Wie begründet die Landesregierung Nordrhein-Westfalen, dass sie sich nicht mehr an das 1996 durch den Landtag beschlossene sogenannte 22-Punkte-Programm zum Flughafen Köln/Bonn gebunden fühlt…

Kleine Anfrage von Horst Becker

…und warum will sie in diesem Zusammenhang eine neue Interpretation des Diskontinuitätsbegriffes einführen?
Im Lohmarer Ausschuss für Umwelt- und Klimaschutz am 09.10.2019 berichtete die Vorsitzende der Kommission nach § 32b LuftVG (Fluglärmkommission) über die Sitzungen der Kommission am 04.04.2019 und 09.10.2019.
Im Zusammenhang mit Fragen nach einem Lärmminderungskonzept wurde aus der April- Sitzung berichtet, dass Vertreter des Verkehrsministeriums in der Kommission im Zusammenhang mit dem sogenannten 22-Punkte-Programm des Landtages zum Flughafen Köln/Bonn den Standpunkt vertreten hätten, dass „politische Absichtserklärungen in der Form von Landtagsbeschlüssen“ dem Grundsatz der sog. „Diskontinuität“ unterlägen. Konkret wurde im Protokoll als Aussage des Mitarbeiters aus dem Verkehrsministerium weiter festgehalten: „Hiernach erstrecke sich die Wirksamkeit entsprechender Landtagsbeschlüsse lediglich auf die Dauer der jeweiligen Legislaturperiode. Gelinge es nicht, ein vom Landtag beschlossenes Vorhaben innerhalb der jeweiligen Legislaturperiode umzusetzen, erledige es sich mit Ablauf derselben. In Anbetracht des Grundsatzes der Diskontinuität sei folglich zu berücksichtigen, dass ein aktueller „22-Punkte-Beschluss“ des gegenwärtigen Landtags bzw. der gegenwärtigen Landesregierung nicht existiere.“
Mitglieder der Kommission forderten daraufhin ein, dass die Landesregierung ihre Position schriftlich begründen solle. Daraufhin gab die Landesregierung in der Niederschrift folgende Begründung:
„Der seitens der BVF (Bundesvereinigung gegen Fluglärm, Anmerkung des Fragestellers) zur Begründung des Antrags bzw. Beschlusses angeführte, sog. „22-Punkte-Katalog“ (hier Ziffern 17 und 181)) aus dem Jahr 1996, stellt keine geeignete Rechtsgrundlage dar. Die insoweit vom damaligen Landtag beschlossenen Maßnahmen zur Reduzierung des Fluglärms stellten lediglich politische Absichtserklärungen dar, die bereits zum damaligen Zeitpunkt unter dem Vorbehalt der tatsächlichen und insbesondere rechtlichen Realisierbarkeit standen. Entsprechend des Grundsatzes der sog. „Diskontinuität“ haben sich die Landtagsbeschlüsse zudem mit Ablauf der damaligen Legislaturperiode erledigt. Eine Erneuerung der Beschlüsse durch die gegenwärtige Landesregierung bzw. den gegenwärtigen Landtag existiert nicht.“
Aus Sicht des Fragestellers bedarf es keiner Erneuerung des in Rede stehenden Beschlusses des Landtages zum 22-Punkte-Programm, um weiter davon auszugehen, dass es der Wille des Landtages Nordrhein-Westfalens ist, dem 22-Punkte-Programm zur vollständigen Durchsetzung zu verhelfen. Dies gilt umso mehr, weil seitdem keine diesem Beschluss entgegenstehenden Beschlüsse vom Landtag Nordrhein-Westfalen gefasst worden sind.
Die hier geschilderte Angelegenheit ist nicht nur für Fragestellungen zum Flughafen Köln/Bonn von Wichtigkeit, sondern von grundsätzlicher Bedeutung! Würde sich die (aus Sicht des Fragestellers falsche!) Sichtweise des Vertreters der Landesregierung durchsetzen, würden alle politischen Beschlüsse des Landtages, die nicht unmittelbar zur Umsetzung in einer Wahlperiode des Landtages geführt haben, der Diskontinuität unterliegen. Dies hätte zur Folge, dass der Landtag jeweils zu Beginn einer neuen Wahlperiode solche Beschlüsse erneut fassen müsste, damit sie weiter gelten würden. Die rechtlichen und organisatorischen Konsequenzen wären erheblich.
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:
1.       Hält sich die Landesregierung nicht mehr an den Inhalt des vom Landtag NRW am 11. Juni 1996 beschlossenen 22-Punkte-Programmes für den Flughafen Köln/Bonn gebunden?
2.       Wenn Nein: Wie begründet dies die Landesregierung?
3.       Wenn Ja: Was unternimmt die Landesregierung, damit nicht durch Mitarbeiter des Verkehrsministeriums vor der Fluglärmkommission eine gegenteilige Auffassung vertreten wird?
4.       Teilt die Landesregierung die durch das Verkehrsministerium in der Niederschrift der Fluglärmkommission zu Protokoll gegebene Auffassung „Entsprechend des Grundsatzes der sog. ‚Diskontinuität‘ haben sich die Landtagsbeschlüsse zudem mit Ablauf der damaligen Legislaturperiode erledigt.“?
5.       Falls Ja: Welche Beschlüsse des Landtages aus der 13. Wahlperiode, der 14. Wahlperiode, der 15. Wahlperiode und der 16. Wahlperiode unterliegen gemäß dieser Sichtweise der Landesregierung ebenfalls der Diskontinuität und haben sich damit erledigt?