Wie gut wurde das Landgestüt Warendorf tatsächlich geführt?

Kleine Anfrage von Norwich Rüße

Portrait Norwich Rüße

Das Landgestüt Warendorf ist mit seiner fast 200-jährigen Geschichte der Pferdezucht sowohl für die Region als auch für das gesamte Bundesland von besonderer Bedeutung. Jahr für Jahr begeistern Veranstaltungen wie die Warendorfer Hengstparaden und die Symphonie der Hengste zahlreiche Zuschauerinnen und Zuschauer. Als Institution des Landes hat das Landgestüt aber auch eine Vorbildfunktion zu erfüllen vor allem im Hinblick auf eine in besonderem Maße pferdegerechte Ausbildung der Pferde. Diesem hohen Anspruch muss neben den Angestellten insbesondere die Gestütsleitung als Repräsentantin der Institution gerecht werden. Nur so kann auch der gute Ruf, den das Landgestüt Warendorf über die Jahre stets genoss, bewahrt werden und die wichtige Arbeit des Landgestüts auch in Zukunft produktiv fortgeführt werden.

Im Mai 2021 wurde öffentlich, dass zwei Hengste des Landgestüts Warendorf unter Anleitung der damaligen Gestütsleiterin in einer Art und Weise trainiert wurden, die von einer vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (MULNV NRW) eingesetzten Expertenkommission als nicht pferdegerecht und nicht mit den Leitlinien zum Tierschutz im Pferdesport vereinbar eingestuft wurde und noch ordnungsrechtliche Konsequenzen haben könnte. Daraufhin bat die Gestütsleiterin am 19. Mai um Versetzung. In einer Pressemitteilung vom selben Tag dankte die zuständige Ministerin der Gestütsleiterin für ihren engagierten Einsatz für das Landgestüt und führte aus, sie habe die Leitung des Landgestüts im März 2018 in einer sehr schwierigen Phase übernommen und in dieser Zeit die Qualität des Hengstbestandes deutlich gesteigert sowie die Verwaltung des Landgestüts erfolgreich modernisiert.1

Diese Darstellung erscheint besonders angesichts von im Fachmagazin Züchterforumveröffentlichten Rechercheergebnissen2 zweifelhaft. Danach übernahm die Gestütsleiterin das Landgestüt keineswegs in einer Krisensituation. Unter der im Februar 2016 eingesetzten kommissarischen Leitung des Landgestütes seien die Bedeckungszahlen des Landgestüts signifikant gestiegen. Diese positive Entwicklung habe sich erst in ihr Gegenteil verkehrt, nachdem die neue Leiterin im Herbst 2018 eine Zusammenarbeit mit dem dänischen Unternehmen H. D. angekündigt habe. In einer Mitteilung auf der Homepage des Landgestüts vom 31. Oktober 2018 hieß es damals, es sei eine großartige Möglichkeit für das Landgestüt, hochwertige Pachthengste von H. D. anbieten zu können und man werde zukünftig auch bei dem Sporteinsatz ausgewählter herausragender Spitzenhengste des NRW Landgestüts von H. D. unterstützt.3 Der Eigentümer des Unternehmens, A. H., hatte bereits zu diesem Zeitpunkt mehrfach wegen nicht pferdegerechten Reitens in der Kritik gestanden.4 Die Landesregierung nahm in der Vorlage 17/5417 zu der geplanten Kooperation Stellung, verwies dabei jedoch nur auf einen Fall aus dem Jahr 2014 und zudem unter der Überschrift „Anpachtung von Hengsten“.5 Nach dem Wortlaut der Mitteilung des Landgestüts von Oktober 2018 sollte das dänische Unternehmen aber auch bei dem Sporteinsatz von Pferden unterstützen. Zudem verwundert die Aussage in der Vorlage des MULNV, in der Vergangenheit seien Überlegungen seitens des Landgestüts zu einer Kooperation mit H. D. verworfen worden, nachdem dieser Hengsthalter mit Vorwürfen tierschutzwidrigen Trainings konfrontiert worden sei.6 Die Vorwürfe wurden 2014 und 2015 erhoben und die Kooperation 2018 angekündigt, also nach deren Bekanntwerden und somit im Wissen um die Vorwürfe gegen jenen Hengsthalter.

Der Veröffentlichung im „Züchterforum“ zufolge hätten sich zudem einige der unter der neuen Gestütsleiterin erworbenen Hengste als dauerhaft unbrauchbar oder unrittig erwiesen. Auch bei der Führung von und dem Umgang mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Auszubildenden habe die neue Gestütsleiterin eine unglückliche Hand bewiesen. In einer internen Notiz habe sie im September 2020 vermerkt, dass sie weite Teile der Belegschaft für unfähig, unwillig und ihr gegenüber illoyal halte. Bezeichnend sei zudem ein Disziplinarverfahren, das die Gestütsleiterin im Februar 2021 gegen einen langjährigen Beamten anstrengte, weil dieser angeblich 40 Euro aus einem Samentransfer im Jahr 2019 unterschlagen habe. Nicht genug, dass ein Beleg für die ordnungsgemäße Überweisung einer Züchterin an das Landgestüt über die in Rede stehende Summe letztendlich in den Akten gefunden worden sei, auch der Umgang mit der vermeintlichen Zeugin für die Unterschlagung, der Züchterin, sei irritierend. Da sich die Züchterin an die Details der Zahlungsabwicklung für die Besamung nicht mehr habe erinnern können, habe sie es abgelehnt, gegenüber dem Landgestüt schriftlich zu bestätigen, dass sie die 40 Euro bar an den beschuldigten Beamten gezahlte habe. Ohne ihr Wissen habe das Landgestüt sie daraufhin zur Zeugin für die angebliche Unterschlagung gemacht. Als die Züchterin dies realisiert und sich schriftlich bei der Gestütsleiterin über das Vorgehen des Landgestüts beschwert habe, habe diese in ihrem Antwortschreiben unangemessen reagiert. Zudem hätten sich auf dem via E-Mail versandten Antwortschreiben Anmerkungen und Kommentare einer kooperierenden Hengststation zu dem Vorfall befunden und die Leiterin des Landgestüts Warendorf habe für den Versand der E-Mail auch die E-Mail-Adresse dieser Hengststation genutzt.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

  1. Wie entwickelte sich der Pferdebestand des Landgestüts Warendorf seit 2015? (Antwort bitte unter Nennung der Ankäufe und Verkäufe von Pferden seit 2015 aufgeschlüsselt nach Jahr und unter Nennung des eingenommenen Verkaufspreises bzw. des ausgegebenen Kaufpreises und unter Nennung der jährlichen Bedeckungszahlen der einzelnen Hengste)
  2. Wie bewertet die Landesregierung die 2018 öffentlich gewordenen Pläne der damaligen Gestütsleiterin für eine Kooperation des Landgestüts Warendorf mit H. D. (auch bei dem Sporteinsatz ausgewählter herausragender Spitzenhengste des NRW Landgestüts) vor dem Hintergrund, dass der Inhaber des Unternehmens H. D. bereits mehrfach, in den Jahren 2014 und 2015, wegen nicht pferdegerechten Reitens auffiel?
  3. Wie bewertet die Landesregierung vor dem Hintergrund der im Text wiedergegebenen Rechercheergebnisse den Umgang der Gestütsleiterin mit der Belegschaft des Landgestüts? (Antwort bitte begründen und dabei insbesondere auch auf das Vorgehen der Gestütsleiterin bezüglich der angeblichen Unterschlagung von 40 Euro durch einen Beamten im Landgestüt, den im Text beschriebenen internen Vermerk von September 2020 und gegebenenfalls weitere aktenkundige oder dem MULNV anderweitig bekannt gewordene Vorgänge betreffend die Personalführung der Gestütsleiterin eingehen)
  4. Wie bewertet die Landesregierung das Vorgehen der Gestütsleiterin im Umgang mit der Züchterin, der „Zeugin“ für die im Text beschriebene angebliche Unterschlagung? (Bitte auf alle im Text beschriebenen Details eingehen, d.h. die erklärungslose Aufforderung der Gestütsverwaltung an die Züchterin zur schriftlichen Bestätigung über die Barzahlung der 40 Euro, die Behandlung der Züchterin als „Zeugin“ für die Unterschlagung ohne deren Wissen, das Antwortschreiben der Gestütsleiterin auf die Beschwerde der Züchterin, die Anmerkungen und Kommentare einer kooperierenden Hengststation zu dem Vorfall auf dem Antwortschreiben an die Züchterin und die Verwendung der E-Mail-Adresse der kooperierenden Hengststation)
  5. Angesichts der im Text wiedergegebenen, im Fachmagazin „Züchterforum“ veröffentlichten Rechercheergebnisse zu den „Leistungen“ der Leiterin des Landgestüts Warendorf, hält die Landesregierung an der in der Presseerklärung vom 19. Mai 2021 zum Ausdruck gekommenen positiven Bewertung der Arbeit der Gestütsleiterin fest? (Antwort bitte begründen)

 

1 https://www.umwelt.nrw.de/presse/detail/landgestuet-warendorf-wechsel-in-der-gestuetsleitung-1621438293.

2 Hartwig, Thomas: Rücktritt am NRW-Landgestüt. Video-Affäre zieht personelle Konsequenz nach sich. In: Züchterforum, Ausgabe Juni 2021, S. 38-42. Soweit nicht anders in den Fußnoten kenntlich gemacht, ist dieser Artikel die Quelle für die in indirekter Rede wiedergegebenen Rechercheergebnisse.

3 https://www.landgestuet.nrw.de/en/news/news-detail/neue-pachthengste-fuer-das-nrw-landgestuet/.

4 https://www.st-georg.de/news/A.H.-einmal-mehr-in-erklaerungsnot/;
https://www.st-georg.de/news/dressur/daenemark-A.H.-erhaelt-verwarnung/.

5 https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV17-5417.pdf.

6 Ebd.