Was will uns Minister Stamp mit seiner Neujahrsbotschaft sagen?

Kleine Anfrage von Sigrid Beer und Josefine Paul

Portrait Josefine Paul

Minister Joachim Stamp wird in der Presse mit einer Äußerung zitiert, die er am 19. Januar 2020 auf dem Neujahrsempfang der FDP NRW tat: „Wenn Eltern an der Bildungs- und Erziehungsentwicklung ihrer Kinder nicht ausreichend mitwirken, muss die Schule die Möglichkeit bekommen, Eltern zu einem Gespräch zu verpflichten.” Weiter führte er aus, dass andere Bundesländer solche rechtlichen Möglichkeiten für Schulen hätten.
Der Bericht hat zu Kopfschütteln und massiver Kritik geführt – von Elternverbänden, Gewerkschaften, Schulleitungen und aus der Wissenschaft. Zwangsmaßnahmen seien nicht geeignet, um Eltern zur Kooperation zu gewinnen. Eine Elternvertreterin äußerte sich dem WDR gegenüber am 20.01.2020 (https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/familienminister-stamp-elterngespraech-schulen- 100.html): Um Eltern ins Boot zu holen, müsse es an den Schulen eine offene Gesprächs- und Arbeitsatmosphäre und "einen zugewandten Ton" geben. Vor allem an Grundschulen werde häufig nicht erklärt, wie Eltern mitwirken könnten. Das gelte insbesondere für Migranten. "Sie können oft nicht einmal Deutsch, geschweige denn mitbestimmen." Es fehle an personeller und sächlicher Ausstattung – etwa an Dolmetschern für Migranteneltern.
In NRW gibt es gute Ansätze, in dieser Richtung tätig zu werden. So gibt es schon seit Jahren Elternschulungen und -fortbildungen. Im vergangenen Jahr wurden z.B. in Zusammenarbeit mit dem Elternnetzwerk NRW und Kommunalen Integrationszentren insbesondere Eltern mit Migrationshintergrund zu Moderatorinnen und Moderatoren ausgebildet. Immer mehr Kommunen wertschätzen die Mitwirkung von Eltern und unterstützen die Bildung von Stadtelternräten und bieten beratende Mitwirkung in den Schulausschüssen an. Das Ministerium für Schule und Bildung prüft laut WDR „durch welche Maßnahmen mehr Möglichkeiten des persönlichen Austausches zwischen Lehrkräften und Eltern sichergestellt werden können.“
Minister Stamp, in dessen Zuständigkeit Kinder und Familie ebenso gehören wie Integration, setzt mit seiner Neujahrsbotschaft auf Zwang. Das erinnert an die Irritation, die seine Staatssekretärin Güler mit dem seinerzeitigen Vorstoß eines Kopftuchverbots für Mädchen unter 14 Jahren auslöste. Auch diesmal werden offensichtlich verfassungsrechtliche Aspekte ungeprüft übergangen. Beim Kopftuchverbot wurde seitens der Landesregierung im Nachhinein ein Gutachten hierzu in Auftrag gegeben, das im Januar 2019 vorlag und ein mögliches Verbot als verfassungsrechtlich nicht umsetzbar wertete. Das bewog die Landesregierung schließlich elf Monate später dazu, von dem Vorhaben Abstand zu nehmen.
Wenn der Vorschlag, Eltern mit Zwang zur Kooperation zu bewegen, von Expertinnen und Experten sowohl als nicht zielführend wie als verfassungsrechtlich bedenklich bezeichnet wird, stellt sich die Frage, was Minister Stamp mit seiner Neujahrsbotschaft sagen bzw. erreichen wollte.
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:
1.         Wie beurteilt die Landesregierung den Vorschlag, dass die Schulen die rechtliche Möglichkeit erhalten sollten, Eltern zwangsweise zum Gespräch zu zitieren aus rechtlicher, besonders verfassungsrechtlicher, Sicht?
2.         Welche rechtlichen Maßnahmen gibt es in anderen Bundesländern, Eltern zur Kooperation zu bewegen, die es in NRW nicht gibt?
3.         Wie beurteilt die Landesregierung die Ansätze gemeinsam mit Elternnetzwerk und Kommunalen Integrationszentren die Elternmitwirkung zu erhöhen?
4.         Welche weiteren Möglichkeiten gibt es nach Ansicht des Ministeriums für Schule und Bildung, „um den Austausch zwischen Eltern und Lehrkräften sicherzustellen“?
5.         Welche Beispiele sind der Landesregierung bekannt, wo eine Kooperation durch rechtliche Maßnahmen erzwungen werden kann und wo dies auch zu einer nachhaltigen Kooperation führt?