Wiederzulassung großer gewerblicher Stallanlagen im Außenbereich: Was droht dem ländlichen Raum durch den Roll-back der Landesregierung?

Kleine Anfrage von Horst Becker und Norwich Rüße

Portrait Norwich Rüße

Laut Koalitionsvertrag ist es Ziel der Landesregierung, „dass die Landwirtschaft von selbständigen bäuerlichen Familienunternehmen geprägt wird“. Gleichzeitig plant die Landesregierung über eine Änderung im Landesentwicklungsplan (LEP) industrielle Stallanlagen wieder im Außenbereich zuzulassen. Die geplante Regelung entspricht de facto einer Rückkehr auf die Regelung, wie sie vor Inkrafttreten des aktuell gültigen LEP bereits bestand.
Konkret geht es dabei um Tierhaltungsanlagen die nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiert sind. Gewerbliche Tierhaltungen werden flächenungebunden betrieben und sind daher von der regionalen Landwirtschaft meist entkoppelt. So werden sowohl die eingesetzten Futtermittel als auch die zu entsorgenden Gülleabfälle häufig über weite Wege zu und von den Anlagen transportiert.
Die bisherigen Regelungen bedeuten keineswegs ein generelles Verbot von Tierhaltungsanlagen im Außenbereich, sondern schließen ganz bewusst nur die flächenunabhängige Form der Nutztierhaltung im Außenbereich aus. So sind landwirtschaftliche Tierhaltungsanlagen gemäß § 201 BGB und § 35 BauGB zulässig. Auch der aktuelle LEP NRW schränkt diese Zulassung nicht ein und stärkt somit die landwirtschaftliche Tierhaltung gegenüber der gewerblichen Nutztierhaltung.
Auch der Bestandsschutz bestehender Anlagen wird von der aktuellen Regelung nicht tangiert. Bauliche Maßnahmen, die dem Umwelt- und Tierschutz (z. B. beim Einbau von Luftfiltern oder der Vergrößerung der Einstallflächen pro Tier) dienen und einen Weiterbetrieb ermöglichen, können weiterhin durchgeführt werden.
Vor diesem Hintergrund ist der Zweck einer generellen Zulassung von gewerblichen Tierhaltungsanlagen im Außenbereich nicht nachvollziehbar. Zumal mit dieser Erleichterung eine Form der Tierhaltung unterstützt wird, die ein Großteil der Gesellschaft ablehnt. Unter den Haltungsbedingungen leiden in erster Linie die Tiere, eine übermäßige Anzahl solcher großer Stallanlagen ist aber auch Ursache zahlreicher Umweltprobleme.
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

  1. Wie viele Anträge auf Zulassung von nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegierten Tierhaltungsanlagen wurden im Zeitraum 2000 bis 2017 gestellt? Bitte getrennt nach Kreisen/kreisfreien Städten angeben.
  2. Wie viele dieser Anträge wurden bewilligt? Bitte getrennt nach Kreisen/kreisfreien Städten angeben.
  3. Wie viele dieser Anträge wurden von landwirtschaftlichen Einzelunternehmen mit Unternehmenssitz in NRW gestellt?
  4. Welche positiven Auswirkungen erwartet die Landesregierung von der geplanten Änderung im Landesentwicklungsplan bezüglich nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegierten Tierhaltungsanlagen auf die „selbständigen bäuerlichen Familienunternehmen“?