Ali Bas: „Wir wollen die Lehrerausbildung den gesellschaftlichen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Erfordernissen anpassen und zukunftsfähig machen.“

Antrag von SPD und GRÜNEN zur Lehrerausbildung

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Ali Bas (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Berufsbild der Lehrerinnen und Lehrer hat sich in den letzten Jahrzehnten – das haben wir gerade gehört – grundlegend gewandelt. War die Arbeit der Lehrkraft in den 50er- und 60er-Jahren noch durch klassischen Frontalunterricht und scheinbar einfache Kriterien der Leistungsbewertung gekennzeichnet, welches durch eine starke Selektion des dreigliedrigen Schulsystems unterstützt wurde, so hat die Lehrkraft von heute einen nicht unwesentlichen Anteil an der Erziehung von Kindern und Jugendlichen.
Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen von Schule haben sich geändert. Heute wollen wir, dass Kinder möglichst lange gemeinsam lernen, dass sie möglichst alle Chancen bekommen, den bestmöglichen Abschluss zu erlangen, und dass sie auf dem Weg dahin optimal und möglichst individuell gefördert werden. Darüber hinaus sollen junge Menschen zu sozialen und demokratisch mündigen Bürgern heranwachsen, bei denen die unterrichtenden Lehrerinnen und Lehrer eine wichtige Funktion innehaben.
Von Lehrerinnen und Lehrern wird deshalb neben dem Fachwissen eine didaktische Methodenvielfalt verlangt, die Fähigkeit, individuelle Förderung zu gewährleisten und möglichst flexibel auf Heterogenität im Klassenzimmer und im Ganztag zu reagieren. So muss eine Mathematiklehrkraft nicht nur über die binomischen Formeln bestens Bescheid wissen, sondern sich auch Gedanken darüber machen, wie sie dieses mathematische Prinzip den Kindern auch sprachlich vermitteln kann. Auch der Mathe-Unterricht ist Sprachunterricht. Ich verweise hier auf die einschlägigen Studien hierzu, die wir im Landtag bereits mehrfach debattiert haben.
Mit dem Weg der Inklusion in unseren Schulen verändern sich die Aufgaben und Fähigkeiten der Lehrkräfte nochmals. Auf diese und eine Reihe weiterer Veränderungen muss der Gesetzgeber natürlich reagieren. Dabei kommt der Lehrerausbildung eine zentrale Rolle zu. So war es richtig, 2009 das Lehrerausbildungsgesetz im Zuge des Bologna-Prozesses an den Hochschulen auf die neuen Bachelor- und Masterabschlüsse umzustellen und verbunden damit auch die weitere Verknüpfung zwischen dem ersten Ausbildungsabschnitt und dem zweiten, dem sogenannten Referendariat, durch die Einrichtung der universitären Lehrerausbildungszentren und der Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung mit dem Praxissemester und gestrafften Vorbereitungsdienst vorzunehmen. Die Erfahrungen aus dieser Umstellung sind für uns der Anlass, an dieser Stelle weiterzugehen und die Lehrerausbildung den gesellschaftlichen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Erfordernissen weiter anzupassen und zukunftsfähig zu machen.
Wie eingangs mit dem Mathematikbeispiel erwähnt, müssen Lehrerinnen und Lehrer neben der qualifizierten Fachausbildung auch pädagogisch fit genug sein für die Herausforderungen der Heterogenität und individuellen Förderung. Hierbei kann ein stärkerer lehramtsübergreifender pädagogischer Ausbildungsschwerpunkt ein Weg sein, den es zu prüfen gilt. Auch das wichtige Feld der Alphabetisierung gehört stärker in die Ausbildung hinein.
Die Zusammenarbeit zwischen erster und zweiter Lehrerausbildungsphase muss weiter ausgebaut werden, gerade im Hinblick auf abgestimmte Ausbildungsinhalte und kontinuierliche Begleitung der angehenden Lehrerinnen und Lehrer.
Ebenfalls überprüft gehört der Nachweis der altsprachlichen Sprachkenntnisse für fremdsprachliche Fächer sowie für die Fächer Geschichte und Philosophie, die den tatsächlichen fachlichen Notwendigkeiten angepasst gehören.
Für uns essenziell ist auch der attraktive Zugang zu den Lehrämtern des Berufskollegs gerade vor dem Hintergrund des drohenden Mangels an Lehrkräften im gewerblich-technischen Bereich. Hier müssen Absolventen der Fachhochschulen einen unproblematischen Einstieg in das Berufskolleg bekommen, wobei auch die Kooperation zwischen Fachhochschule und Universität verstärkt gehört.
Für Hochschulen sollte, wie mehrfach von diesen gefordert, vom Ministerium geprüft werden, ob bei der Akkreditierung von neuen Studiengängen künftig die Systemakkreditierung ermöglicht werden kann. Hierbei sollte es auch um die Frage gehen, wie dabei die Interessen des Landes mit denen der Hochschulen in Einklang gebracht werden können.
Zur Sicherung der qualitativen und quantitativen Ziele der Lehrerausbildung sollte das Land mit den Hochschulen Ziel- und Leistungsvereinbarungen treffen.
Für das große Feld der Inklusion gehören förderpädagogische Kompetenzen gesichert und die Erprobung innovativer Formen der förderpädagogischen Qualifizierung gewährleistet. Nicht vergessen werden darf dabei die Prüfung der künftigen Entwicklung des förderpädagogischen Lehramtes.
Meine Damen und Herren, wie Sie sehen, ist die Ausbildung unserer Lehrerinnen und Lehrer in NRW ein hochkomplexer Prozess, den wir laufend weiterentwickeln müssen. Um den Herausforderungen der inklusiven Gesellschaft gerecht zu werden, müssen wir unseren Lehrkräften in NRW die beste Ausbildung bieten.
Unser Antrag knüpft an die erfolgreiche Weiterentwicklung der Lehrerausbildung der letzten Jahre an und berücksichtigt die aktuell nötigen pädagogischen Erfordernisse zur Verwirklichung der vielen Herausforderungen im Bildungssystem. Darum kann ich Ihnen an dieser Stelle nur empfehlen, diesem Antrag zuzustimmen.
Zum Entschließungsantrag der CDU zum Thema „Beibehaltung der Lateinpflicht für die genannten Fächer und für die Fächer Geschichte und Philosophie“ nur so viel: Diesen Antrag werden wir natürlich ablehnen. Über mögliche Reformen in diesem Bereich werden wir aber selbstverständlich diskutieren. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)