Arif Ünal: „Es ist die Aufgabe, Wohnen im Alter und die gesellschaftliche Teilhabe im eigenen Wohnquartier selbstbestimmt zu ermöglichen.“

Gesetzentwurf Weiterentwicklung und Sicherung der Qualität von Wohn- und Betreuungsangeboten (GEPA NRW)

Arif Ünal (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Besonders die Rede von Herrn Preuß verleitet uns zum Polemisieren, aber wegen der Harmonie möchte ich das nicht machen. Ich möchte einfach darstellen, wie dieses GEPA NRW zustande gekommen ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, wir stehen vor der großen Aufgabe, die demografischen und sozialen Herausforderungen unserer Zeit in den nächsten Jahren und Jahrzehnten gemeinsam zu meistern und die notwendigen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Die Zahl der älteren Menschen und die Zahl der pflegebedürftigen Menschen – das wissen wir schon längst – werden zunehmen. Unter den älteren Menschen wird die Zahl derjenigen, die keine Familienangehörigen haben oder die im Alter allein leben, weiter zunehmen.
Wie soll die Pflege organisiert werden? Wie können die Menschen im Alter in ihren Wohnungen und in ihren Quartieren bleiben, wenn sie pflegebedürftig sind? Die weit überwiegende Zahl der Menschen will bis ins hohe Alter in ihrer vertrauten Wohnumgebung bleiben, sogar wenn sie pflegebedürftig sind. Traditionelle Wohnheime sind für viele Menschen keine Alternative.
Aufgabe ist es daher, Wohnen im Alter und die gesellschaftliche Teilhabe im eigenen Wohnquartier selbstbestimmt zu ermöglichen und zudem die gesundheitliche und pflegerische Versorgung im Bedarfsfall im unmittelbaren Wohnumfeld zu gewährleisten.
Hierzu brauchen wir zukunftsorientierte Angebote, die das Zusammenleben aller Generationen und von Menschen unterschiedlicher Herkunft in den Stadtteilen und Wohnquartieren fördern. Pflege- und Unterstützungsformen sowie die Konzepte zur Quartierentwicklung insgesamt müssen auch die Bedarfe der Menschen mit Migrationshintergrund einbeziehen.
Eine Vielfalt von Angeboten ist gefragt: Wohnen mit Versorgungssicherheit, in eigener Wohnung, Mehrgenerationenwohnen, Pflege- und Wohngruppen oder Haus- und Wohngemeinschaften, die auch rund um die Uhr eine Pflege und Unterstützung anbieten.
Dabei ist die teilstationäre und stationäre Versorgung dringend notwendig. Wenn hier behauptet wird, dass mit dem GEPA die stationären Einrichtungen ausgeschlossen werden sollten, dann stimmt das nicht. Dies war nie das Ziel des GEPA; vielmehr ist ein Mix von unterschiedlichen Angeboten notwendig.
Die vergangenen Jahre haben aber gezeigt, dass viele Vorschriften des Wohn- und Teilhabegesetzes – wie es die schwarz-gelbe Landesregierung damals verabschiedet hatte – eben solche alternativen Wohnformen erschwert und sogar verhindert haben. Eine Novellierung und Neuausrichtung der bestehenden Pflegegesetze in NRW war dringend notwendig.
Darum hat das Ministerium diesen Gesetzentwurf vorgeschlagen. Dass zum GEPA heute ein breiter Konsens über die Fraktionen hinweg besteht, ist ein starkes Signal für die Pflege. Ja, heute ist ein guter Tag für pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen in NRW.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und der CDU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem GEPA – die Vorrednerinnen haben es bereits erwähnt, aber ich möchte auch noch kurz einige Punkte nennen – unterstützen wir die Entwicklung von Wohn- und Pflegeangeboten, um einen möglichst langen dauerhaften Verbleib im eigenen Quartier zu ermöglichen.
Wir reformieren auch den Mindeststandard bei den Pflegeeinrichtungen im Zusammenhang mit dem Wohn- und Teilhabegesetz. Wir befördern die Entwicklung bedarfsorientierter ambulanter und teilstationärer Unterstützungsangebote. Wir schaffen Entlastung und Unterstützung der pflegenden Angehörigen. Wir unterstützen bestehende Heime bei ihren bedarfsgerechten Modernisierungsmaßnahmen und ihre Öffnung in das Quartier. Wir stärken die Beratung und die Prävention in der Altenarbeit.
Mit dem GEPA wird ein Paradigmenwechsel von den traditionellen Großeinrichtungen im alten Stil hin zu umfassenden Wohn- und Versorgungsformen in den Wohnquartieren eingeleitet. Die klaren Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention hinsichtlich des Anspruchs auf Selbstbestimmung sind im GEPA und in den Durchführungsverordnungen besonders berücksichtigt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Blick in die vergangenen 30 Jahre zeigt, dass zunächst ausschließlich durch Eigeninitiative der betroffenen Menschen und danach durch trägergebundene Projekte ein vielfältiges Spektrum an Wohnformen und beim Pflegebedarf in NRW entwickelt wurde und entstanden ist.
Die traditionelle Altenhilfe hingegen hat in den vergangenen Jahrzehnten immer noch sehr stark auf die stationäre Form der Alten- und Pflegeheime als Angebot für pflegebedürftige Menschen gesetzt, wenn die Versorgung in der eigenen Wohnung nicht mehr sichergestellt werden konnte.
Heute versuchen sehr viele Träger, in ihren Heimen auch den Wohncharakter zu betonen und gemeinschaftliches Wohnen in überschaubaren Wohngruppen anzubieten. Dennoch gibt es noch viele Einrichtungsträger, die der Umsetzung der neuen baulichen Anforderungen, mit denen auch Barrierefreiheit geschaffen werden soll, noch nicht nachgekommen sind. Das ist auch eine Realität in NRW.
Damit dieser notwendige Wandel bestehender Einrichtungen gewährleistet ist, werden im neuen GEPA und in den Durchführungsverordnungen viele Verbesserungen im Rahmen der Finanzierung zur Modernisierung, bei der Schaffung der Einzelzimmer oder der Verkleinerung der Heime auf 80 Plätze vorgenommen. Die 4%ige Finanzierung stand auch schon im Originalgesetzestext und ist so gesehen nicht erst durch den Änderungsantrag eingeführt.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das ist eine natürlich wesentliche Verbesserung.
Wir müssen leider auch feststellen, dass große Trägerverbände und Investoren den steigenden Bedarf in der Pflege – der unbestritten ist – durch den weiteren Zubau mit großen Heimen decken wollen. In welche Richtung sich jedoch die Infrastruktur in der Pflege weiterentwickelt, darf nicht im Ermessen einzelner Investoren oder Heimträger liegen.
Dies muss vor Ort unter Einbeziehung der Betroffenen entwickelt werden. Deshalb ist es umso wichtiger, den Kommunen stärkere Steuerungsmöglichkeiten bei der kommunalen Pflegeplanung in die Hand zu geben. Mit einer in die Zukunft gerichteten Planung wäre es nicht vereinbar, wenn die Kommunen die Schaffung weiterer Großeinrichtungen hinnehmen und finanzieren müssten, obwohl der zusätzliche Bedarf längst durch umfassende ambulante Wohn- und Pflegeformen im Quartier gedeckt werden könnte.
In den Beratungen und im Hearing wurde anhand sehr vieler Beispiele gezeigt, dass wir durch diese Quartierentwicklung dem Pflegebedarf in ambulanter Form gerecht werden können.
Ich komme zum Schluss. Wir haben mit diesem Gesetz tatsächlich einen Paradigmenwechsel geschafft. Für diesen Paradigmenwechsel in NRW, der bundesweit einzigartig ist, möchte ich ausdrücklich meinen Dank an unsere Ministerin Barbara Steffens, unsere Staatssekretärin Frau Hoffmann-Badache und den Abteilungsleiter Herrn Lessmann aussprechen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Bedanken möchte ich mich natürlich auch bei den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Fraktionen, die seit anderthalb Jahren sehr intensiv an diesem Thema gearbeitet haben, sowie bei den Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales und unserem Vorsitzenden Herrn Garbrecht.
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ein letzter Satz: Dieses Gesetz wird am 1. Januar 2015 umgesetzt. Ich rufe auch die Einrichtungen dazu auf, im Interesse der pflegebedürftigen Personen bei der Umsetzung konstruktiv mitzuarbeiten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD und der FDP)

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