Andrea Asch (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal freue ich mich, dass sich in diesem vorliegenden Antrag ein gewisser Konsens – vorweihnachtlich friedlich – zwischen der CDU, der antragstellenden Fraktion, und der rot-grünen Landespolitik abzeichnet. Sie schreiben nämlich in Ihrem Antrag:
„Es gilt der Grundsatz: Wo frühe Hilfen versagen bzw. nicht stattfinden, können später erhebliche Folgen für die Kinder zu beklagen sein.“
Meine Damen und Herren, genau das ist der Kern der präventiven Sozialpolitik der rot-grünen Landesregierung, den wir als Koalition unterstützen. Kein Kind zurücklassen und besser früh fördern, als spät teuer zu intervenieren – das sind genau die Kernsätze unserer Politik.
Auch der Bund hat dies begriffen. Er hat mit dem Bundeskinderschutzgesetz diesen präventiven Ansatz finanziell unterstützt. Bis es so weit war – die Kollegin Ingrid Hack hat das noch einmal dargestellt – brauchte es einer sehr langen Beratungszeit, und es brauchte vor allen Dingen mehrerer Interventionen durch die rot-grüne Bundesratsmehrheit, bis aus diesem Bundeskinderschutzgesetz dann tatsächlich ein gutes Gesetz geworden ist. Erst durch die Ablehnung im Bundesrat konnte nämlich im Vermittlungsausschuss die finanzielle Unterstützung des Bundes für die Präventionspolitik der Länder erreicht werden.
Fast noch wichtiger ist, dass die Befristung der Finanzierung zum Beispiel von Familienhebammen im Bundesratsverfahren aufgehoben wurde. Familienhebammen sind in der Tat ein wichtiger Baustein innerhalb der Netzwerke der frühen Hilfen. Allerdings ist es nicht richtig, Familienhebammen alleine auf eine Lotsenfunktion zu beschränken, wie Sie das in Ihrem Antrag formuliert haben.
(Beifall von den GRÜNEN)
Familienhebammen machen nämlich viel mehr. Es ist ein eigenständiger Ansatz in der Unterstützung der Familien an der Schnittstelle zwischen Gesundheitsfürsorge und Jugendhilfe. Man sollte sie nicht, wie es die CDU-Fraktion getan hat, auf eine Lotsenfunktion reduzieren.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wir sind froh, dass die Bundesmittel länger laufen als ursprünglich vorgesehen.Denn es kann doch nicht sein, dass bei den Familienhebammen etwas Ähnliches wie jetzt bei den Schulsozialarbeiterinnen passiert. Sie werden ins System eingeführt, sie werden angelernt, und hinterher macht sich der Bund vom Acker, wenn es um die dauerhafte Finanzierung geht. Das kann nicht sein. Wir haben das zum Glück bei den Familienhebammen gelöst. Ich hoffe, dass das bei der Schulsozialarbeit in ähnlicher Form möglich ist.
Es ist genauso der Bund-Länder-Vereinbarung zu verdanken, dass die bürokratischen Hemmnisse, die ursprünglich von Frau Schröder vorgesehen waren, reduziert und abgemildert werden konnten. Ursprünglich sollte eine Mittelverteilung durch eine eigene Bundesbehörde erfolgen. So hatte Frau Schröder das ursprünglich geplant. Aber auch wie später bei den Fiskalpaktmitteln konnte sie sich nicht durchsetzen und hat sich zum Glück den Bundesländern beugen müssen.
Beim Verteilschlüssel – darauf bezieht sich Ihr Antrag maßgeblich – haben sich die Bundesländer – Frau Milz, das wissen Sie – untereinander auf folgenden Kompromiss geeinigt: Es gibt einen Verteilschlüssel pro Kind vom Bund zu den Ländern. Dann kann jedes Land gemäß seiner fachlichen Einschätzung und den Notwendigkeiten vor Ort diese Mittel weiterverteilen.
Diese Regelung, die wir sinnvollerweise in Nordrhein-Westfalen gefunden haben, ist im Einvernehmen mit der Bundesfamilienministerin Schröder getroffen worden. Sie wurde bislang von niemandem kritisiert. Selbst die kommunalen Spitzenverbände – selbst der Landkreistag, der in diesen Fragen besonders kritisch ist; Sie haben moniert, dass die Landkreise benachteiligt werden – haben das nicht kritisiert. Vielmehr müssen wir feststellen: An diesem Punkt ist die CDU-Fraktion mit ihrer Forderung allein zu Haus. So weit zu den Rahmengesetzgebungen und den Voraussetzungen.
Jetzt kommen wir zum eigentlichen inhaltlichen Kern. Es gibt – das können Sie in den sehr zahlreichen und unterschiedlichsten Untersuchungen nachlesen – einen deutlich belegten Zusammenhang zwischen den sozial prekären Lagen von Familien und den HzE-Leistungen, die hinterher von den Kommunen zu bezahlen sind.
Die jüngste Datenanalyse der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik zeigt überdeutlich: In 61 % der HzE-Fälle beziehen Familien im Transfer, also SGB-II-Familien, diese HzE-Leistungen. Das heißt, es gibt einen ganz engen Zusammenhang zwischen einem Hilfebedarf, SGB-II-Bezug und prekären Lagen der Familien.
Das zu ignorieren wie Sie jetzt, ist unfachlich. Wir von Rot-Grün wollen mit unserer Unterstützung für Familien dort ansetzen, wo die Hilfen am meisten gebraucht werden, nämlich bei den Familien im SGB-II-Bezug. Da wollen wir unsere Hilfen konzentrieren.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Ihre Redezeit ist abgelaufen, Frau Abgeordnete.
Andrea Asch (GRÜNE): Meine Damen und Herren, ich freue mich darauf, das fachlich im Ausschuss diskutieren zu können. Wir haben es vorweihnachtlich-friedlich heute so geregelt, dass es nicht direkt abgestimmt wird, sondern dass wir Möglichkeiten zur Diskussion haben. Dann können wir das inhaltlich noch einmal erörtern.
Ich wünsche Ihnen allen eine schöne Weihnachtszeit, Zeit, sich zu erholen und etwas Abstand zur Politik zu bekommen sowie einen guten Übergang ins neue Jahr. – Danke.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)