Wiedergutmachung schwuler Justizopfer unzureichend

Kleine Anfrage von Josefine Paul und Stefan Engstfeld

Wie der Justizminister am 16.01.2019 im Rechtsauschuss des Landtages und auch die Presse (Neuen Westfälischen) berichtete, haben bisher lediglich 20 Männer in Nordrhein Westfalen einen Antrag auf Entschädigung zur Rehabilitierung ihrer Verurteilung nach dem § 175 StGB in der Bundesrepublik Deutschland gestellt.
Vor dem Hintergrund, dass die bundesdeutsche Justiz etwa 50.000 Männer wegen gleichgeschlechtlicher „Unzucht“ verurteilte, erscheint diese Zahl sehr gering.
Ein Grund für die niedrigen Zahlen kann darin begründet liegen, dass die meisten dieser Verurteilungen in den Zeitraum vor der Sexualstrafrechtsreform von 1969 fielen, durch die die sog. „einfache Homosexualität“, also einvernehmliche Sexualkontakte zwischen Männern über 21 Jahren, entkriminalisiert wurde. Für viele der Betroffenen kommt die Rehabilitierung daher zu spät.
Trotzdem blieb der § 175 StGB noch bis 1994 im Strafgesetzbuch verankert. Eine grundsätz- liche Entkriminalisierung von Homosexualität erfolgte in Deutschland erst durch die endgültige Streichung des § 175 StGB im Jahre 1994.
Vor diesem Hintergrund ist anzunehmen, dass auch viele der noch lebenden Betroffenen bis heute unter den Folgen von staatlicher Verfolgung und gesellschaftlicher Stigmatisierung leiden. Diese Erfahrung wirkt auch heute noch fort. Auch Jahre nach dem Ende der gesetzlichen Verfolgung männlicher Homosexualität, fällt es vielen damals Verfolgten und Verurteilten schwer, ihren Anspruch auf Entschädigung geltend zu machen.
Bislang wurden nur die Fälle verurteilter Männer entschädigt. Allerdings haben Selbsthilfeorganisationen immer wieder darauf hingewiesen, dass der bloße „Verdacht“ ein sog. „175ziger“ zu sein, ausreichte, um eine bürgerliche Existenz zu zerstören. Daher ist es ein richtiger Schritt, dass Bundesjustizministerin Barley angekündigt hat, künftig auch diejenigen zu berücksichtigen, die zwar nicht verurteilt wurden, aber in Untersuchungshaft gesessen haben.
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:
1.       Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung hinsichtlich der Anzahl der Männer, die in Nordrhein-Westfalen nach 1946 nach dem § 175 StGB verfolgt wurden, vor?
2.       Wie erklärt sich die Landesregierung die bislang sehr geringen Anträge auf Entschädigung nach dem „Gesetz zur strafrechtlichen Rehabilitierung der nach dem 8. Mai 1945 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilten Personen“ (StrReha-HomG)?
3.       Welche Maßnahmen hat die Landesregierung ergriffen, um Betroffene über ihren Anspruch auf Entschädigung zu informieren?
4.       Inwieweit unterstützt die Landesregierung Betroffene bzw. Selbsthilfeorganisationen bei der Geltendmachung der Entschädigungsansprüche?
5.       Plant die Landesregierung eine wissenschaftliche Aufarbeitung der strafrechtlichen Verfolgung und gesellschaftlichen Stigmatisierung von Lesben, Schwulen und Trans*personen in NRW nach 1946, wie dies beispielsweise durch das Land Hessen initiiert wurde?