Arif Ünal: „Wahlrecht ist Menschenrecht“

Gesetzentwurf von SPD, GRÜNE und Piraten zu kommunalem Wahlrecht für Nicht-EU AusländerInnen

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Arif Ünal (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren seit 30 Jahren über das kommunale Wahlrecht, aber so eine Diskussion habe ich noch nie erlebt, mit Unterstellungen dieses Wahlrecht für alle Migrantinnen, die 10 Prozent der Bevölkerung ausmachen, auf die Türkei zu reduzieren. Das ist fahrlässig.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)
So kann man ein so ernstes Thema nicht diskutieren.
Erstens. Wahlrecht ist ein wichtiges politisches Recht, weil es den Zugang zu politischer Partizipation für die Menschen ermöglicht.
Zu Ihrer zweiten Unterstellung, Herr Laschet, zu den Einbürgerungen: Sie tun so, als ob die Einbürgerung hier geschenkt würde und alle nicht wollen, weil sie ihre Staatsangehörigkeit behalten wollen. Das stimmt nicht. Empirische Untersuchungen zeigen: Das größte Hindernis bei der Einbürgerung ist die Verhinderung der doppelten Staatsangehörigkeit.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)
Sehr viele Menschen haben zum Teil persönliche und zum Teil eventuell auch politische Gründe, warum sie die deutsche Staatsangehörigkeit nicht annehmen. Aber alle AKP-Wählerinnen und -Wähler auszuschließen, die bewusst nicht die deutsche Staatsangehörigkeit haben, ist nicht richtig. Sie kennen die UETD. Die UETD ist die Kaderorganisation der AKP in der Bundesrepublik. Fast 80 % von ihnen haben eine deutsche Staatsangehörigkeit.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Das Wahlverhalten der Menschen hat mit der Staatsangehörigkeit überhaupt nichts zu tun.
(Zuruf von der SPD: So ist es!)
Bringen Sie bitte diese Sachen nicht durcheinander, sonst haben wir keine sachliche Diskussion.
Wir müssen diesen Antrag einbringen, weil die CDU-Fraktion und die FDP-Fraktion seit Jahren, auch als es die AKP hier nicht einmal gab, dieses Wahlrecht ideologisch verhindert haben.
Jetzt versuchen Sie natürlich, mit tagespolitischen Ereignissen zwanghaft irgendeinen Grund zu erzeugen, warum Sie das kommunale Wahlrecht ablehnen müssen. Es ist unfair, es ist unlauter, mit diesem Thema so umzugehen.
(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte mit ein paar Zahlen empirisch belegen, warum die Einführung des kommunalen Wahlrechts richtig ist, damit man die Diskussion ein bisschen versachlichen kann.
Die Einführung des Wahlrechts für dauerhaft hier lebende Migrantinnen und Migranten ist ein sichtbares Bekenntnis zur Einbeziehung der Gleichbehandlung von Menschen mit Migrationshintergrund, die seit Jahren hier leben, arbeiten und Steuern zahlen.
Die Einführung des Wahlrechts fördert die politische Partizipation. Erfahrungen und Ergebnisse aller empirischen Untersuchungen zeigen in Europa: Die Beteiligung an kommunalem Wahlrecht sollte man nicht beschränken, weil sie weitere politische Aktivitäten entwickelt, in politischen Parteien, in Gewerkschaften Mitglied zu werden. So gesehen ist diese Unterstellung nicht richtig, dass man da nur die Konservativen oder AKP-Anhänger hat.
Damals, 1986, hat in der Geschichte der EU der marokkanische König versucht, Einfluss auf Wahlen in den Niederlanden zu nehmen. Das ist gescheitert. Seitdem haben wir in Europa keine Einmischung von anderen Staaten in Kommunalwahlen gesehen. Diese Unterstellung verbietet sich, weil die Migranten keine homogene Masse sind. Sie sind sehr heterogen.
(Armin Laschet [CDU]: Das ist logisch!)
Herr Laschet, schauen Sie sich einmal die Wahlergebnisse der letzten Wahlen in der Türkei an. Wir haben 3 Millionen Menschen aus der Türkei. Davon haben ungefähr eineinhalb Millionen das Wahlrecht. Die Wahlbeteiligung war ungefähr 40 %, und die AKP hatte 43.000 Stimmen bekommen.
Das heißt, wenn man umrechnet: Eine kleine Prozentzahl der Menschen aus der Türkei haben die AKP gewählt. Aber wir haben in der Öffentlichkeit den Eindruck: Alle Menschen aus der Türkei seien AKP-Anhänger. Entweder erkennen Sie die Realität nicht, oder Sie wollen die Opposition, die hier arbeitet, nicht sehen. Das ist nicht gerecht.
(Anhaltender Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)
Zur Einflussnahme durch diese Wahlbeteiligung.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, die Redezeit.
Arif Ünal (GRÜNE): Wir haben hier Integrationsräte. Da dürfen alle Migrantinnen und Migranten wählen. Wir haben nach dem Betriebsverfassungsgesetz seit Jahren in Betriebsräten Wahlrecht für diese Menschen. Bis jetzt habe ich eigentlich sowohl bei den Integrationsräten als auch bei den Betriebsräten keine AKP-Anhänger in dem Sinne gesehen.
(Zuruf: Nein!)
Das ist auch eine Unterstellung. Es gibt einzelne Leute, aber wir können das Wahlrecht nicht vom Wahlverhalten einzelner Menschen abhängig machen. Das ist ein Menschenrecht. Das müssen wir diesen Menschen geben.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)
Wenn Demokratie so verstanden wird, hätte ich auch ein paar Vorschläge, wie wir in der Bundesrepublik mit dem Wahlrecht umgehen könnten. Aber Demokratie ist schwierig. Wahlrecht ist Menschenrecht. Das können wir davon nicht abhängig machen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Anhaltender Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

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