Willkommenskultur ausbauen und Kommunen unterstützen – NRW braucht ein breites Bündnis für Flüchtlinge

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN

Über 50 Mio. Menschen sind weltweit auf der Flucht – so viel wie seit dem 2. Weltkrieg nicht mehr. Sie fliehen vor Not und Verfolgung auch zu uns. Wegen der Lage in ihren Herkunftsländern werden viele von ihnen nicht wieder in ihre Heimat zurückkehren können. Angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen stehen Bund, Länder und Kommunen vor der großen Herausforderung, eine menschenwürdige Aufnahme zu gewährleisten und Angebote zur Integration in unsere Gesellschaft anbieten zu können. Aber auch die Zivilgesellschaft ist gefragt, die Willkommenskultur in unserem Land zu stärken. Den vielen Initiativen vor Ort, die ehrenamtliche Hilfen anbieten und die Menschen dabei unterstützen bei uns anzukommen und ihre schrecklichen Erlebnisse zu verarbeiten, gilt unser Dank und unsere Anerkennung.
Das Bekanntwerden der schrecklichen Ereignisse in der Aufnahmeeinrichtung in Burbach, wo Mitarbeiter von privaten Sicherheitsdiensten Flüchtlinge misshandelten, hat neben der weiter andauernden Aufarbeitung der Vorfälle und den Maßnahmen zur Überprüfung und Kontrolle der eingesetzten Wachdienste zu einer intensiven Debatte über die aktuelle Lage der Flüchtlingsaufnahme geführt. Der enorme Anstieg der Flüchtlingszahlen und die damit verbundenen Herausforderungen führen zu enormen Belastungen bei allen Beteiligten.
Am 20. Oktober trafen sich auf Einladung von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft in Essen Kirchen, Verbände und Vertreter aller Fraktionen im Landtag, um über notwendige Maßnahmen zur Verbesserung der Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge zu beraten. Das Treffen war vom gemeinsamen Willen einer neuen Flüchtlingspolitik getragen.

Der Landtag begrüßt die verabredeten Maßnahmen des Flüchtlingsgipfels:

Die Unterbringungskapazitäten in den Einrichtungen des Landes werden perspektivisch auf 10.000 reguläre dauerhafte Plätze ausgebaut. Ziel ist es, bis Ende des Jahres zusätzlich 1.800 Plätze zu schaffen. Die Neukonzeptionierung der Erstaufnahme des Landes wird im Dialog mit Flüchtlingsorganisationen und Verbänden entwickelt. Der eingeleitete Prozess, flächendeckende Kontrollen in den Einrichtungen zur Überprüfung der vereinbarten Sicherheits- und Qualitätsstandards durchzuführen, wird fortgesetzt. Die eingerichtete Task Force der Bezirksregierung wird um Vertreterinnen und Vertreter der Flüchtlingsorganisationen erweitert. Es wird ein dezentrales Beschwerdemanagement in jeder Landeseinrichtung geschaffen, das regelmäßig dem „Runden Tisch Flüchtlinge“ im Ministerium für Inneres und Kommunales berichtet.
Die Zuweisungen des Landes an die Kommunen sind im Haushaltsentwurf für das Jahr 2015 bereits um 52 Mio. auf 143 Mio. Euro erhöht worden. Auf dem Flüchtlingsgipfel wurde vereinbart, dass die Landeszuweisungen um weitere 40 Mio. Euro erhöht werden sollen, auf insgesamt 183 Mio. Euro. Das ist eine Steigerung der Landeszuweisung um 28 %.
Die Zuweisungen für die soziale Beratung von Flüchtlingen werden um 3,5 Mio. Euro erhöht. Zum einen soll damit eine individuelle Verfahrensberatung in den Landeseinrichtungen, eine flächendeckende regionale Beratung vor Ort und eine bedarfsgerechtere psychosoziale Beratung für traumatisierte Flüchtlinge gewährleistet werden. Darüber hinaus soll mit diesen Mitteln ein dezentrales Beschwerdemanagement in den Landeseinrichtungen geschaffen sowie das ehrenamtliche Engagement aktiviert bzw. koordiniert werden.
Mit der Schaffung eines Härtefallfonds im Rahmen des Flüchtlingsaufnahmegesetzes sollen die Kommunen unterstützt werden, die durch besonders hohe Krankenkosten belastet sind. Für diesen Härtefallfonds werden 3 Mio. Euro zur Verfügung gestellt.
Wir werden ein standardisiertes Impfangebot in den Aufnahmeeinrichtungen installieren, um den Menschen, insbesondere Kindern, so frühzeitig wie möglich den Zugang zum Impfschutz zu gewähren.
Die auf dem Flüchtlingsgipfel beschlossene Sicherstellung der Beschulung von Flüchtlingskindern muss sich in einem Ausbau der Personalstärke für die Beschulung insbesondere in Seiteneinsteigerklassen niederschlagen.
Die personellen Kapazitäten in der Bezirksregierung Arnsberg werden bedarfsgerecht ausgebaut. Dafür sollen zu den 23 neuen Stellen, die bereits im Haushalt 2015 vorgesehen sind, noch weitere 21 Stellen zur Verfügung gestellt werden. 
Es wird geprüft, ob Sonderbaumittel über die NRW.Bank für die Schaffung von Unterkünften in den Kommunen zur Verfügung gestellt werden können.

Zur Verbesserung der Integration der Flüchtlinge in unsere Gesellschaft werden folgende Vereinbarungen umgesetzt:

Die Beschulung junger Flüchtlinge wird sichergestellt. Es werden mehr Sprachkurse unter Einbindung ehrenamtlicher Helferinnen und Helfer organisiert.
Der Zugang zum Arbeitsmarkt wird in Kooperation mit der Arbeitsagentur und den Kammern durch zielgruppenspezifische Förderung erleichtert.
Die Studiengänge werden für Flüchtlinge geöffnet und die Möglichkeiten einer Öffnung der Studienprogramme über den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) geprüft.
Wir werden Maßnahmen kurzfristig im Rahmen der zusätzlichen Aufnahme von Flüchtlingskindern in Kindertageseinrichtungen und in der Ganztagsbetreuung ergreifen. Gleiches gilt für Maßnahmen im Übergang Schule/Beruf und auch für die Frage, wie die soziale Betreuung der Flüchtlingskinder gewährleistet werden kann.
Der Landtag begrüßt, dass die Landesregierung in den laufenden Verhandlungen mit der Bundesregierung darauf drängt, den Ländern zusätzliche finanzielle Mittel zur Aufnahme, Unterbringung und Versorgung und Integration der Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen und sie von bestehenden Kosten zu entlasten. Ziel muss sein, die Asylbewerberinnen und Asylbewerber in die sozialen Sicherungssysteme des SGB II und SGB XII sowie in die gesetzliche Krankenversicherung nach SGB V zu integrieren. Dies entlastet die Kommunen und stärkt die Integration der Flüchtlinge in unsere Gesellschaft. Darüber hinaus muss das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit ausreichend Stellen ausgestattet werden, um die Wartezeiten bei der Asylantragsstellung zu verkürzen.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
  1. das auf dem Flüchtlingsgipfel vereinbarte Maßnahmenpaket zügig umzusetzen,
  2. ihm in regelmäßigen Abständen über den jeweiligen Umsetzungsstand zu berichten,
  3. die Bundesregierung aufzufordern, die rechtlichen Rahmenbedingungen für einen schnelleren Zugang zu Ausbildung, Hochschule und Arbeit zu schaffen.