Zur Halbzeit der Agenda 2030: die globalen Nachhaltigkeitsziele in Nordrhein-Westfalen konsequent umsetzen

Antrag der Fraktionen von CDU und GRÜNE im Landtag

Portrait Gregor Kaiser - klein

I. Ausgangslage

Im Jahr 2015 verabschiedete die Weltgemeinschaft in New York die Agenda 2030 für Nach­haltige Entwicklung und die „Sustainable Development Goals“ (SDGs): 17 globale Nachhaltigkeitsziele, die der Bewahrung und nachhaltigen Entwicklung unserer Lebensgrundlagen und damit dem Schutz und den Chancen jetziger und vor allem kommender Generationen dienen. Der daraus ableitbare Anspruch auf eine intakte Umwelt und Natur, eine hohe Lebensqualität und umfassende soziale Gerechtigkeit gilt für alle Menschen weltweit. Die Umsetzung ist ein Gemeinschaftswerk, das nur durch Beteiligung und Zusammenarbeit aller gelingen kann: von Akteurinnen und Akteuren aus Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft und Politik, auf allen Ebenen und schließlich von jedem und jeder Einzelnen.

Wir verstehen Nachhaltigkeit in einem umfassenden Sinn und setzen uns gleichermaßen für mehr Klima- und Umweltschutz, eine zukunftsfähige Infrastruktur, Investitionen in Bildung und solide Finanzen ein. Kern unserer Politik ist die nachhaltige Versöhnung von Ökonomie, Öko­logie und Sozialem. Damit schaffen wir die Grundlage für nachhaltiges Wirtschaften, vor allem vereinen wir den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen mit unserer wirtschaftlichen Stärke, guten Arbeitsplätzen und sozialer Sicherheit.

Nordrhein-Westfalen ist sich als bevölkerungsreiches, industriell geprägtes und global vernetz­tes Bundesland seiner Mitverantwortung für die globale Gerechtigkeit und damit seines Bei­trags zur Umsetzung der 17 SDGs bewusst. Bis zur Zielmarke 2030 verbleiben weniger als sieben Jahre, 2023 markiert die Halbzeit und ist damit ein Schlüsseljahr. In den vergangenen Jahren wurde bereits einiges erreicht. Allerdings stehen sowohl die Weltgemeinschaft als auch dieses Bundesland weiterhin vor großen Herausforderungen. Daher ist ein ambitioniertes Vor­gehen auf allen politischen Ebenen vonnöten und damit sind auch die bisherigen Aktivitäten des Landes Nordrhein-Westfalen auszubauen und verbindlicher zu gestalten.

Überall gibt es Akteurinnen und Akteure, die intensiv an der Nachhaltigkeitstransformation ar­beiten. Auf den Informationsportalen der Landesregierung nachhaltigkeit.nrw.de und nachhaltigkeitsindikatoren.nrw.de wird fortlaufend über Vorhaben und Prozesse berichtet. Als Leit­schnur dient die landeseigene Nachhaltigkeitsstrategie. Darin hat sich die Landesregierung verpflichtet, ihr Handeln im Sinne einer gerechten und zukunftsfähigen Entwicklung auszurich­ten und schrittweise die Transformation zu einem nachhaltigen Wirtschaftsmodell umzusetzen. Unsere Kommunen und Regionen sind die Motoren der Nachhaltigkeit vor Ort, ihre Aktivitäten werden durch Beratungs- und Informationsangebote des Landes unterstützt.

Um das vorhandene Potenzial zu nutzen, sollen die NRW-Nachhaltigkeitsstrategie ambitio­niert fortgeschrieben und bessere Umsetzungsstrukturen geschaffen werden, die Verbindlich­keit der Nachhaltigkeitsziele im konkreten Regierungshandeln ressortübergreifend und bei der Erstellung von Gesetzen erhöht werden. Vorhandene Governance- und Beteiligungsstrukturen müssen dafür überprüft und weiterentwickelt werden, indem zum Beispiel die jetzige Nachhaltigkeitsprüfung als Instrument der Gesetzesfolgenabschätzung als Nachhaltigkeits-Check noch wirkungsvoller ausgestaltet wird.

Die Innovationspotenziale und Lenkungswirkungen öffentlicher Nachfrage sind ein wichtiger Baustein zur Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft für Nordrhein-Westfalen und weltweit. Der Landesverwaltung mit ihren über 500 Einrichtungen mit rund 160.000 Beschäftigten stehen dazu verschiedene Hebel zur Verfügung, die u. a. im Sinne der nachhaltigen Beschaffung, Mobilität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der Gebäude und Liegenschaften und ressourcenschonenden und klimaneutralen Veranstaltungen noch konsequenter genutzt werden kön­nen. Die Landesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 eine nachhaltige Landesverwal­tung zu sein. Dafür hat das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) die Rolle als Modellbehörde übernommen und im Rahmen des Modell­projekts „Nachhaltige Verwaltung der Zukunft“ ein Gesamtkonzept erarbeitet. Erste weitere Einrichtungen haben zudem erfolgreich am Beratungs- und Qualifizierungsprogramm „ÖKO­PROFIT®-Konvoi“ teilgenommen.

Nachhaltigkeit soll auch weiterhin als starkes Kriterium zur Projektauswahl eingesetzt und wei­terentwickelt werden, u. a. im Rahmen der Möglichkeiten des Landes in den EU-Strukturpro­grammen (EFRE, JTF, Interreg) und bei den Finanzmitteln für das Rheinische Revier, um so einen Modellprozess für eine nachhaltige Transformation zu schaffen. Weitere perspektivische Ansatzpunkte der Landesregierung sind die Förderung der Bildung für Nachhaltige Entwick­lung (BNE) und die Verankerung von Nachhaltigkeitsaspekten im Bereich Landeshaushalt und Finanzen. Diese und mehr Ansatzpunkte für eine nachhaltige Entwicklung gilt es mit Blick auf die Halbzeit der Agenda 2030 zeitnah zu verfolgen und stringent umzusetzen.

I. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest:

  • Zur Erreichung der 17 globalen Nachhaltigkeitsziele verbleiben noch sieben Jahre bis zur Zielmarke 2030. Dafür braucht es verstärkte Bemühungen, weltweit und des Landes Nordrhein-Westfalen. Nordrhein-Westfalen ist sich seiner Mitverantwortung für die glo­bale Gerechtigkeit bewusst.
  • Als bevölkerungsreichstes und am stärksten industriell geprägtes Bundesland will Nord­rhein-Westfalen demonstrieren, wie der Wandel der Wirtschaft unter Beachtung der planetaren Grenzen hin zu einer nachhaltigen Entwicklung gelingt.
  • Das Handeln aller Akteurinnen und Akteure in Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Wirt­schaft, Kultur, Politik und auf allen Ebenen ist dafür vonnöten. Kommunen und Regionen sind in ihren Bemühungen zu unterstützen, denn sie sind das Rückgrat einer nachhalti­gen Entwicklung.
  • Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) befähigt Menschen zum nachhaltigen Ge­stalten ihrer Lebenswelt. Dazu gehört die Vermittlung von Schlüsselkompetenzen wie Partizipation, Solidarität sowie zukunftsgerichtetes Denken und Handeln. Die Aktivitäten Nordrhein-Westfalens im Bereich BNE sollen perspektivisch ausgebaut werden.
  • CDU und GRÜNE werden auch in den Bereichen Haushalt und Finanzen Nachhaltigkeitsaspekte verstärkt verankern. Eine solide Haushaltspolitik ist unerlässlich, um Gene-rationengerechtigkeit und Handlungsspielräume für die Zukunft zu schaffen. Dass das Land seinen Pensionsfonds auf eine konsequent nachhaltige Anlagestrategie ausrichtet und dabei die Anforderungen des Pariser Klimaschutzabkommens beachtet, ist ein wich­tiger Schritt. Weitere gilt es zeitnah anzustoßen.
  • Der Landtag beauftragt die Landesregierung im Rahmen zur Verfügung stehender Haushalts­mittel,
    • die Nachhaltigkeitsstrategie NRW zeitnah fortzuschreiben und im Sinne eines „Living Document“ unter Berücksichtigung von wissenschaftlichen Erkenntnissen fortlaufend um neue Instrumente und Maßnahmen zu ergänzen, deren Effekte zu überprüfen und ress­ortübergreifend konsequent umzusetzen. Hierbei kann es sich auch um Gemeinwohlzertifizierungen oder auch die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsberichten handeln.
    • Governance- und Beteiligungsstrukturen, die zur Umsetzung der nachhaltigen Transfor­mation beitragen, wie z. B. der NRW-Nachhaltigkeitsbeirat, weiterzuentwickeln, um ins­besondere die jüngere Generation stärker einzubinden.
    • die bei Gesetzentwürfen bereits erfolgende Nachhaltigkeitsprüfung zu einem noch wir­kungsvolleren Nachhaltigkeits-Check auszubauen, der sich dabei passgenau in die wei­teren Instrumente der Gesetzesfolgenabschätzung einfügt.
    • die bestehenden Aktivitäten und Strukturen zur Zielerreichung „Nachhaltige Landesver­waltung 2030“, z. B. im Bereich Gebäude- und Liegenschaftsmanagement, Mobilität, Kantinenbetrieb, Beschaffungswesen sowie Personalentwicklung, zu prüfen und auszu­weiten und dabei Synergien mit dem Vorhaben „klimaneutrale Landesverwaltung“ zu er­zeugen.
    • in der Beschaffungspraxis der Landesverwaltung (bei der Prüfung und Entscheidung) als Vorbild voranzugehen und neben ökonomischen auch stärker Aspekte der Nachhal­tigkeit zu etablieren und das dazu notwendige Wissen in der Landesverwaltung durch praxisnahe Leitfäden, digitale Tools, Fortbildungs- und Beratungsangebote ressortüber­greifend zu vermitteln.
    • Informations- und Mitwirkungsangebote zur nachhaltigen Entwicklung des Landes zu stärken und bestehende Formate, wie z. B. das Portal nrw.de, die NRW-Nachhaltigkeitstagungen und die kommunalen Nachhaltigkeitstagungen zu verstetigen und auszubauen.
    • die Kommunen und die Bezirksregierungen bei einem ambitionierten Nachhaltigkeitsmanagement zu unterstützen. Dies kann durch die Schaffung und Intensivierung von Beratungsangeboten gelingen. Dabei kann an die guten Erfahrungen zur Ausgestaltung von Nachhaltigkeitsleitlinien der Bezirksregierung Arnsberg angeknüpft werden.
    • zu prüfen, wie die europäischen Strukturfördermittel in Nordrhein-Westfalen noch ziel­gerichteter im Sinne der nachhaltigen Transformation eingesetzt werden können und Themen wie Klimaschutz und -anpassung, Umweltwirtschaft und Kreislaufwirtschaft in den EU-Strukturförderprogrammen weiter gestärkt werden können. Nachhaltigkeit soll in den Aufrufen und Wettbewerben insbesondere des Programms „EFRE NRW“ stärker berücksichtigt und als starkes Kriterium bei der Projektauswahl verankert werden. Dabei muss sichergestellt werden, dass Maßnahmen etwa im Rahmen von Strukturwandel-Prozessen weiterhin aus EFRE-Mitteln finanziert werden können. Im Rahmen der Eva­luation bestehender Strukturförderprogramme wird überprüft, ob sie der nachhaltigen Transformation dienen.
    • die Beteiligungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger in ihrer Vielfalt und die Grün­dung von (Energie)Genossenschaften und Gemeinwohlinitiativen als partizipative Ele­mente einer nachhaltigen Gesellschaft zu unterstützen.