Antje Grothus: „Aus der Kohleregion wird eine klimaneutrale Region“

Zum Antrag der SPD-Fraktion zur Situation im Rheinischen Revier

Portrait Antje Grothus

Antje Grothus (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Liebe Mitbürger und Mitbürgerinnen! Das Rheinische Revier befindet sich mitten in einer tiefgreifenden Transformation: Aus der Kohleregion wird eine klimaneutrale Region.

Als ich vor knapp 20 Jahren damit begann, mich als Anwohnerin mit den verheerenden Auswirkungen des Braunkohleabbaus zu beschäftigen, war „Kohleausstieg“ noch ein Unwort. Sogar ein ganz neuer Tagebau war in Planung, ebenso der Bau von neuen Kohlekraftwerken. Unsere Region war voll und ganz der Kohle verschrieben. Der bergbautreibende Konzern wollte auf Biegen und Brechen an seinem veralteten Geschäftsmodell festhalten und ließ so seine Mitarbeiterinnen in der Kohlesparte im Unklaren über ihre Zukunft.

(Beifall von den GRÜNEN)

Doch die letzten Jahre waren geprägt von einer großen Dynamik. Inzwischen ist der Kohleausstieg bis zum Jahr 2030 als Planungsgrundlage für das Rheinische Revier gesetzt. Wir Grüne und ich ganz persönlich als ehemaliges Mitglied der Kohlekommission hätten gerne auch schon früher das klimapolitisch notwendige und absehbare Jahr 2030 und damit längerfristige Planungssicherheit für unsere Region vereinbart.

Doch die vorherigen Bundes‑ und Landesregierungen waren nicht zu diesem Schritt bereit. Nun, da Grüne an beiden Regierungen beteiligt sind, wird der Kohleausstieg 2030 Realität, und unsere Region kann endlich den Blick nach vorne richten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Heute spricht sich die SPD hier für den vorgezogenen Kohleausstieg im Jahr 2030 aus. Ich freue mich ja darüber, dass Sie nun offenbar unserer Position folgen, denn bislang war 2030 wohl Ihr bestgehütetes Geheimnis; in Ihrem Wahlprogramm zumindest war davon gar keine Rede.

(Beifall von den GRÜNEN)

Anstatt hier und heute eigene Ideen zu präsentieren, schlagen Sie uns Maßnahmen für den Strukturwandel vor, die wir schon längst angehen.

(Jochen Ott [SPD]: Leider nicht!)

Natürlich erhöhen sich die Anforderungen an eine erfolgreiche Gestaltung des Strukturwandels. Wir stehen nun vor der Aufgabe, den Strukturwandel zeitlich zu beschleunigen, ihn gleichzeitig aber auch qualitativ auf eine neue Ebene zu heben. Genau das haben wir im Koalitionsvertrag mit der CDU vereinbart. Ich zitiere:

„Um den Strukturwandelprozess bis 2030 umzusetzen, wollen wir die Auswahl- und Vergabeprozesse für Projekte beschleunigen und transparenter gestalten.“

Auch die Bundesregierung hat sich schon längst dazu bekannt, die zur Verfügung stehenden Strukturwandelmittel flexibler und unbürokratischer zur Verfügung zu stellen.

Spätestens seit der Hochwasserkatastrophe an Erft und Ahr und dem historischen Niedrigwasser im Rhein wissen wir, dass wir unsere Region krisenfest aufstellen und schonend mit der begrenzten Ressource Wasser umgehen müssen.

Spätestens seit der Pandemie wissen wir, dass wir lokale Wirtschaftskreisläufe brauchen, gerade auf den ertragreichen Böden der Rheinischen Bucht.

Spätestens seit dem Erhalt des Hambacher Waldes

(Christian Loose [AfD] und Sven Werner Tritschler [AfD]: Forst!)

wissen wir, wie sehr uns Wälder- und Biotopverbünde im Kampf gegen die Klima- und Biodiversitätskrise unterstützen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir wissen auch, wie wichtig bei diesem Prozess gerade soziale Gerechtigkeit ist, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken.

Wir nehmen all diese Herausforderungen gleichzeitig in den Blick und gestalten so den Strukturwandel vorausschauend, verantwortungsvoll und nachhaltig.

Liebe Sozialdemokrat*innen, Sie fordern eine Ausrichtung des Strukturwandels auf „Arbeit, Arbeit, Arbeit“. Dabei gibt es doch schon seit Beginn des Prozesses eine ganz klare Priorisierung für die Schaffung neuer und sicherer Arbeitsplätze. Qualifizierung und Weiterbildung sind doch bereits klare Kernthemen in den Programmen des Rheinischen Reviers.

(Lena Teschlade [SPD]: Aber Sie machen nichts!)

Alle bisher bewilligten Projekte leisten nach dem zugrunde gelegten Scoping einen guten oder sogar sehr guten und hohen Arbeitsplatzbeitrag. Das wissen Sie ganz genau.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Es ist vielmehr sogar so, dass zukunftsweisende Projekte zur Klimawandelfolgenanpassung, zum gesellschaftlichen Zusammenhalt oder zum revierweiten Artenschutz gar keine Chance auf Förderung bekommen, weil sie nicht primär auf direkte Arbeitsplatzeffekte abzielen, weil sie geringere Arbeitsplatzeffekte erzeugen als das soundsovielte Gewerbegebiet auf der grünen Wiese.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist absurd. Das schadet auch langfristig; denn: There are no jobs on a dead planet!

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir brauchen daher eine Bestandsaufnahme bisheriger Projekte und müssen die Leerstellen des bisherigen Strukturwandelprozesses identifizieren. Wir brauchen außerdem einen Kassensturz. Hier haben wir uns schon längst auf den Weg gemacht, um entsprechend den klaren Kriterien „Nachhaltigkeit“, „Klimaschutz“ und „Arbeitsplätze“ die Budgetplanung im Sinne einer transformativen Strukturpolitik nachzujustieren.

Leider vermisse ich im Antrag der SPD-Kolleg*innen auch dahin gehend jegliche Vorschläge. Sie verbleiben auf der Ebene des Allgemeinen. Zudem liegt Ihrem Antrag leider ein sehr verkürztes Verständnis des Strukturwandels zugrunde. Deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen.

Nichtsdestotrotz freue ich mich darauf, mit Ihnen hier im Hause und auch gerne vor Ort im Revier Vergabeprozesse transparenter zu gestalten, Beteiligungsverfahren auszubauen und den Strukturwandel auf ein wirklich nachhaltiges Fundament zu stellen. So schaffen wir gemeinsam ein gutes Heute, Morgen und Übermorgen nach 2030 in unser aller Revier. So schaffen wir gute Arbeit und gutes Leben.

(Lebhafter Beifall von den GRÜNEN – Beifall von der CDU)

Vizepräsidentin Berivan Aymaz: Vielen Dank, Frau Kollegin Grothus, und herzlichen Glückwunsch zu Ihrer ersten Rede.

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