnraumförderung – und dann auf dem Wohnungsmarkt alles in Ordnung ist, ist das Credo dieses Antrages. Das ist durch die Realität seit Jahren und Jahrzehnten widerlegt.

(Christian Loose [AfD]: Es gibt doch seit Jahren keinen freien Markt! Sie regulieren alles!)

– Sie sind ja gleich noch dran, dann können Sie von der AfD das so darstellen, wie Sie das gerne möchten.

Es gibt gute Gründe, warum eine Mietpreisbremse eingeführt worden ist. Sie ist auch gar nicht von den Grünen, sondern von einer Großen Koalition eingeführt worden.

Die FDP war bis vor gar nicht so langer Zeit Teil dieser Landesregierung und im Bund noch bis November in der Bundesregierung. Was von dem, was Sie hier aufgeschrieben haben, haben Sie also in Regierungsverantwortung umgesetzt? Auf die Widersprüche hat Jochen Ritter eben hingewiesen.

Es war längst Beschluss der bis Mitte November bestehenden Bundesregierung, die Mietpreisbremse fortzuschreiben. Auf irgendeine Linie muss man sich mal festlegen. Federführend war das Bundesjustizministerium, meines Wissens von jemandem geführt, der heute FDP-Generalsekretär ist und zentraler Wahlkampfleiter der Partei. Das war gerade derjenige, der dafür sorgen wollte, dass die Mietpreisbremse fortgeschrieben wird.

Jetzt legen Sie uns kurz vor der Bundestagswahl einen Antrag vor, dass das alles Unsinn ist und wegmuss. Vielleicht sind genau das die Widersprüche, wegen der die Leute draußen nicht mehr verstehen, warum man FDP wählen soll.

(Beifall von Jochen Ritter [CDU] – Zuruf von Yvonne Gebauer [FDP])

Ansonsten sind in diesem Antrag viele Sachen enthalten, die wir in den letzten Monaten an anderen Stellen intensiv diskutiert haben.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Zum Gebäudetyp E haben wir letzte Woche zusammen die große Bauveranstaltung in Essen gemacht, bei der uns die Praktiker, die vor Ort waren, also GOLDBECK als zentrales Unternehmen, Schüco und andere, attestiert haben, dass diese Regelung mit der Öffnungsklausel in der Landesbauordnung genau das Richtige ist, jedenfalls als erster Schritt und dann mit der Perspektive – das wird bei künftigen Koalitionsverhandlungen in Berlin eine Frage sein –, dass man einen Gebäudetyp E sozusagen als zentrale Regelung in ein Baugesetzbuch einführt. Auch da hinken Sie mit den Forderungen also der Realität hinterher.

Dann zu den digitalen Genehmigungsverfahren in dem Antrag: Mein Stand ist, dass das Bauportal.NRW gut genutzt wird und es ein zentrales Ziel ist, bis Ende des Jahres alle Kommunen anzuschließen und die Digitalisierung voranzubringen. Natürlich ist es bei der Erteilung von Baugenehmigungen zentral, dass die Digitalisierung läuft. Da sind wir aber mittlerweile längst viel weiter als die FDP mit diesem Antrag.

Zur Grunderwerbsteuer: Dazu hatten wir vor wenigen Monaten die Anhörung im HFA. Alle Sachverständigen haben darauf hingewiesen, dass man, wenn man die Grunderwerbsteuer auf 5 oder 3,5 % absenken würde, ein eklatantes Haushaltsproblem hätte. Dann muss doch die Frage an die FDP gehen – man kann so einen Vorschlag ja machen –: Wie soll das im Landeshaushalt gegenfinanziert werden? An welcher Stelle soll dieser massive Ausfall kompensiert werden? Die Länder, also auch das Land Nordrhein-Westfalen, haben kaum eigene Einnahmequellen über Steuermöglichkeiten. Wie soll das also kompensiert werden?

Ich versuche, mich noch weiter durch die umfangreichen Forderungskataloge und -listen im Antrag durchzuarbeiten.

Eine Überweisung an den Ausschuss kann man machen. Aber: So what?

Es wird gefordert, dass man Instrumente wie Bau.Land.Leben und NRW.URBAN weiter stärkt. Das ist ein Anliegen, das auch diese Landesregierung hat. Das haben wir gemacht, aber beim Haushalt haben Sie dagegengestimmt. Es ist ein zentraler Punkt im Landeshaushalt, diese Landesinitiativen zu stärken. Bei der nächsten Abstimmung des Bauetats müssten Sie doch eigentlich mit Freude zustimmen, wenn Sie diese Initiativen gestärkt haben wollen.

(Angela Freimuth [FDP]: Ihr habt ja noch ein bisschen mehr im Haushalt drin!)

– Wir haben auch ein paar andere Sachen. Aber das steht im Haushalt, wenn Sie das gestärkt haben möchten.

Der Antrag springt wirklich weit unter der Latte durch. Wir werden ihn überweisen und weiter diskutieren. Es hätte dieses Antrags nicht bedurft. Ich freue mich trotzdem, dass wir hier darüber diskutieren.

Dass ein Prinzenpaar auf der Tribüne sitzt und zuhören konnte, freut mich besonders.

In diesem Sinne: Alaaf, Helau und was man sonst da ruft, wo Sie zu Hause sind. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

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