Norwich Rüße: „Dieser Gesetzentwurf ist Ihr naturschutzpolitischer Offenbarungseid“

Entwurf der Fraktionen von CDU und FDP für ein Naturschutzgesetz - erste Lesung

Portrait Norwich Rüße

Norwich Rüße (GRÜNE): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Es ist gerade einmal zwei Jahre her, da hatten wir eine schöne Artenschutzkonferenz in den Rheinterrassen hier in Düsseldorf. Frau Ministerin, Sie waren anwesend; Sie waren die Einladende. Der Ministerpräsident war auch da. Ich habe damals gedacht: Ja, nicht schlecht. 300 Anwesende, wir diskutieren intensiv, daraus könnte etwas werden.

Ich erinnere mich gut an die Worte des Ministerpräsidenten, der den anwesenden Naturschützerinnen und Naturschützern eine Menge versprochen und auch anerkannt hat, dass es Bewegung braucht und mehr passieren muss. Er hat damals gesagt, wenn es notwendig sei, dann müsse man auch darüber nachdenken, die gute fachliche Praxis in der Landwirtschaft in einer Novelle des Naturschutzgesetzes zu deklinieren und klarzumachen, was im Interesse von Natur und Umwelt zu tun ist.

Ich war damals wirklich überrascht von dieser Rede und habe mich bemüht, sie zu bekommen. Ich habe die Staatskanzlei mehrfach kontaktiert, aber diese Rede war einfach nicht zu bekommen. Man wollte sie mir nicht geben.

(Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Ach, kommen Sie!)

– Ja, Frau Ministerin. Fragen Sie die Staatskanzlei. Genauso war es.

Ich glaube auch, ich weiß, warum das so war, warum ich diese Rede nicht kriegen sollte – weil nämlich all die Versprechen, die dort gegeben worden sind, am Ende nur Teil einer schönen Sonntagsrede waren. In Wirklichkeit hat Ministerpräsident nie beabsichtigt, diese guten Versprechen konkret zu erfüllen.

Ich habe jetzt zwei Jahre lang darauf gewartet, dass Sie, Frau Ministerin, eine Novelle des Landesnaturschutzgesetzes einbringen. Ich würde Ihnen sogar zutrauen, dass Sie etwas Besseres eingebracht hätten als das, was die Regierungskoalition heute eingebracht hat. Denn das reicht vorne und hinten nicht.

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

Zu den beiden zentralen Punkten des Gesetzes: Die Beschneidung der Kompetenzen der Naturschutzbeiräte ist in höchstem Maße ärgerlich und gekennzeichnet von einem Misstrauen gegenüber diesem Ehrenamt, das dort ausgeübt wird. Ich glaube, dass sich die Mitglieder der Naturschutzbeiräte im Land massiv darüber ärgern werden, was Sie an der Stelle machen. Sie geben ihnen nur sechs Wochen Frist, um zu antworten, sonst werden sie quasi übergangen. Angesichts der Unterlagen, die dort zu bewältigen sind – das sind ja nicht nur ein paar dünne Papiere, sondern da geht es schon um ein bisschen mehr –, kann das doch nicht Ihr Ernst sein.

Was machen Sie an der Stelle mit dem Ehrenamt in diesem Land? Das geht doch nicht. So geht man nicht mit Bürgerinnen und Bürgern um, die sich engagieren.

(Beifall von Verena Schäffer [GRÜNE])

Ich weiß selbst, wie schwer es ist, Menschen überhaupt noch für das Ehrenamt zu begeistern, dass sie wirklich mitmachen. Es müsste doch unser gemeinsames Interesse sein, die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land immer wieder zu motivieren. Das, was Sie tun, ist demotivierend. Sie demotivieren Menschen, sich in diesem Land für Natur und Umwelt zu engagieren. Aber vielleicht wollen Sie das ja.

Dieselbe Realitätsferne, die Sie hier an den Tag legen – da machen Sie es, glaube ich, mit Absicht –, haben Sie schon beim Eins-zu-eins-Ausgleich an den Tag gelegt. Herr Deppe, als wir 2016 das Gesetz eingebracht haben, haben Sie auch einen Gesetzentwurf vorgelegt und den Eins-zu-eins-Ausgleich vorgetragen. Ich habe Ihnen damals bereits gesagt, das geht faktisch nicht. Die Bundeskompensationsverordnung steht dagegen.

Sie können doch nicht etwas in ein Gesetz schreiben, was Sie in der Realität nicht umsetzen können. Da bauen Sie doch ein Wolkenkuckucksheim auf. Ich verstehe nicht, dass Sie so vorgehen.

Ich weiß, warum Sie es machen. Sie wollen den Nutzerverbänden etwas versprechen. Ich finde es unredlich, so mit einer Gesetzesnovelle vorzugehen. Das macht man einfach nicht. Ehrlichkeit wäre angesagt, auch gegenüber den Landwirten, die draußen auf ihren Äckern wirtschaften und darauf setzen, dass sie auch in Zukunft darauf wirtschaften können.

(Vereinzelt Beifall von der SPD – Beifall von Verena Schäffer [GRÜNE])

Ich möchte dann etwas zu dem massiven Angriff auf die Kompensation sagen. Herr Diekhoff hat das auch noch mal klar ausgeführt. Sie haben die Naturschutzgebiete angegriffen und sagen, dass dort anscheinend nichts passiert. Ich würde das ein bisschen differenzierter sehen. Wir haben das Problem, dass unsere Naturschutzgebiete häufig zu zersplittert sind. Deshalb haben wir in diesem Bundesland so viele. Besser wäre es, wir hätten tatsächlich weniger, große Naturschutzgebiete. Aber das gibt NRW an der Stelle so eben nicht her.

Der große Unterschied ist: Sie packen das Problem bei den Kompensationen an mit einem Versprechen, das Sie nachher nicht halten können. Wir Grüne dagegen sagen: Wir müssen den Eingriff begrenzen, damit die Kompensation gar nicht ausgelöst werden muss. Das wollen Sie aber nicht, denn Ihr Versprechen ist ja an die Wirtschaft gerichtet: freie Fahrt für Flächenverbrauch. – Zu dem Punkt kommen wir gleich noch.

Ich sage Ihnen: Dieser Gesetzentwurf ist Ihr naturschutzpolitischer Offenbarungseid, den Sie heute leisten. Sie sind naturschutzpolitisch am Ende, und es wird Zeit, dass diese Landesregierung abgelöst wird. – Vielen Dank.

(Beifall von Verena Schäffer [GRÜNE])