Arndt Klocke: „Da weiß der eine nicht, was der andere tut“

Zum Entwurf der Landesregierung zur Änderung der Landesbauordnung

Arndt Klocke (GRÜNE): Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Sie dachten, sie seien an der Macht, dabei waren sie nur an der Regierung“, sagte einst Kurt Tucholsky. Was wir als Oppositionsfraktionen bei der Beratung dieser Änderung der Landesbauordnung mit den Regierungsfraktionen erlebt haben, ist wirklich der Tiefpunkt dessen, was ich in elf Jahren Parlamentszugehörigkeit erlebt habe.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wir haben in den vergangenen Tagen gelernt, dass wir mit dem Begriff „Fake News“ als Vorwurf vorsichtig sein sollten. Aber, lieber Stephen Paul, was du hier am Ende gesagt hast, war nun wirklich die Höhe dessen, was man an Unwahrheiten sagen konnte: dass es den Regierungsfraktionen ein großes Anliegen war, die Änderungen durch mehrfache Anhörungen spiegeln zu lassen. – Wir haben diese Anhörung in der letzten Woche mühsam erkämpft.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Nachdem in dieser Sondersitzung vor dem Plenum 50 Minuten lang versucht wurde, das Ding zu blockieren, wurde die Anhörung erst durch das Einschreiten der Parlamentarischen Geschäftsführer um 9:50 Uhr beschlossen. Schrumpf und du sind noch herausgegangen – du kamst dann kleinlaut wieder herein und dann gab es, nachdem Herr Kerkhoff und Herr Höne entsprechend interveniert hatten, auf einmal doch noch eine Anhörung.

(Christian Dahm [SPD]: Guter Mann, Herr Höne! – Henning Höne [FDP]: Ich wusste gar nicht, dass Arndt Klocke dabei war!)

Das ist die Wahrheit. Für mich ist das wirklich der Höhepunkt – der Höhepunkt! – der Unverschämtheit. Henning Höne, jetzt mal gut zuhören: Du weißt genau, was da gespielt wurde.

(Henning Höne [FDP]: Ich war da und du nicht!)

Der Höhepunkt war, dass der Ausschussvorsitzende in der laufenden Ausschusssitzung um eine Obleuterunde gebeten hatte, um die rechtlichen Unklarheiten beim Inkrafttreten zu klären. Für die Rechtsauskunft war ein Mitarbeiter der Verwaltung extra in die Sitzung gekommen und saß neben ihm, und dann wurde diese Obleuterunde mit Mehrheit von CDU und FDP abgelehnt. Das war wirklich ein Schauspiel sondergleichen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Christian Dahm [SPD]: Tiefpunkt des Parlamentarismus!)

Da muss man sich fragen, was der Hintergrund dieser ganzen Geschichte ist.

Was eben auch erwähnt wurde: der „dynamische Politikansatz“. – Zu rot-grüner Zeit wäre es Schlamperei gewesen,

(Beifall von den GRÜNEN)

wenn man das Baugesetzbuch des Landes Nordrhein-Westfalen, das in der Regel zehn Jahre Gültigkeit hat, in einer Legislaturperiode fünfmal geändert hätte.

(Fabian Schrumpf [CDU]: Sie haben doch gar keine hingekriegt!)

Es ist die zweite Novelle. Da hätten CDU und FDP uns in unserer Regierungszeit höchste Schlamperei vorgeworfen: Was ist da im Ministerium los? Da weiß der eine nicht, was der andere tut.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Stattdessen ist das der neue dynamische Politikstil der – jedenfalls noch – amtierenden Landesregierung, die hier eine Mehrheit hat.

(Christian Dahm [SPD]: Berauschend!)

Frau Ministerin Scharrenbach, Sie haben sich das im Ausschuss die ganze Zeit angehört, ohne einen Ton dazu zu sagen. Das fand ich schon bemerkenswert. Ich habe in den vergangenen Jahren ja nun einige Minister von CDU und FDP, von SPD und Grünen erlebt. Viele Minister, dazu gehört auch Mike Groschek, haben sich bei aller Unterschiedlichkeit in inhaltlichen Zuschnitten bemüht, …

(Henning Höne [FDP]: Mike Groschek war ja ein besonders großer Freund der Grünen!)

– Ja, Mike Groschek hat sich sehr darum bemüht, auch zu den damaligen Oppositionsfraktionen einen vernünftigen Draht zu halten. Dass Sie sich darum bemühen, kann man Ihnen, Frau Scharrenbach, nun wirklich nicht unterstellen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zurufe von Josef Hovenjürgen [CDU] und Dietmar Brockes [FDP])

Es gab mal einen Ministerpräsidenten hier im Haus, der für Versöhnen statt Spalten geworben hat.

(Zuruf von Henning Höne [FDP])

Bei Ihnen ist es das politische Gegenteil, Frau Scharrenbach.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Fabian Schrumpf [CDU]: Kommen wir noch zur Bauordnung?)

– Jetzt kommen wir noch zur Bauordnung, genau.

(Zurufe von der CDU und der FDP: Ah!)

Jetzt kommen wir mit ein paar Zitaten aus der Anhörung vom vergangenen Freitag noch zu Landesbauordnung. Da sagte zum Beispiel Frau Niemeyer vom Städtetag – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –: Das kurzfristige Verfahren kritisieren wir scharf. Das Verfahren sollte noch eine Runde drehen, und kritische Punkte müssten überarbeitet werden, zum Beispiel die Innovationsklausel.

Herr Graaff vom Städte- und Gemeindebund sagte: Die Übergangsfrist ist falsch gewählt. Es wäre eine Übergangsfrist von vier Monaten notwendig.

Frau Dr. Garrelmann vom Landkreistag sagte: Wir sehen die Befreiungen und Ausnahmen kritisch. Es entwertet die bisherigen Baugenehmigungen. Die sofortige Gesetzeskraft ist ein großes Problem. Als Landkreistag bitten wir darum, davon Abstand zu nehmen.

Frau Stefens vom AK bab sagte: Es ist eine fadenscheinige Verschiebung der Rechtslage, die hier vorgenommen wird.

(Stefan Kämmerling [SPD]: Hört, hört!)

Herr Lehmann, Architektenkammer, sprach davon, dass die Ausweitung der Antragsberechtigten naturgemäß nicht unterstützt werde. Genehmigungsbefreiungen hätten ausgeweitet werden müssen.

Das waren die Stellungnahmen der Anzuhörenden. Und der Einzige, der diesen Änderungen zugestimmt hat, war Herr Amaya von „Haus und Grund“. Das wundert mich nun wirklich überhaupt nicht. Das ist die einzige Organisation, die eins zu eins hinter Ihrer Politik steht, Frau Scharrenbach.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Alle anderen haben scharfe Kritik geübt. Und dass Sie das heute hier so abstimmen, wie Sie das vorgelegt haben, das können Sie, weil Sie hier die Mehrheit haben.

(Christian Dahm [SPD]: Dynamischer Politikstil!)

Die Mehrheit haben Sie noch bis zum 15. Mai nächsten Jahres, und dann werden wir entsprechende Dinge wieder ändern. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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