Wie plant die Landesregierung, Mischwasserentlastungen in Nordrhein-Westfalen zu reduzieren?

Kleine Anfrage von Norwich Rüße

Portrait Norwich Rüße

Bei der Abwasserableitung wird zwischen zwei Entwässerungssystemen unterschieden: Bei dem Trennsystem werden Schmutz- und Niederschlagswasser in getrennten Kanälen abgeführt. Das Mischsystem leitet Schmutz- und Niederschlagswasser gemeinsam in einem Kanal, der zur Kläranlage fließt. In Nordrhein-Westfalen macht das Mischsystem mit 64 % den Großteil des Kanalisationsnetzes aus (https://www.lanuv.nrw.de/fileadmin/lanuv/wasser/abwasser/lagebericht/pdf/2018/EStAb2018_Kapitel4_Abwasse rableitung.pdf, S. 50.).

Wenn die Kanalisation bei Starkregenereignissen an die Grenzen ihrer Aufnahmefähigkeit gelangt, wird im Mischsystem das Wasser zunächst in Regenüberlaufbecken und Stauraumkanälen aufgefangen. Reicht das Speichervolumen dieser Becken jedoch nicht aus, wird das überschüssige Schmutzwasser, mit Niederschlagswasser vermischt, ungeklärt in Gewässer abgeleitet. Diese sogenannte Mischwasserentlastung“ ist gesetzlich erlaubt.

Regenüberlaufbecken und Stauraumkanäle eines Kanalisationsnetzes müssen mit kontinuierlich aufzeichnenden Wasserstandsmessgeräten ausgestattet sein (§ 3 Satz 1 Selbstüberwachungsverordnung Abwasser [SüwVO Abw]). Durch geeignete Auswertungen der Füllstände und Benutzungszeiten sind Überlaufmengen, -dauer und -häufigkeit und bei Bedarf die zur Abwasserbehandlungsanlage weitergeleiteten Abwassermengen zu ermitteln (§ 3 Satz 2 SüwVO Abw). Zur Umsetzung der Selbstüberwachungsverordnung Abwasser lassen sich die Oberen Wasserbehörden von den Betreibern jährlich zum Abschlagverhalten der Regenüberlaufbecken und Stauraumkanäle berichten (http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-3055.pdf).

Durch die Einleitung des ungefilterten Abwassers werden die Gewässer, in die eingeleitet wird, erheblich belastet. Die Praxis gefährdet so auch die Zielvorgabe der Wasserrahmenrichtlinie, wonach sich bis zum Jahr 2027 alle Gewässer in der Europäischen Union in einem gutem ökologischen und chemischen Zustand befinden sollen.

Ansatzpunkte zur Reduktion des Problems sind unter anderem eine Vergrößerung der Speicherkapazität vorhandener Regenentlastungsbauwerke oder der Neubau solcher Bauwerke sowie eine Reduzierung der Flächenversiegelung, um die Niederschlagswasseraufnahmekapazität in den Städten zu erhöhen und den natürlichen Wasserkreislauf zu fördern.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

  1. Wie beurteilt die Landesregierung das Abschlagsverhalten in NRW in den letzten drei Jahren? (Antwort bitte unter Angabe der Datengrundlage für die Beurteilung, d.h. Anzahl der Fälle von Mischwasserentlastungen pro Jahr und pro Kreis bzw. kreisfreier Stadt, jeweils eingeleitete Menge ungeklärten Mischwassers und Zielgewässer, in das eingeleitet wurde)
  2. Wie werden die Auswirkungen von Mischwasserentlastungen auf die Gewässer, in die eingeleitet wird, untersucht? (Antwort bitte aufschlüsseln nach Kreisen und kreisfreien Städten)
  3. In wie vielen Fällen sind in den letzten drei Jahren infolge von Mischwasserentlastungen Schäden an den Gewässern entstanden? (Antwort bitte aufschlüsseln nach Kreisen und kreisfreien Städten)
  4. Inwieweit geben die wasserwirtschaftlichen Folgen der Starkregenereignisse im Juli 2021 der Landesregierung Anlass zu einer Neubewertung des Managements von Mischwasserentlastungen über die Gewässer?
  5. Welche Schlussfolgerungen zieht die Landesregierung aus den Starkregenereignissen im Juli 2021 für die Notwendigkeit einer systematischen Analyse bestehender Entlastungsbauwerke im Hinblick auf ihre Eignung im Sinne einer den veränderten Anforderungen angemessenen Kapazität, Regenwasser aufzufangen?