Weiß die Landesregierung eigentlich, was Werkstattlehrkräfte machen?

Kleien Anfrage von Sigrid Beer

Die Schulministerin hat auf Antrag von Bündnis 90 / Die Grünen im Schulausschuss einen Bericht mit Datum vom 10. Mai 2019 zur Situation der Werkstattlehrkräfte vorgelegt (Vorlage 17/2048). Der Bericht warf aber mehr Fragen auf, als dass er Antworten gab. Auch auf mündliche Nachfrage im Schulausschuss am 15. Mai sah sich das Ministerium nicht in der Lage, die Widersprüche und offenen Fragen zu klären.
Irritiert hat die Ausführung, dass die Arbeitszeit von Werkstattlehrkräften 41 Wochenstunden beträgt, die sich aus 30 Stunden Unterweisung und 11 Stunden Materialwirtschaft und Werkstattbetreuung zusammensetzt.
Gemäß dem Erlass „Aufgabenbereich der Fachlehrerinnen und Fachlehrer in der Laufbahn der Werkstattlehrerinnen und Werkstattlehrer (§ 36 LVO) an Berufskollegs vom 04.01.1995 BASS 21-02 Nr.1) gehört auch die „Mitwirkung bei der Vorbereitung, Durchführung und Auswertung von projektbezogenem Unterricht“ zu den Aufgaben. Nach dem Rahmenplan der praktisch-pädagogischen Einführung vom 10.04.1987 (BASS 20-11 Nr.3) sollen Werkstattlehrkräfte beispielsweise auch „in der Lage sein, sich über die rechtlichen Grundlagen und Folgen ihres dienstlichen Handels fortlaufend zu informieren und den Rechtsabsichten und –vorschriften entsprechend zu verfahren.“ Im Abschnitt Lerninhalte werden aufgeführt: Planung, Durchführung und Reflexion der fachpraktischen Unterweisung, Schüleranalyse, Theorie-Praxis-Verschränkung u.a.m.
Es stellt sich die Frage, wann das geschehen soll, wenn die Arbeitszeitregelung dafür kein Kontingent vorsieht. Auf Nachfrage im Schulausschuss blieb das Ministerium die Antwort schuldig. Deshalb löste auch die Aussage: „Für Werkstattlehrkräfte entfällt die mit der Unterrichtserteilung verbundene häusliche Vorbereitungs- und Nachbereitungsphase“ Kopfschütteln aus. Die Unterweisungen müssen geplant und reflektiert, Lernzielkontrollen vorbereitet und ausgewertet werden, eine didaktische Jahresplanung und Unterweisungsreihen sowie Arbeits- und Aufgabenblätter müssen erstellt werden.
Der Bericht verweist darauf, dass Werkstattlehrkräfte keine Lehramtsbefähigung im Sinne von § 3 LABG und § 31 LVO haben und deshalb nicht unter die Pflichtstundenregelung fallen. Das ist allerdings nicht nachzuvollziehen. Denn erstens sind auch die technischen Lehrkräfte nicht nach § 3 LABG und § 31 LVO ausgebildet, und trotzdem gilt für sie die Pflichtstundenregelung mit einer Unterrichtsverpflichtung von 25,5 Stunden. Zweitens mag die Unterrichtsvor- und -nachbereitung durch Werkstattlehrkräfte nicht gleichartig mit der durch grundständig ausgebildete Lehrkräfte sein, aber gleich aufwändig sehr wohl.
In der Praxis der Berufskollegs werden Werkstattlehrkräfte über die fachpraktische Unterweisung hinaus auch zur Vermittlung der theoretischen Grundlagen eingesetzt. Hierzu lagen dem Ministerium keine Erkenntnisse vor. Im Anschluss an die Beratung im Schulausschuss hat das Ministerium die Bezirksregierungen aufgefordert, bei den Berufskollegs eine Abfrage zu starten, welcher Tätigkeit die Werkstattlehrkräfte in welchem Umfang nachkommen. Der Fragebogen vom 17. Mai 2019 enthält aber zum Erstaunen keine Spalte zum theoretischen Einsatz.
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:
1.         Wann sollen Werkstattlehrkräfte die geforderten Aufgaben der Unterrichtsvor- und Nachbereitung, der Schüleranalyse sowie die Erstellung von Unterrichtsmaterialien erledigen, wenn nach der regulären Arbeitszeitregelung nur Zeiten für Unterweisung selbst sowie für Werkstattbetreuung und Materialwirtschaft vorgesehen sind?
2.         Weshalb gilt für Werkstattlehrkräfte keine Pflichtstundenregelung, für technische Lehrkräfte aber sehr wohl?
3.         Warum erfragt die Landesregierung bei den Berufskollegs nicht den Einsatz von Werkstattlehrkräften in der Vermittlung theoretischer Kenntnisse?
4.         Welche Folgen für die Gültigkeit von Prüfungen hat der Einsatz von Werkstattlehrkräften im theoretischen Bereich?
5.         Welcher Qualifikationszuwachs erwächst aus der praktisch-pädagogischen Einführung, wenn die Werkstattlehrkräfte laut dem Bericht der Landesregierung die gleiche Qualifikation wie Ausbilderinnen und Ausbilder in den Betrieben haben?