Arif Ünal: „Ohne diese Forschungen zu evaluieren, weitere Forschungen zu verlangen, finde ich nicht in Ordnung“

Antrag der FDP zur Prostatakrebs-Früherkennung

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Arif Ünal (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass unterschiedliche Verhaltensweisen, was die Gesundheitsvorsorge angeht, ausreichend erläutert worden sind. Deshalb erlauben Sie mir, mich mit diesen Vorsorgeuntersuchungen ein bisschen auseinanderzusetzen.
Es stimmt: Prostatakrebs stellt bei den Männern die häufigste Krebserkrankung nach Lungen- und Darmkrebs dar. Darüber gibt es sehr viele Veröffentlichungen. Das ist eine Tatsache. Deswegen spielt die Vorsorgeuntersuchung bei der Krebserkennung eine sehr wichtige Rolle, und deswegen können auch Männer ab 45 Jahre einmal im Jahr eine Vorsorgeuntersuchung als Kassenleistung in Anspruch nehmen, bei der die Prostata digital-rektal abgetastet wird.
Eine andere Möglichkeit der Früherkennung ist die prostataspezifische Antigenbestimmung, die PSA-Bestimmung. Der PSA-Test ist eine sogenannte IGeL-Leistung, das heißt, dass die Patienten selber bezahlen müssen, weil der Gemeinsame Bundesausschuss diese Leistungen nicht in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen hat. Dafür gibt es genug Gründe.
Der von der FDP vorgelegte Antrag verfolgt insbesondere das Ziel, die Teilnehmerraten bei der Früherkennungsuntersuchung zu steigern. So weit, so gut. Aber was ist, wenn der PSA-Test alles andere als zuverlässig ist?
(Angela Freimuth [FDP]: Das hat sie doch gesagt!)
Was, wenn die Männer aufgrund einer positiven PSA-Bestimmung eine Krebstherapie über sich ergehen lassen, obwohl keine lebensbedrohende Krebserkrankung vorhanden war? Was ist, wenn Untersuchungen und Therapien weitaus mehr schädigen als zu nutzen?
So sprechen zum Beispiel neue Empfehlungsrichtlinien der ACP – American College of Physicians – und andere Fachgesellschaften inzwischen davon, vollständig von dem PSA-Test bei Männern unter 50 und über 70 abzuraten.
Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Schneider?
Arif Ünal (GRÜNE): Ja, natürlich.
Vizepräsident Oliver Keymis: Bitte schön, Frau Schneider.
Susanne Schneider (FDP): Sehr geehrter Herr Ünal, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich weiß ja nicht, ob Sie während meiner Rede bereits im Raum waren oder ob Sie zugehört haben. Auf jeden Fall habe ich mehrfach in dieser Rede gesagt, dass ich nicht für den PSA-Test werbe, dass es bekannt ist, dass der Gemeinsame Bundesausschuss ihn ablehnt und dass es eine IGeL-Leistung ist.
Sie dürfen jetzt gerne weiter fortfahren, aber ich wollte Sie nur fragen, ob Sie bereit sind, das zur Kenntnis zu nehmen?
(Zuruf von der SPD: Das ist doch keine Frage!)
Arif Ünal (GRÜNE): Ich habe Ihnen sehr gut zugehört. Ich habe auch Ihren Antrag gelesen. Sie haben sich auf anderthalb Seiten mit dem PSA-Test auseinandergesetzt. Deswegen möchte ich auch über die wissenschaftliche Diskussion über PSA-Tests vortragen – nicht mehr und nicht weniger.
Ich glaube, dass diese Empfehlungen der Fachgesellschaften ganz eindeutig sind: Sie schlagen die Tests überhaupt nicht vor. Damit bleibt natürlich nur die digital-rektale Untersuchung, die auch eine Kassenleistung ist. Sowohl die Prostatazentren – wir haben ja in NRW 22 Prostatazentren – als auch unterschiedliche Fachgesellschaften werben immer wieder in diesem Bereich. Trotzdem können wir die Beteiligung der Menschen an der Vorsorgeuntersuchung nicht erhöhen.
Die Nebenwirkungen der Krebsbehandlung sind ja allen bekannt. Neben den Nebenwirkungen der Chemotherapie und der Bestrahlung gibt es auch unterschiedliche Nebenwirkungen bei den chirurgischen Eingriffen, die sehr, sehr kompliziert verlaufen können.
Die derzeitige wissenschaftliche Datenlage und die Erkenntnisse erlauben somit keine eindeutige Empfehlung für eine Teilnahme an einer Früherkennungsuntersuchung auf Prostatakrebs. Zugleich gibt es viele negative Effekte, zum Beispiel Überdiagnosen und -behandlungen.
Darüber hinaus gibt es im Moment sehr viele wissenschaftliche Untersuchungen, weil man die Behandlungsmöglichkeiten bei Prostatakrebs auch verbessern möchte. Im Antrag steht, dass man Forschung unterstützen soll. Allein in diesem Jahr gibt es mindestens 15 Forschungsprojekte, um sowohl die Früherkennung als auch die Behandlungsmöglichkeiten bei Prostatakrebs zu verbessern.
Als Beispiel nenne ich eine neue Methode. Man hat festgestellt, dass nicht nur Androgene, sondern auch weibliche Hormone, Östrogene, bei der Entstehung von Prostatakrebs eine Rolle spielen. Deswegen versucht man derzeit in der Bundesrepublik, Östrogenrezeptoren zu benutzen, damit man die Entstehung von Prostatakrebs verhindern kann.
So gesehen, gibt es bereits sehr viele Untersuchungen und Forschungen. Ohne diese Forschungen zu evaluieren und davon zu profitieren, weitere Forschungen zu verlangen, finde ich nicht in Ordnung.
Allerdings besteht natürlich die Möglichkeit einer Verbesserung der diagnostischen Verfahren, was den Prostatakrebs angeht. Daher werden wir der Überweisung des Antrags in den Fachausschuss zustimmen. Ich bin sehr gespannt auf die Ausschussberatungen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN)

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