Zurückstellen von der Einschulung – merkwürdige Kommunikationsstrategie!

Kleine Anfrage von Sigrid Beer

2006 hatte die damalige schwarz-gelben Koalition beschlossen, dass Kinder deutlich früher eingeschult werden sollen. Hierzu wurde dann in den kommenden Jahren der Stichtag des Einschulungsalters um jeweils ein Monat vorgezogen. 2010 hat Rot-Grün das weitere Vorziehen des Einschulungsalters gestoppt und damit auf die Kritik von Eltern, Kinderärztinnen und Kinderärzte sowie Schulen und Kindertageseinrichtungen reagiert, die den grundsätzlichen immer früheren Beginn als falsch bewertet haben.
Unabhängig davon ermöglicht §35 Schulgesetz ein Zurückstellen von der Einschulung um ein Jahr, sofern erhebliche gesundheitliche Gründe vorliegen. In der praktischen Anwendung zeigte sich aber, dass die gesetzliche Bestimmung dahingehend ausgelegt wurde, dass das schulärztliche Gutachten des Amtsarztes diese erheblichen gesundheitlichen Bedenken bestätigen müsse. Das Votum der Kindertageseinrichtungen, selbst weitere fachärztliche Gutachten, die seitens der Eltern beigebracht wurden, kam nicht ausreichend zum Tragen. Schon gegen Ende der letzten Legislatur gab es eine fraktionsübergreifende, fachpolitische Einschätzung, dass es im Schuljahr 2017/18 zu modifizierten Regelungen kommen muss.
Zu Beginn der neuen Legislatur gab es zudem eine Häufung von Petitionen, da auch durch den Koalitionsvertrag Änderungen angekündigt wurden, die Schulleitungen und Schulaufsicht aber noch keine Informationen hatten.
Das Schulministerium hat in der Folge in einem Runderlass vom 5. Oktober 2017 an die Bezirksregierungen klargestellt, dass das schulärztliche Gutachten eine, aber nicht die einzige Grundlage für die Schulleitung ist, die letztlich die Entscheidung über das Zurückstellen von der Einschulung trifft.
Das Netzwerk gegen Früheinschulung NRW beklagt, dass nach wie vor von Seiten der Schulleitungen und Amtsärztinnen und Amtsärzten die Auffassung vertreten wird, dass das schulärztliche Gutachten allein entscheidend sei.
Vor diesem Hintergrund ist es bedauerlich und unverständlich, dass die zu begrüßende Klarstellung seitens des Ministeriums nicht transparenter und offener kommuniziert wird. Auf der Homepage des Ministeriums sind weder unter dem Menüpunkt „Für Eltern“ noch unter „Für Lehrkräfte“ Informationen zur Zurückstellung zu finden. Unter dem Punkt Rechtliches/Erlasse ist der Runderlass vom 5.10.2017 nicht aufgeführt. Lediglich unter dem Punkt „Das Ministerium“ findet sich versteckt unter dem Abschnitt Presse/Hintergrundberichte ein Hinweis auf den Erlass, der allerdings auch hier nicht eingestellt ist. Ein zweiter Hinweis findet sich nach intensiver Suche in der Grundschulrubrik, allerdings wieder ohne den gesamten Erlass darzustellen.
Die Bezirksregierungen, die Adressat des Runderlasses waren, geben diese Information auf ihren Webseiten auch nicht weiter. Bei den Bezirksregierungen Köln, Düsseldorf und Detmold gibt es keinerlei Informationen. Bei der Homepage der Bezirksregierung Münster gibt es zwar einen umfangreichen Themenkatalog, allerdings fehlen die Stichworte Einschulung und Zurückstellung. Lediglich zur Schulpflicht gibt es eine Reihe von Informationen und Links zu den Erlassen. Bei der Bezirksregierung Arnsberg finden Eltern einen Hinweis auf die Möglichkeit der Zurückstellung und den entsprechenden Paragraphen des Schulgesetzes. Allerdings fehlt jeglicher Hinweis auf den Erlass und auf die dort erfolgte Klarstellung hinsichtlich der Wertigkeit des schulärztlichen Gutachtens.
Interessierte Eltern und Schulleitungen werden also auf den offiziellen Kanälen der Landesregierung nur äußerst unzureichend informiert. Selbst dem Schulausschuss des Landes wurde der Erlass nicht zur Verfügung gestellt. Fündig wird man dagegen auf den Webseiten von CDU-Abgeordneten wie denen von Hendrik Wüst und Henning Rehbaum.
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

  1. Wie wurde der Runderlass vom 5. Oktober 2017 seitens des Ministeriums kommuniziert um sicherzustellen, dass alle Grundschulleitungen, auch die kommissarischen, sowie die Schulträger und die zuständigen Amtsärztinnen und Amtsärzte flächendeckend und rechtzeitig vor den Anmeldungen für das kommende Schuljahr informiert wurden?
  2. Welche Möglichkeiten haben Eltern, Ärztinnen und Ärzte sowie Schulleitungen sich über die Auslegung des §35 Schulgesetz seitens des Schulministeriums zu informieren?
  3. Beabsichtigt die Landesregierung durch exklusive Informationsweiterleitung an die Abgeordneten der regierungstragenden Fraktionen Bürgerinnen und Bürger auf deren Internetseiten zu verweisen?
  4. Stimmt die Landesregierung der Auffassung zu, dass eine Information über die Rechts- auffassung der Regierung zu einem Paragrafen eines Landesgesetzes von allgemeinem Interesse ist und deshalb leicht und umfänglich auf offiziellen Informationsangeboten der Regierung zu finden sein sollte?
  5. Wird das Schulministerium der interessierten Öffentlichkeit, inklusive der Abgeordneten aller Fraktionen, die Information über Erlasse auf seinen Internetseiten transparent und umfänglich zugänglich machen?