Wie aussagekräftig ist der Naturschutzbericht Nordrhein-Westfalen?

Kleine Anfrage von Norwich Rüße

Am 1. März 2022 legte das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz den ersten „Naturschutzbericht Nordrhein-Westfalen“1 vor, in dem die Ergebnisse der Analyse des Artenzustands in Bezug auf einzelne Lebensräume präsentiert werden. Diese zeigten ein gemischtes Bild, mit sowohl negativen als auch positive Entwicklungen, wie es in einer Pressemitteilung2 des Ministeriums vom selben Tag heißt. Insbesondere bei dem Indikator „Artenvielfalt und Landschaftsqualität“ setze sich eine positive Entwicklung fort.

Um verlässliche Aussagen über den Zustand der Natur in NRW treffen zu können, ist es unerlässlich, dass alle Schlüsse auf Grundlage einer wissenschaftlich soliden und nachvollziehbare Datenerhebung und -verarbeitung gezogen werden. Der Ursprung der genutzten Daten zur Ermittlung der Bestandsentwicklungen und die Methodik der Datenverarbeitung für den Naturschutzbericht sind jedoch nicht klar nachvollziehbar. Bekannt ist nur, dass der Indikator „Artenvielfalt und Landschaftsqualität“ auf der Bestandsentwicklung von 61 Brutvogelarten beruht. Das erklärt jedoch nicht, auf welcher Datengrundlage die Graphen zu den einzelnen Indikatoren, beispielsweise Abbildung 22,3 erstellt wurden. Auffällig ist, dass fünf Arten ̶ Feldsperling, Schleiereule, Star, Stieglitz und Turmfalke ̶ sowohl in dem Teilindikator für den Lebensraum „Acker- und Grünland“4 als auch für den Lebensraum „Siedlung“5 vertreten sind, was mehr als einem Drittel der Agrararten entspricht.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

  1. Bei den Teilindikatoren für die Lebensräume „Acker- und Grünland“ sowie „Siedlung“ fällt auf, dass fünf Arten (Feldsperling, Schleiereule, Star, Stieglitz, Turmfalke) in beiden Teilindikatoren vertreten sind, was mehr als einem Drittel der Agrararten entspricht. Aus welchen Gründen wurden diese verschiedenen Bereiche hinsichtlich der dortigen Artenentwicklung nicht differenziert dargestellt?
  2. Im Bezug zu Frage 1: Wie kann so sichergestellt werden, dass die positive Entwicklungen im Siedlungsbereich einerseits und die negativen Entwicklungen im Lebensraum „Acker- und Grünland“ andererseits, nicht gegeneinander aufgerechnet werden ?
  3. Wie beurteilt die Landesregierung die Belastbarkeit der Aussage, dass der Indikator „Artenvielfalt und Landschaftsqualität“ im Lebensraum „Acker- und Grünland“ „zuletzt leicht zu[legte]“6? (Antwort bitte begründen)
  4. Wie bewertet die Landesregierung die (wissenschaftliche) Aussagekraft des Naturschutzberichts NRW, insbesondere vor dem Hintergrund einer Einschätzung, dass die im Naturschutzbericht getroffenen Aussagen auf der Bestandsentwicklung von einem 61 Brutvogelarten umfassenden Artenkorb beruhen, der im Gegensatz zum bundesweiten Artenkorb mit „Allerweltsarten“ (z. B. Blässhuhn, Buntspecht, Elster, Gartenrotschwanz, Graugans, Hohltaube, Stieglitz) angereichert wurde, die bei insgesamt positiven Bestandsentwicklungen die Teilindikatoren positiv beeinflussen, obwohl sie nicht unbedingt Indikator für eine ökologische Qualität der Lebensräume sind? (Antwort bitte begründen)

1 https://www.umwelt.nrw.de/fileadmin/redaktion/Broschueren/naturschutzbericht2021_web.pdf.

2 https://www.umwelt.nrw.de/presse/detail/erster-naturschutzbericht-nordrhein-westfalen-vorgelegt-1646122298.

3 Ebd., S. 72.

4 Ebd., S. 72.

5 Ebd., S. 78.

6 https://www.umwelt.nrw.de/fileadmin/redaktion/Broschueren/naturschutzbericht2021_web.pdf, S. 65.