Wohnen als soziale Daseinsvorsorge – sicher und bezahlbar für alle

Antrag der Fraktionen von CDU und GRÜNE im Landtag

I. Ausgangslage

Wir verstehen Wohnen als soziale Daseinsvorsoge, es soll sicher und bezahlbar für alle sein. Insbesondere das untere und mittlere Segment des Wohnungsmarktes ist in den Ballungszentren und Universitätsstädten im Land besonders stark angespannt mit der Folge, dass bezahlbarer Wohnraum zur Mangelware geworden ist. Das führt unter anderem dazu, dass Fachkräfte wie zum Beispiel in der Altenpflege oder im Handwerk nur schwer eine Woh­nung finden und auch Geringverdienende oder Alleinerziehende und Familien mit mehreren Kindern nur mit langen Wartezeiten bedarfsgerechte Wohnungen finden. Laut Wohnungsmarktbericht der NRW.BANK aus dem Jahr 2022 wurden trotz schwieriger Rah­menbedingungen in den Jahren 2020 und 2021 jeweils fast 50.000 Wohnungen fertiggestellt – so viele wie zuletzt vor 15 Jahren.

Es ist erklärtes Ziel der Koalitionsfraktionen, dass alle Menschen, die in Nordrhein-Westfalen zu Hause sind, hier einen Anspruch auf eine angemessene Wohnung haben. Daher ist im Rahmen einer Änderung der Landesverfassung geplant zu prüfen, wie das „Recht auf Woh­nen“ als Staatsziel in der Verfassung unseres Landes verankert werden kann. Um dieses Ziel zu erreichen, wird bereits seit Jahren auf die öffentliche Wohnraumförderung als auch auf die Förderung des selbst genutzten Wohneigentums gesetzt. Diese Förderung gilt es weiter zu entwickeln und den Herausforderungen anzupassen.

Die Fördersummen, die das Land über die NRW.BANK bereitstellt, speist sich zum einen aus dem revolvierenden Fonds der NRW.BANK sowie aus Landes- und durchgereichten Bundesmitteln. Vereinbart wurde zukünftig deutlich mehr Mittel für Modernisierungsmaßnah­men zur Verfügung stellen, die den Zielen der Klimaneutralität und Barrierefreiheit dienen. Die Förderung soll weiter ausgestaltet werden „als technologieoffener Innovationsmotor sowie Transformationsförderin für den Umbau von Wohnungsbeständen hin zu mehr Energieeffizi­enz“. Die öffentliche Wohnraumförderung wird auf mehr mietpreisgebundenen Wohnraum und auf innovative und an Nachhaltigkeit orientierte Eigentumsförderung ausgerichtet. Die Einfüh­rung einer dritten Fördersäule für preisgedämpften Wohnraum wird in die Überprüfung einbe­zogen. Außerdem finden Aspekte der Nachhaltigkeit in der Förderung besondere Berücksich­tigung. Als Beitrag zur Klimaneutralität können neben energetischer Sanierung auch Dächer und Fassaden begrünt werden und Photovoltaik-Anlagen installiert werden. Bei der Eigen­tumsförderung tragen wir den unterschiedlichen Bedarfen der ländlichen Räume und der gro­ßen Städte Rechnung. Dazu gehört eine Stärkung des Förderbausteines „Jung kauft Alt“, um

im Sinne einer nachhaltigen Wohnungswirtschaft eine Neunutzung von Altbeständen zu er­möglichen. Dies könnte auch in Mehrfamilienhäusern mit mehreren Eigentumswohnungen umgesetzt werden.

Zusätzlich zu den Mitteln der Wohnraumförderung hat die Landesregierung bereits ein erstes Unterstützungspaket auf den Weg gebracht, das für die besonders vom russischen Angriffs­krieg auf die Ukraine und seinen Folgen betroffenen Bereiche ein Volumen von über 1,6 Milli­arden Euro vorsieht. Im Rahmen der Krisenvorsorge sollen auch Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz und -erzeugung, die kurzfristig den Verbrauch fossiler Energien senken, gefördert werden. Dazu gehören Maßnahmen der klimaeffizienten Wohnraumförderung mit 100 Millionen Euro und die Förderung von einem 1.000-Dächer-Programm mit 10 Millionen Euro.

Der Bestand an geförderten Wohnraum nimmt bekanntermaßen trotz realisierter Bautätigkeit und neu bewilligter Förderbescheide ab, da immer mehr Wohnungen aus der Preisbindung fallen. 2021 lag der Anteil öffentlich-geförderter Wohnungen am gesamten Wohnungsmarkt in der Bundesrepublik Deutschland bei rund 1,102 Millionen Wohnungen. In Nordrhein-Westfa­len belief sich der Bestand am 31. Dezember 2021 auf 441.871 preisgebundene Mietwohnun­gen. Damit liegen mehr als 40 Prozent aller bundesweit preisgebundenen Mietwohnungen in Nordrhein-Westfalen.

Insgesamt hat sich der Rückgang des preisgebundenen Mietwohnungsbestands in Nordrhein-Westfalen in den vergangenen Jahren deutlich abgeschwächt. Während der Bestand zwi­schen 2005 und 2015 in jedem Jahr durchschnittlich um rund 3,8 % abnahm, flachte sich der Rückgang danach ab und lag 2021 bei 2,2 Prozent. In einzelnen Städten mit besonders hohen Bedarfen konnte der Rückgang sogar umgekehrt werden. So sind in den Städten Bonn, Müns­ter und Paderborn die Bestände preisgebundener Mietwohnungen im Jahr 2021 leicht ange­wachsen.

Da nicht ausreichend neue Sozialwohnungen gebaut werden, müssen Kommunen die Möglichkeit erhalten, entsprechende Bindungen aufzukaufen. Nur so lassen sich Belegungsrechte und Preisbindung auch kurzfristig erhalten. Der ausgeweitete Modellversuch zum Ankauf von Belegungsrechten, insbesondere in den Ballungszentren, wird daher eng be­gleitet. Mit den „Bestimmungen zur Förderung des Erwerbs von Bindungen im Land Nordrhein-Westfalen” wird die Möglichkeit eröffnet, Mietbindungen und Belegungsbindungen an bestehenden Wohnungen zu erwerben. Bereits im Herbst 2022 wurde durch die Landesregierung Nordrhein-Westfalen der Ankauf von Belegungsrechten zur Absicherung von preisgebundenem Wohnraum auf 67 Städte und Gemeinden ausgeweitet. Ergänzt wird das Förderprogramm in den Städten durch verbesserte Förderkonditionen für Bindungsverlängerungen in den Wohnraumförderungsbestimmungen 2022.

Zur Sicherung bezahlbaren Wohnens für die Bürgerinnen und Bürger und um die Preisentwicklung am Wohnungsmarkt zu dämpfen, müssen die Regelungen zum Mieterschutz unbedingt erhalten werden. Die Mieterschutz-Verordnung des Landes Nordrhein-Westfalen soll zeitnah auf Basis eines wissenschaftsbasierten Gutachtens erneuert werden. Dieses Gutachten soll in 2023 erarbeitet werden. Effektiver Mieterschutz bedeutet, dass dann in mehr Kommunen Mietpreisbremse und Kappungsgrenze wirksam werden und die Kündigungs­sperrfrist von heute fünf Jahren auf acht Jahre angehoben wird. Darüber hinaus wird das Wohnraumstärkungsgesetz auf Optimierungspotenziale hin untersucht und die Frist für Kurz­zeitvermietung auf acht Wochen reduziert werden. Auch die Regelungen aus dem Wohnauf-sichtsgesetz sind wichtige Bausteine, damit Menschen in NRW nicht ihre Wohnung verlieren oder bestehende Mietwohnungen in Eigentumswohnungen oder Ferienwohnungen umgewan­delt werden. Auf Bundesebene ist im Zusammenhang mit dem Mietrecht die Vereinbarung von Indexmieten nach der vom Bundesrat getroffenen Entschließung vom Dezember 2022 zu überprüfen.

Klar ist, dass die Wohnbautätigkeit vor Ort vorangetrieben werden muss. Vor allem die Kommunen müssen mehr Handlungsspielraum, Verantwortung und Unterstützung für Wohnungsneubau, Flächenakquise und die Gründung und Finanzierung von kommunalen Wohnungsbaugesellschaften erhalten. Das Baulandmobilisierungsgesetz des Bundes hat eine notwendige Grundlage geschaffen und den Ländern die Möglichkeit eröffnet, durch eine Verordnung nach § 201a BauGB Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten zu bestimmen und dadurch die Anwendung bestimmter baurechtlicher Instrumente durch die Städte und Gemeinden zu ermöglichen. Zur Vorlage einer entsprechenden Rechtsverordnung hat das Ministerium ein Gutachten erstellen lassen, welches in Nordrhein-Westfalen 95 Kommunen mit angespannten Wohnungsmarkt festgestellt hat. Mit Rechtskraft dieser Verordnung zum Jahresbeginn 2023 können diese Kommunen nun erweiterte Vorkaufsrechte, Abweichungen von B-Plan-Festsetzungen und das Verhängen von Baugeboten nutzen um mehr Wohnraum zu schaffen.

Die Wohngeldreform des Bundes stellt die Kommunen in Nordrhein-Westfalen vor allem per­sonell vor große Herausforderungen. Die hohen Antragszahlen können mit dem vorhandenen Personal nur schleppend abgearbeitet werden. Das Land unterstützt die Kommunen durch den seit dem 15. Dezember 2022 zur Verfügung stehenden Wohngeldrechner und Verfah­rensvereinfachungen. Ab dem 16. Januar 2023 hat das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen über den Landesbetrieb IT.NRW an rund 169.000 Haushalte einen weiteren Heizkostenzuschuss ausgezahlt. Die Summe der Aus­zahlungen betrug rund 97 Millionen Euro.

Der gesamte Wohnungsmarkt in Deutschland steht vor vielfältigen Herausforderungen. Zum einen befindet sich die Bauwirtschaft in einer Hochphase und dies hat die Baukosten in den letzten Jahren nach oben getrieben. Zum anderen sind der Mangel an bebaubaren Flächen und stark steigende Grundstückspreise dafür verantwortlich, dass sich der Neubau von Woh­nungen nahezu überall in Nordrhein-Westfalen extrem verteuert hat. Der NRW.BANK Woh­nungsmarktbericht 2022 stellt außerdem fest, dass durch den Krieg in der Ukraine und die hiermit verbundenen Auswirkungen auf Lieferketten, Inflation und Auftragsbestand mit einem mittelfristigen Rückgang der Bautätigkeit zu rechnen ist. Es muss nach neuen Möglichkeiten gesucht werden, Bauen preiswerter zu machen und so mehr Wohnungen mit bezahlbaren Mieten zu schaffen. Serielles und modulares Bauen in hoher Qualität kann hier ein Baustein sein, um der Baupreisentwicklung entgegenzuwirken und zügig neuen Wohnraum zu schaffen.

Alle Bemühungen für mehr Wohnungsbau in Nordrhein-Westfalen können nicht allein von Bund, Land und Kommunen umgesetzt werden. Wichtig ist bei allen Anstrengungen eng mit den wohnungswirtschaftlichen Verbänden zusammen zu arbeiten. In der Allianz für mehr Woh­nungsbau arbeiten diese Akteure bereits erfolgreich zusammen und nehmen auch zukünftig gemeinsam die neuen Herausforderungen an.

II. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest:

  • Ziel ist es, für alle Menschen in Nordrhein-Westfalen den Anspruch auf eine angemes­sene und bezahlbare Wohnung umzusetzen.
  • Es braucht im Land Nordrhein-Westfalen mindestens 45.000 neue mietpreisgebundene Wohneinheiten bis 2027. Der Bau von preisgedämpftem und mietpreisgebundenem Wohnraum muss verstärkt werden. Hierzu müssen Hemmnisse identifiziert und beseitigt werden.
  • Die Wohnraumförderung ist der grundlegende Baustein des Landes für mehr bezahlba­ren Wohnraum für Alle.
  • Die Mieterschutz-Verordnung muss wissenschaftlich fundiert überarbeitet werden, um effektiven Mieterschutz im ganzen Land Nordrhein-Westfalen sicherzustellen.
  • Die Kommunen sind als Akteure am besten geeignet, um zielgerichtet Wohnungsneubau sowie die Erneuerung der Wohnungsbestände voran zu bringen. Sie müssen weiterhin in der Lage sein, aktives Wohnraum- und Flächenmanagement zu betreiben.
  • Zu wenig Flächen, zu lange Genehmigungsverfahren und zu hohe Baukosten sind die größten Hürden beim Neubau von Wohnungen. Hier muss angesetzt werden, um die Bedingungen für den Mietwohnungsneubau zu verbessern.

Die Landesregierung wird aufgefordert,

  • die Wohnraumförderung weiter zu entwickeln und
  • aus bereiten Mitteln mehr Geld für Modernisierungsmaßnahmen zur Verfügung zu stellen, die den Zielen der Klimaneutralität und Barrierefreiheit dienen.
  • diese auf mehr mietpreisgebundenen Wohnraum und auf innovative und an Nach­haltigkeit orientierte Eigentumsförderung auszurichten.
  • die Einführung einer dritten Fördersäule für preisgedämpften Wohnraum zu prüfen.
  • bei der Stärkung des Förderbausteines „Jung kauft Alt“, eine Ausweitung auf Ei­gentumswohnungen in Mehrfamilienhäuser zu prüfen.
  • Belegungsrechte und Mietpreisbindungen weiterhin zu fördern und stetig zu evaluieren.
  • ein Gutachten zu beauftragen, um die Mieterschutz-Verordnung wissenschaftlich fun­diert überarbeiten zu können.
  • die Kommunen weiterhin zu unterstützen, vermehrt Instrumente wie Vorkaufsrechte oder Baugebote zu nutzen, um aktive Wohnungsbaupolitik zu betrieben.