Dr. Robin Korte: „Weder kommunalfreundlich noch realistisch“

Zum Antrag der FDP-Fraktion zur Bezahlkarte für Asylsuchende

Portrait Robin Korte

Dr. Robin Korte (GRÜNE): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es ist jetzt also das vierte Mal, dass wir uns hier im Landtag mit einem Antrag der FDP-Fraktion zum immer gleichen Thema „Bezahlkarte“ beschäftigen dürfen,

(Zuruf von Marc Lürbke [FDP])

weil es eben für Ihre Partei und Fraktion offenbar kein anderes Thema gibt, das so wichtig wäre, dass man dazu in jeder Plenarwoche, wie eben angekündigt, einen Antrag einbringt.

Neu ist, dass man die Anträge neuerdings nicht mehr zu lesen braucht. Denn dieser Antrag ist in großen Teilen eins zu eins von dem letzten Antrag abgeschrieben, die Reihenfolge der Kapitel getauscht, der Titel leicht geändert, damit es keiner merkt, Landtagsverwaltung macht eine neue Drucksachennummer dran. Manege frei für Marc Lürbke von der FDP, den Antragszombie!

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die Landesregierung ist längst an der Arbeit, die Einführung der Bezahlkarte vorzubereiten. Das wissen auch Sie, Herr Lürbke. Ihrem Antrag kann man aber durchaus das Bedauern bzw. an der Stelle vielleicht auch das Selbstmitleid entnehmen, dass es jetzt kein FDP-Minister mehr ist, der das Projekt auf die Strecke bringt, wobei – wohlgemerkt – auch der an dieser Stelle nicht schneller wäre. Denn es hat auch noch kein anderes Flächenland bisher eine landesweite Bezahlkarte eingeführt, weil das länderübergreifende Vergabeverfahren noch läuft.

Auch Herrn Ex-Minister Stamp hätten Ihre reihenweisen Anträge aus der Retorte hier sicherlich nicht weitergeholfen, wobei Herr Stamp ja noch durchaus der Auffassung war, eine Bezahlkarte sei überflüssige Bürokratie.

(Beifall von den GRÜNEN)

Genauso wäre er wohl auch nicht auf die Idee gekommen, Kommunen zur Einführung einer Bezahlkarte zu zwingen, wenn sie sie gar nicht wollen. In meiner Stadt Münster beispielsweise fahren wir sehr erfolgreich damit, dass kommunal zugewiesene Asylbewerber*innen in aller Regel über ein Bankkonto verfügen. Das ist nicht nur selbstverständlich, das ist auch der bürokratieärmste Weg,

(Beifall von den GRÜNEN und Silvia Gosewinkel [SPD])

das ist diskriminierungsfrei, und das ist eine ganz zentrale Voraussetzung für Integration in den Arbeitsmarkt, den wir dringend brauchen.

Weder Verwaltung noch Rat der Stadt Münster und einiger weiterer Städte in Nordrhein-Westfalen sehen Vorteile in der Einführung einer landesweit verpflichtenden Bezahlkarte.

Warum sollte also eine Kommune, in der das aktuelle System gut funktioniert, über die von Ihnen geforderte flächendeckende Einführung dazu gezwungen werden? Aus meiner Sicht ist das eine kommunalunfreundliche und unseriöse Forderung, Herr Lürbke.

(Beifall von den GRÜNEN)

Spannend finde ich – und das ist die einzige irgendwie relevante Neuheit –, dass Sie zumindest eine Zahl in Ihren Antrag neu eingefügt haben, nämlich wie schnell Sie auf die von den Ministerpräsident*innen – kurze Anmerkung: Ein FDP-Vertreter war auch hier nicht dabei – vorgeschlagene 50-Euro-Bargeldobergrenze aufgesprungen sind und diesen Wert gleich landesweit allen Kommunen vorschreiben wollen.

Die Landesregierung wird sich sicherlich zu diesem Gedanken und zu dieser möglichen Obergrenze verhalten, wenn darüber entschieden werden muss, und sie wird eine funktionierende Entscheidung treffen.

(Zuruf von Marc Lürbke [FDP])

Wir wissen zumindest alle, dass wir in Deutschland nicht gerade im Land der Kartenzahlungen leben und dass es hier unzählige Geschäfte gibt, in denen man nach wie vor auch nur bar bezahlen kann, besonders an Orten, an denen man günstig einkauft: Secondhand-Läden, Flohmärkte, Sozialkaufhäuser. Wenn ich daran denke, was ich an Bargeld benötige, wenn ich zum Beispiel mit meinen Kindern auf den Flohmarkt gehe, dann sind 50 Euro durchaus schon mal ausgesprochen schnell ausgegeben, vor allem wenn es auf dem Flohmarkt auch noch einen Stand mit heißen Waffeln gibt. Kinder lieben heiße Waffeln.

Herr Lürbke, was uns verbindet, ist, dass wir es uns leisten können, Kleidung und Spielzeug auch für ein Vielfaches im Einzelhandel einzukaufen. Aber jemand, der nur wenige Hundert Euro im Monat zur Verfügung hat, kann das nicht. Ich weiß nicht, Herr Lürbke, ob diese Lebensrealität vieler Menschen Ihnen schon einmal durch den Kopf gegangen ist und ob die Sie überhaupt interessieren.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU und von Silvia Gosewinkel [SPD])

Ihr Antrag ist damit weder kommunalfreundlich noch ist er realistisch noch will er Geflüchtete ernsthaft integrieren. Er ist bürokratisch, und vom Gespür für das Leben der Menschen ist wenig erkennbar.

Gut, Herr Lürbke, dass die Einführung einer Bezahlkarte nicht von Ihnen gemacht wird. Ihre Kernkompetenz kann auch also auch weiter copy and paste bei Anträgen bleiben.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)