Andrea Asch: „Eine Neuausrichtung der sprachlichen Bildung ist dringend notwendig.“

Antrag von SPD und GRÜNEN zur Sprachförderung im Elementarbereich

Andrea Asch (GRÜNE) TC „Andrea Asch (GRÜNE)“ f C l „5“ : Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wissen, der Erwerb und die altersgerechte Beherrschung einer oder mehrerer Sprachen sind eine zentrale Voraussetzung für die gesellschaftliche Teilhabe und für den Bildungserfolg von Kindern. Von daher war es richtig, dass es als Folge der unbefriedigenden Situation nach PISA und der Ergebnisse der ersten PISA-Studie bundesweit große Anstrengungen gegeben hat, um einen guten Erwerb der deutschen Sprache durch Fördermaßnahmen zu unterstützen.
Nordrhein-Westfalen hat zur Zeit der schwarz-gelben Landesregierung seinen Schwerpunkt allerdings weniger auf die Sprachbildung und ‑förderung als auf die Entwicklung eines neuen Sprachstandserhebungsverfahrens gelegt. In der Landtagsanhörung zur Einführung des Testverfahrens Delfin 4 hat es dann auch erhebliche, niederschmetternde Kritik an diesem Sprachtest gegeben. Die wurde von den damaligen Regierungsfraktionen allerdings völlig ignoriert. Ignoriert wurde genauso die von den Sachverständigen erhobene Forderung nach einer vom Land unterstützen Qualitätsentwicklung der elementaren Sprachförderung und nach Weiterbildung für pädagogische Fachkräfte.
Zu dieser grundsätzlichen Kritik an Delfin 4 kommen nun vielfach geäußerte Zweifel am Erfolg der bisherigen Fördermaßnahmen. Es gibt ein Gutachten der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Die kommt zu dem Ergebnis, dass sich überhaupt keine Effekte aus den Fördermaßnahmen im Sprachbereich ergeben. Zudem häufen sich kritische Äußerungen aus der Wissenschaft sowohl zur Aussagekraft der bisherigen Sprachstandserhebungsverfahren als auch zum Nutzen der zusätzlichen Sprachförderung in der Kita.
Es gibt ein Interview im „Kölner Stadt-Anzeiger“ vom Mai dieses Jahres mit Frau Prof. Gogolin, einer der führenden Sprachwissenschaftlerinnen. Auf die Frage, ob Sprachtest eigentlich überflüssig seien, sagt sie:
„Zumindest im gegenwärtigen Qualitätszustand könnte man sich diese Verfahren meist sparen. Man könnte genauso gut in die Wohnviertel hineingehen, in denen viele Kinder mit schwierigen familiären Bedingungen leben, und dort einfach alle fördern – dann käme ungefähr das Gleiche dabei heraus.“
Zuletzt hat die Mercator-Stiftung vor zwei Wochen dem Delfin-4-Test ein ganz schlechtes Zeugnis ausgestellt und gesagt, er genüge den qualitativen Anforderungen an ein Sprachstandserhebungsverfahren nicht.
Zusammenfassend kann also festgestellt werden: Eine Neuausrichtung der sprachlichen Bildung ist dringend notwendig, und zwar im Sinne einer qualitativen Weiterentwicklung.
Wir greifen diese Erkenntnisse der Wissenschaft in unserem Antrag auf und wollen das verbindliche Sprachstandserhebungsverfahren Delfin 4 für die Kita-Kinder ablösen.
Wir wissen: Es erzeugt keine validen, keine reliablen Ergebnisse. Der Spracherwerb von Kindern ist nämlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, ein kontinuierlicher Prozess. Es gibt kein punktuelles Verfahren, das zu tatsächlich gültigen Ergebnissen führt, zumal, wenn es von Personen durchgeführt wird, die den Kindern nicht vertraut sind.
Diese Erkenntnis hat im Übrigen dazu geführt, dass das von der CDU geführte Familienministerium in Sachsen-Anhalt genau diesen Delfin-4-Test bereits Anfang des Jahres abgeschafft hat. Das wollen wir hier in Nordrhein-Westfalen auch nachvollziehen. Wir wollen, dass es stattdessen tatsächlich zu einer alltagsintegrierten Sprachstandserhebung und einer darauf aufbauenden Sprachförderung kommt.
Wir finden uns da in guter Übereinkunft mit der Noch-Staatsministerin, Frau Professorin Böhmer, bekanntlich auch der CDU-Fraktion angehörig. Sie hat am 25.04. am Rande einer Expertentagung in Berlin erklärt:
Wir brauchen dringend eine alltagsintegrierte Sprachförderung im Kindergarten, von der die Kinder so früh wie möglich profitieren.
Recht hat Frau Professorin Böhmer. Genau das hier wollen wir in Nordrhein-Westfalen auch umsetzen.
Den Entschließungsantrag der FDP-Fraktion zu diesem Thema finde ich ganz interessant, weil er sich differenziert mit der Thematik auseinandersetzt. Es wird deutlich, dass sich die FDP von den Altlasten der schwarz-gelben Regierungszeit absetzt.
Allerdings haben wir unterschiedliche Denkansätze. Nach meinem Eindruck gehen Sie zu sehr von den gesonderten Fördereinheiten aus. Wir glauben, dass wir das tatsächlich in den Kita-Alltag integrieren müssen.
Wir gehen von einer grundständigen Förderung in den Einrichtungen und davon aus, dass das im Übergang zur Schule integriert werden muss.
Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit!
Andrea Asch (GRÜNE): Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen! Nicht zielführend sind die Äußerungen der CDU, die erst einmal bis zu den Ergebnissen der gemeinsamen Initiative zur Weiterentwicklung der Sprachförderung, der Sprachdiagnostik abwarten will.
Präsidentin Carina Gödecke: Achten Sie auf die Redezeit!
Andrea Asch (GRÜNE): Das wäre frühestens 2018 und damit völlig zu spät, weil man damit viele Kinder und viele Jahrgänge der Kinder nicht erreicht.
Präsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin Asch!
Andrea Asch (GRÜNE): Wir sind mit unserem Konzept der Sprachstandserhebung und -förderung in NRW auf Grundlage der wissenschaftlichen Erkenntnisse auf dem richtigen Weg. Wir tun dies im Sinne des Bildungserfolgs von benachteiligten Kindern. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

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