Arif Ünal: „Es ist Zeit für eine solidarische Krankenversicherung für alle“

Antrag der FDP zum Erhalt des dualen Systems bei der Krankenversicherung

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Arif Ünal (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Es stimmt, in Deutschland haben wir tatsächlich ein umfassendes Gesundheitssystem, das den Anspruch hat, eine qualitativ gute und medizinisch notwendige Versorgung für alle sicherzustellen – unabhängig von Einkommen und Alter.
Was die Finanzierung angeht, leisten wir uns aber im Gesundheitswesen eine Zweiklassenmedizin. Ich werde das begründen. Auf der einen Seite gilt in der gesetzlichen Krankenversicherung das Solidarprinzip. Das heißt, wer viel verdient, zahlt mehr, wer krank ist, hat Anspruch auf medizinische Versorgung. Gesunde und Kranke, Jung und Alt, Gut- und Geringverdienende sind solidarisch füreinander da. Außerdem sind Kinder kostenlos mitversichert.
Auf der anderen Seite sind aber meist gut verdienende Angestellte, Beamte, unter anderem auch Abgeordnete sowie die meisten Selbstständigen Mitglieder einer privaten Krankenversicherung. Als Privatpatienten versichern sie nur ihr eigenes, meist unterdurchschnittliches Krankheitsrisiko. Zum Solidarausgleich tragen sie nichts bei.
In der gesetzlichen Krankenversicherung kommt die einseitige Belastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hinzu; denn die paritätische Finanzierung der Krankenversicherung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern ist seit Längerem aufgehoben. Seit 2005 wird der Arbeitgeberanteil in einer bestimmten Höhe eingefroren; alle Ausgabensteigerungen müssen seither durch steigende Zusatzbeiträge allein von den Versicherten aufgebracht werden. Diese einseitige finanzielle Belastung der werktätigen Bevölkerung muss beendet werden.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Deshalb wollen wir zurück zur paritätischen Finanzierung, bei der die Arbeitgeber wieder in derselben Höhe ihren Anteil an der Finanzierung übernehmen.
Mit einer solidarischen Krankenversicherung für alle wollen wir auch noch eine weitere Gerechtigkeitslücke schließen: Warum sollen die Einkommen aus Arbeit zur Finanzierung der Gesundheitskosten herangezogen werden, aber nicht die, die beispielsweise durch Aktien oder andere Einkünfte erzielt werden? Das kann man überhaupt nicht begreifen! Mit einer Bürgerversicherung wollen wir nicht nur die Erwerbsarbeit, sondern auch andere Einkommen einbeziehen.
Sehr geehrte Damen und Herren, es gibt auch, wie Herr Yüksel erwähnt hat, immer mehr Privatversicherte, die ebenfalls Verlierer dieser Zweiklassenmedizin sind. Nicht wenige der Selbstständigen in unteren Einkommensbereichen können die derzeitigen hohen Mindestbeiträge nicht mehr aufbringen; denn private Krankenversicherungen erheben Beiträge grundsätzlich nach dem individuellen Gesundheitsrisiko und nicht nach der finanziellen Leistungsfähigkeit. Sie umfassen keine Familienversicherung, und sie werden mit zunehmendem Alter, trotz Kapitalrücklagen, immer teurer. Das ist mit ein Grund, warum diese Selbstständigen gemeinsam mit einer großen Zahl von nicht zahlenden Versicherten in sogenannten Notlagentarifen landen.
Sehr geehrte Damen und Herren, schließlich haben wir es in der Bundesrepublik nicht geschafft, dass jeder versichert ist. Obwohl seit 2009 eine Krankenversicherungspflicht besteht, haben mindestens 80.000 Menschen in Deutschland keinen Krankenversicherungsschutz. Dazu muss man auch die prekären Solo-Selbstständigen zählen.
Auch wenn die CDU und die FDP vor diesen Zuständen die Augen verschließen und das bestehende Zweiklassensystem schönreden wollen: Die Veränderungen werden auch vor unserem eingefahrenen Zweiklassengesundheitssystem nicht haltmachen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Es ist Zeit für eine solidarische Krankenversicherung für alle. Eine umfassende Lösung der genannten Probleme wird uns nur mit einer Bürgerversicherung gelingen. Im Wartezimmer darf es keine Rolle mehr spielen, wo die Patientinnen und Patienten versichert sind. Termine sollten nach der medizinischen Notwendigkeit und nicht nach dem Geldbeutel vergeben werden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD) 

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