Antje Grothus: „Gewalt ist das Kerngeschäft dieser faschistischen Strategie“

Zum Antrag der "AfD"-Fraktion zur Rechtschreibung

Portrait Antje Grothus

Antje Grothus (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen! Freiheit, Selbstbestimmung, Selbstentfaltung und ein akzeptierendes Miteinander sind Grundpfeiler unserer Demokratie.

Deshalb überrascht es mich nicht wirklich, dass die antidemokratische AfD hier einen Antrag präsentiert, der mal wieder die nächste Runde des immer gleichen Kulturkampfes einläuten soll. Denn, meine sehr verehrten Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen, in Wahrheit geht es hier nicht um Lesbarkeit, Grammatik oder Satzbau. Es geht allein darum, dass die AfD und ihr vorgelagerter Medienraum immer neue Schlagzeilen brauchen. Ihr geht es darum, Probleme aus der Luft zu erfinden und aufzubauschen. Sie wollen Öl ins selbstentfachte Feuer der gesellschaftlichen Spaltung gießen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Mit dieser Politik stacheln Sie Menschen gegeneinander auf und schaffen den Nährboden für Frauen- und LSBTIQ*-Feindlichkeit, die viel zu oft nicht bei der Sprache bleibt, sondern in körperlicher Gewalt mündet. Gewalt ist das Kerngeschäft dieser faschistischen Strategie.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Unsere friedliche und freie Gesellschaft lebt von Vielfalt, Toleranz und einem bunten Miteinander. All dies verachtet die AfD und will uns mit ihrem Antrag Vereinheitlichung, Konformität und ein generisches Maskulinum aufzwängen. Sie wollen auf diese Weise sprachlich und gedanklich ein Abweichen von der männlichen Norm unterdrücken und behaupten fälschlicherweise, so eine entgenderte, neutrale Sprache zu erschaffen.

Wenn ich mir die AfD-Fraktion hier so anschaue: Es muss bestimmt ziemlich anstrengend sein, den ganzen Tag vom starken Geschlecht zu fabulieren und sich dann von einem Bindestrich oder Gendersternchen bedroht zu fühlen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Es macht einen Unterschied, welche Sprache wir verwenden. Es gibt genügend wissenschaftliche Studien dazu, welche Vorstellungen das generische Maskulinum fördert. Cis- und trans* Frauen, inter* Menschen und Nonbinäre werden eben nicht mitgedacht. Dies hat sehr weitreichende Auswirkungen, beispielsweise, dass Mädchen sich Berufe nicht zutrauen, die mehrheitlich in der männlichen Form genannt werden, oder dass Frauen, inter* und trans* Personen sich von Stellenausschreibungen nicht angesprochen fühlten, als diese noch nicht den Hinweis „männlich“, „weiblich“, „divers“, also auf alle Geschlechter, enthielten. Geschlechtergerechte Sprache hingegen macht alle sichtbar. Sie bildet die Realität viel genauer ab und schafft mehr Chancengleichheit.

Sprachlicher Wandel ist normal und notwendig und spiegelt gesellschaftliche Entwicklungen wider. Vor 100 Jahren hätte sicherlich niemand von „Handy“ oder „googeln“ gesprochen. Warum also sollten wir uns gegen eine Sprachentwicklung stemmen, die unsere gesellschaftliche Vielfalt und Fortschritt abbildet?

Liebe Kolleginnen der demokratischen Fraktionen, wir machen bei dem billigen Kulturkampf der AfD nicht mit. Als Grüne stehen wir für eine offene, vielfältige Gesellschaft und für gegenseitige Rücksichtnahme. Wir sind eine Partei der Freiheit.

(Christian Loose [AfD]: Das haben wir im Hambacher Forst gesehen! Steine auf Polizisten werfen!)

Die AfD hingegen ist eine Partei der Unterdrückung und der Verbote.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Wir halten die universellen Menschenrechte hoch, nach denen jeder einzelne Mensch das Recht hat, sich frei zu entfalten und ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

Wir werden der Überweisung an den Hauptausschuss zustimmen, inhaltlich jedoch lehnen wir Ihren Antrag ab. – Vielen Dank.