Andrea Asch: „Wir können Armut nicht eindimensional begegnen, sondern wir müssen in einem komplexen Maßnahmenkatalog die Armutsursachen bekämpfen.“

HH 2012 Soziales

Andrea Asch (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Landessozialpolitik umfasst zwei große Bereiche. Der eine ist die Armutsbekämpfung, der andere Bereich ist die Inklusion von Menschen mit Behinderungen.
Mit Blick auf die Armutsbekämpfung müssen wir feststellen: Die soziale Schere in unserem gesamten Land geht immer weiter auseinander. Es gibt immer mehr verfestigte Armut, und es gibt einen immer größeren Unterschied zwischen den Menschen in unserem Land, die viel und sehr viel Einkommen und Vermögen haben, und Menschen, die arm sind oder unterhalb der Armutsgrenze liegen.
Deshalb ist es wichtig – wir begrüßen das als grüne Fraktion –, dass Minister Schneider angekündigt hat, ein Handlungskonzept zur Armutsbekämpfung und gegen soziale Ausgrenzung vorzulegen. In der Tat können wir Armut nicht eindimensional begegnen, sondern wir müssen in einem komplexen Maßnahmenkatalog die Armutsursachen bekämpfen. Wir wissen dabei natürlich auch, dass wir in der Landespolitik vor allem in dieser Frage maßgeblich von den bundespolitischen Rahmenbedingungen abhängen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das bedeutet, meine Damen und Herren, dass die auf Bundesebene erfolgte Ausweitung der Verdienstgrenze bei Minijobs – Kollege Scheffler hat es eben schon erwähnt –, die Ausweitung der Leiharbeit und niedrige Regelsätze Armut verfestigen. All das macht es uns hier auf Landesebene schwer, Maßnahmen gegen die Armut zu ergreifen.
Wir brauchen deswegen von der Bundesebene bundesweit gültige strukturelle Maßnahmen zur Armutsbekämpfung. Das betrifft die Regelsätze, und das betrifft vor allem eine grundsätzliche Lösung auf dem Problemfeld der bedrückenden Kinderarmut. Auch das hat Kollege Scheffler eben schon angesprochen.
Wir, SPD und Grüne, wollen – das haben wir im Koalitionsvertrag festgeschrieben – grundsätzlich das Problem „Kinderarmut“ über eine Kindergrundsicherung lösen. Das ist der richtige Weg.
(Beifall von Manuela Grochowiak-Schmieding [GRÜNE])
Meine Damen und Herren, wir haben hier in Nordrhein-Westfalen den Härtefallfonds aufgelegt. Mit diesem Härtefallfonds, ausgestattet mit 3,5 Millionen €, wollen wir vor allen Dingen die Lücken füllen, die das sogenannte Bildungs- und Teilhabepaket der Bundesregierung offenlässt. Und diese Lücken sind sehr groß.
Wir müssen feststellen, dass dieses Bildungs- und Teilhabepaket nicht nur ein Bürokratiemonster ist, das die Kommunen in der Durchsetzung und in der Ausführung außerordentlich belastet, sondern dass von dieser nicht gerade üppigen Summe von 96 Millionen € für die gesamte Bundesrepublik bis jetzt lediglich 51 % bei den Kindern angekommen sind. Meine Damen und Herren, das ist beschämend, und es zeigt, dass das Grundkonzept dieses Bildungs- und Teilhabepaketes grundsätzlich falsch angelegt ist.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wenn wir uns anschauen, dass das Geld zu einem sehr großen Teil – zu 37 % – in das warme Mittagessen fließt, und feststellen, dass bei der dringend erforderlichen Lernförderung für die benachteiligten Kinder gerade mal 6,1 % landen und für die soziale und kulturelle Teilhabe nur 6,4 % in Anspruch genommen werden, dann sehen wir, dass dieses gesamte Paket falsche Politik ist. Wir können auf Landesebene jetzt nur ein Stück kompensieren.
Letztendlich muss es Ziel sein, auf Bundesebene dieses Paket zu überführen in grundsätzliche Lösungen, nämlich Infrastrukturverbesserungen für die Kinder, die in Armut leben, zu erreichen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, zum zweiten großen Komplex, zur Inklusion: Unser Ziel ist – es ist das gemeinsame Ziel; ich freue mich sehr, dass wir in diesem Bereich fraktionsübergreifend zusammenarbeiten – die Verwirklichung des Menschenrechtes Inklusion. Und das wollen wir gemeinsam mit den Menschen mit Behinderungen erreichen. Wir wollen sie mit einer breiten Beteiligung mit in das Instrument „Aktionsplan Inklusion“ der Landesregierung, das zentrale Instrument, hineinnehmen.
In einem auf zehn Jahre angelegten Prozess wollen wir in allen gesellschaftlichen Bereichen den Zugang für Menschen mit Behinderung ermöglichen, Barrierefreiheit schaffen. Und Barrierefreiheit, meine Damen und Herren – das wissen wir –, bedeutet vor allen Dingen, die Barriere in den Köpfen zu beseitigen. Es bedeutet, die baulichen Barrieren zu beseitigen. Es bedeutet, die Barrieren vor allen Dingen auch in der Kommunikation zu beseitigen, um Menschen tatsächlich vollständige Teilhabe zukommen zu lassen.
Wir sind auf einem guten Weg. 6,8 Millionen € sind drin. Ich kann nur hoffen, dass Sie von den Oppositionsfraktionen, wenn wir diesen Weg gemeinsam gehen wollen, diesem Teil des Haushalts zustimmen, damit wir wirklich das gemeinsame Ziel Inklusion realisieren können. – Ich danke Ihnen.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)