Welche Rolle spielen Arbeitsschutz und Fürsorgepflicht für die Landesregierung?

Kleine Anfrage von Sigrid Beer

Das Tragen einer Atemschutzmaske ist eine einfache und wirksame Maßnahme, um den Infektionsschutz zu erhöhen, vor allem da, wo Abstände nicht eingehalten werden können. Deshalb galt in vielen Bereichen eine Maskenpflicht. Das neue Infektionsschutzgesetz beendet in vielen Bereichen eine Maskenpflicht. Das wurde angesichts von hohen Inzidenzen und den Belastungen im medizinischen Bereich als verfrüht kritisiert. Das Land NRW hatte entschieden, die Übergangsfrist zu nutzen, und die Maskenpflicht bis zum 2.4.2022 zu verlängern. Die Schulen wurden mit der Schulmail vom 18.03.2022 darüber informiert. Darin heißt es:

„Bis Samstag, 2. April 2022, wird also § 2 der Coronabetreuungsverordnung eine Pflicht zum Tragen einer Maske in allen Innenräumen der Schule vorsehen. Danach endet diese Pflicht. Insbesondere für die letzte Woche vor den Osterferien bleibt es dennoch jeder Schülerin und jedem Schüler sowie allen in Schule tätigen Personen unbenommen, in den Schulgebäuden freiwillig eine Maske zu tragen. Diese Freiwilligkeit bedingt jedoch, dass es für die Schulen weder eine infektionsschutzrechtliche noch eine schulrechtliche Handhabe gegenüber einzelnen Mitgliedern der Schulgemeinde gibt, verbindlich das Tragen einer Maske durchzusetzen.“

Die Landesregierung hat es abgelehnt, ihre rechtlichen Möglichkeiten für die Verlängerung der Maskenpflicht über eine Hot-Spot-Erklärung i.S. des Infektionsschutzgesetzes zu nutzen. Das bedeutet aber nicht, dass die Schulministerin nicht verpflichtet ist, den Arbeits- und Gesundheitsschutz gegenüber ihren Beschäftigten zu gewährleisten.

Die GEW NRW hat in einer Information darauf hingewiesen, dass ihrer Ansicht nach die Verantwortung für den Arbeitsschutz in der Hand der Schulleitung liegt. Das könne auch die Maskenpflicht in der einzelnen Schule zur Folge haben.

Die neue Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV vom 17.03.2022) ist in Kraft und gilt bis einschließlich dem 25. Mai 2022. Der Arbeitgeber – hier Dienstherr – ist verpflichtet vor Ort in einer Gefährdungsbeurteilung (§ 4 und 5 ArbSchG) zu prüfen und festzulegen, welche Basisschutzmaßnahmen für den Infektionsschutz notwendig sind:

„§ 2 Basisschutzmaßnahmen zum betrieblichen Infektionsschutz

(1) Auf der Grundlage der Gefährdungsbeurteilung nach den §§ 5 und 6 des Arbeitsschutzgesetzes hat der Arbeitgeber in einem betrieblichen Hygienekonzept die weiterhin noch erforderlichen Maßnahmen zum betrieblichen Infektionsschutz festzulegen und umzusetzen. Die festzulegenden Maßnahmen sind auch in den Pausenbereichen und während der Pausenzeiten umzusetzen.“

Das notwendige betriebliche Hygienekonzept und die Umsetzung bzw. Einhaltung der AHA-L-Regel insgesamt basiert auf den Ergebnissen einer Gefährdungsbeurteilung: z.B. wo und wann in Innenräumen (auch in Pausenbereichen und während der Pausenzeiten) ein Abstand von 1,5 m mindestens einzuhalten ist, welche Hygienemaßnahmen nötig sind und wie das betriebliche Hygienekonzept in Gänze aufzustellen oder fortzuführen ist.

Für die Schulen bedeutet dies nach § 59 Abs. 8 SchulG, dass der/die Schulleiter/in verpflichtet ist, dies Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Darauf verweist auch das MSB:

„Verantwortung vor Ort

Die Schulleiterinnen und Schulleiter tragen die Verantwortung für den Arbeits- und Gesundheitsschutz der Lehrerinnen und Lehrer gemäß § 59 Abs. 8 SchulG. Sie sind insbesondere dafür verantwortlich, die Gefährdungspotenziale der Arbeitsplätze zu ermitteln (Gefährdungsbeurteilung), die Gefahrenbeseitigung zu veranlassen und diese Tätigkeiten auch zu dokumentieren.“ (https://www.schulministerium.nrw/arbeits-und-gesundheitsschutz)

Neben dem Schulleiter sind weitere Gremien zur Mitwirkung am Gesundheitsschutz aufgerufen und berechtigt. So führt die GEW weiter aus:

„Auf der Grundlage von § 69 Abs. 4 SchulG i.V. m. § 64 Nr. 4 LPVG hat der Lehrerrat auf die Verhütung von Unfall- und Gesundheitsgefahren zu achten. Im Hinblick darauf, dass inzwischen auch eine Corona-Infektion als Dienstunfall anerkannt werden kann, ist diese Pflicht bei der derzeitigen Corona-Pandemie-Lage eingetreten.

Auf der Grundlage der jeweiligen Situation vor Ort ist zu prüfen, ob z.B. auch eine Gefährdungsbeurteilung gem. § 72 Abs. 4 Nr. 7 LPVG initiativ beantragt wird (wenn die Schulleitung es auf Anforderung nicht umsetzen will).

Auf der Grundlage der Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung können dann weitere Maßnahmen beantragt werden; so auch eine Maskenpflicht in der Schule oder zumindest in der Klasse. Zwar ist die Maskenpflicht nicht mehr vorgeschrieben, sie ist aber nicht ausgeschlossen. Wenn der Arbeitgeber zu dem Ergebnis kommt, dass nur das Tragen von Masken dem Infektionsschutz in ausreichendem Maß dient, so kann er sie – im Fall der Schule der Schulleiter/die Schulleiterin – in Absprache mit dem Lehrerrat anordnen.

Personalräte haben ebenfalls die Verpflichtung der Überwachung des Gesundheitsschutzes und können Gefährdungsbeurteilungen beantragen sowie auf Beschwerden der Beschäftigten eingehen.

Beschäftigte können sich gegenüber dem Lehrerrat bzw. dem Personalrat beschweren. Sie können eine Gefährdungsanzeige an die Schulleitung senden, in der deutlich gemacht wird, welche gesundheitlichen Gefahren vorliegen und die Fürsorgepflicht des Dienstherrn einfordern.“

Nach § 4 Arbeitsschutzgesetz ist der Dienstherr verpflichtet, „die Arbeit so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst geringgehalten wird“. Außerdem ist die Fürsorgepflicht auch nach § 45 BeamtStG gegeben und der Arbeits- und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer und die Schulgesundheit in § 54 (1) Schulgesetz geregelt.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

  1. Warum hat die Landesregierung in ihrer Schulmail vom 18.03.2022 die Schulen nicht über die neue Corona-Arbeitsschutzverordnung vom 17.03.2022 und darin angelegten Möglichkeiten und Handlungserfordernisse informiert?
  2. Warum hat die Landesregierung in der Schulmail behauptet, dass es weder eine infektionsschutzrechtliche noch eine schulrechtliche Handhabe gäbe, eine Maskenpflicht durchzusetzen, aber die arbeitsschutzrechtlichen Möglichkeiten ausgelassen?
  3. Nach Auskunft des MSW tragen die Schulleiterinnen und Schulleiter die Verantwortung für den Arbeits- und Gesundheitsschutz der Lehrkräfte und sind deshalb verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung vorzunehmen und gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen. In welcher Weise hat die Landesregierung die Schulleitungen über die Änderungen, die sich aus der neuen Corona-Arbeitsschutz-Verordnung ergeben, informiert?
  4. Nach § 45 Beamtenstatusgesetz gibt es eine Fürsorgepflicht des Dienstherrn für die Beamtinnen und Beamten. Auf welche Weise wird die Landesregierung Sorge tragen, dass allen Beamtinnen im Landesdienst und darüber hinaus in gleicher Weise allen Landesbediensteten im Schulbereich die Fürsorgepflicht in gleicher Weise zugutekommt?
  5. Die Schule ist verpflichtender Lern- und damit Arbeitsort für Schülerinnen und Schüler. Warum wird den Schulkonferenzen, das heißt den Mitwirkungsgremien von Lehrkräften, Erziehungsberechtigten sowie Schülerinnen und Schülern auf der Grundlage der angeführten Arbeitsschutzverordnung nicht erlaubt, über die Maskenpflicht zu entscheiden?