I. Ausgangslage
Seit mehr als 600 Jahren leben Sintizze und Sinti und Romnja und Roma in Deutschland. Heute sind es bis zu 150.000 Menschen allein in Nordrhein-Westfalen, die zu dieser nationalen Minderheit zugerechnet werden. Sie haben die Kultur und Gesellschaft in Deutschland geprägt.
Ihre Geschichte in Deutschland war über Jahrhunderte von Ausgrenzung, Diskriminierung und Vertreibung durch die Mehrheitsgesellschaft geprägt. Unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gipfelte dieser im Porajmos, dem Völkermord an schätzungsweise 500.000 Sinti und Roma. 1982 erfolgte die Anerkennung als Völkermord aus „rassischen Gründen“ unter Bundeskanzler Helmut Schmidt. Im gleichen Jahr erfolgte auch die Gründung des Landesverbandes deutscher Sinti und Roma NRW. Seit 1995 sind Sinti und Roma eine anerkannte nationale Minderheit der Bundesrepublik Deutschland. Ihre Sprache und Kultur sind durch deutsches und europäisches Recht geschützt.
Der Landesverband deutscher Sinti und Roma Nordrhein-Westfalen e.V. leistet einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag für die gleichberechtigte Teilhabe der Sinti und Roma in Politik und Gesellschaft und den Schutz und die Förderung als nationale Minderheit. Er betreibt u. a. eine mehrsprachige soziale Beratungsstelle in Düsseldorf, die bereits seit 1985 finanziell durch das Land gefördert wird. Darüber hinaus ist der Landesverband bei der Integration von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte bzw. Fluchthintergrund, die der Minderheit der Sinti und Roma angehören, eine wichtige Anlaufstelle.
Auch das Aufstellen und Erhalten von Mahnmalen zur Erinnerung an den Völkermord an Sinti und Roma durch die Nationalsozialisten ist eine wichtige Aufgabe des Landesverbandes.
Die bereits seit Jahrzehnten geleistete finanzielle Unterstützung des Landes für die Aufgabenwahrnehmung durch den Landesverband stellt einen wichtigen Beitrag zur Unterstützung der Belange der nationalen Minderheit dar. Doch neben diesen bestehenden Förderungen ist auch die zukünftige kulturelle Sicherung durch das Land zu gewährleisten.
Das unermessliche Leid des Porajmos wirkt bis heute fort. Die nachfolgenden Generationen setzen sich intensiv mit dem Schicksal ihrer Eltern, Groß- und Urgroßeltern auseinander. Gleichzeitig ist die historische Aufarbeitung der NS-Verbrechen noch lange nicht abgeschlossen. Die Geschichte der Ausgrenzung setzte sich in den Jahren nach 1945 fort. Trotz der Fortschritte bei der Aufarbeitung, insbesondere durch die Anerkennung des Porajmos, sind antiziganistische Ressentiments nach wie vor verbreitet in unserer Gesellschaft.
In den letzten Jahrzehnten haben die Landesregierungen Nordrhein-Westfalens bedeutende Schritte unternommen, um die Situation der Menschen, die der nationalen Minderheit angehören, zu verbessern. Dazu zählen Programme zur Bildungsförderung, Maßnahmen zur weitergehenden Integration in den Arbeitsmarkt und Initiativen zur Bekämpfung von Diskriminierung, wie zum Beispiel der Aufbau der Meldestelle zu Antiziganismus. Trotz dieser Bemühungen bestehen weiterhin Herausforderungen, namentlich die Sicherstellung von Bildungschancen, der Schutz vor Antiziganismus und die Achtung der ethnischen, kulturellen, sprachlichen und religiösen Identität.
Die Fraktionen von CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP im Landtag Nordrhein-Westfalen erkennen an, dass es einer strukturierten und nachhaltigen Strategie bedarf, um diese Herausforderungen effektiv anzugehen. Eine Rahmenvereinbarung mit dem Landesverband deutscher Sinti und Roma Nordrhein-Westfalen e.V., ähnlich den Vereinbarungen in anderen Bundesländern wie Brandenburg, Bremen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland, bietet die Möglichkeit, bestehende Initiativen zu bündeln, und erneuert das Bestreben, durch koordinierte Anstrengungen die soziale, kulturelle und wirtschaftliche Integration der Minderheit der Sinti und Roma in unserer Gesellschaft weiter voranzutreiben und zu stärken. Diese Vereinbarung sollte auf den Prinzipien des gegenseitigen Respekts und der Anerkennung basieren und spezifische Ziele zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Angehörigen der nationalen Minderheit definieren.
Dabei soll die Rahmenvereinbarung den spezifischen Bedürfnissen und Herausforderungen des Landes Nordrhein-Westfalen als auch der Minderheit der Sinti und Roma in Nordrhein-Westfalen gerecht werden und auf bestehenden Schutzstandards wie dem Rahmenübereinkommen des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten und der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen aufbauen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Einbeziehung der Angehörigen der nationalen Minderheit in den Prozess der Umsetzung der Vereinbarung. Ihre Stimmen und Perspektiven sind unerlässlich, um sicherzustellen, dass die getroffenen Maßnahmen effektiv und zielführend sind.
Die Schaffung einer Rahmenvereinbarung mit dem Landesverband deutscher Sinti und Roma NRW ist ein wichtiger Schritt zur Förderung von Vielfalt, Teilhabe und Gleichberechtigung in Nordrhein-Westfalen. Sie bietet die Gelegenheit, die bestehenden Bemühungen zu konsolidieren und neue Ansätze für eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe zu entwickeln. Die Vereinbarung soll anschlussfähig für weitere Verbände in der Zukunft sein.
II. Beschlussfassung:
Der Landtag stellt fest:
Die bestehende enge Zusammenarbeit zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und dem Landesverband deutscher Sinti und Roma Nordrhein-Westfalen e.V. soll 40 Jahre nach Gründung des Verbandes weiter gestärkt werden. Als nationale Minderheit ist die Sicherung der Zukunft der Kultur, der Sprache und der Geschichte der Sinti und Roma sowie der Abbau von Diskriminierung gegen sie in Nordrhein-Westfalen eine Aufgabe, die auch zukünftig der dauerhaften Förderung durch das Land bedarf. Dazu gehört die Stärkung und Förderung der gesellschaftlichen Teilhabe ebenso wie die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Antiziganismus in Deutschland. Bei der Förderung der Aktivitäten des Landesverbands gilt es insbesondere Planungssicherheit über Einzelförderungen hinaus zu geben. Gleichzeitig ist der Erhalt von Gedenkorten abzusichern. Zudem ist es wichtig, die Vermittlung von Wissen über die Geschichte und Gegenwart der Minderheit der Sinti und Roma in der schulischen und außerschulischen Bildung zu stärken. Entscheidend sind auch gleichberechtigte Bildungs- und Berufschancen für Menschen, die der Minderheit der Sinti und Roma angehören. Die Einbeziehung des Landesverbandes in sie betreffende Angelegenheiten ist durch geeignete Beteiligungs- und Anhörungsformate sicherzustellen.