Waldwirtschaft in NRW nachhaltig gestalten!

Antrag der Fraktion von Bündnis 90/DIE GRÜNEN

Portrait Norwich Rüße

I.         Wettbewerbsrecht und Waldbewirtschaftung in Einklang bringen

In Nordrhein-Westfalen befinden sich 560.000 Hektar und somit rund 63 Prozent der Waldfläche in Privatbesitz von rund 150.000 Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer. Der Landesbetrieb Wald und Holz bietet diesen Personen Beratungs- sowie umfassende Dienstleistungen zur Waldbewirtschaftung an. Dieses Angebot wird derzeit von rund 46.000 privaten und körperschaftlichen Walbesitzerinnen und Waldbesitzer in Anspruch genommen. Viele davon sind in forstwirtschaftlichen Zusammenschlüssen wie beispielsweise Forstbetriebsgemeinschaften (FBG), Forstbetriebsverbänden (FBV) oder Waldwirtschaftsgenossenschaften (WWG) organisiert.
Übergeordnete Ziele der Forstwirtschaft in Nordrhein-Westfalen waren bisher eine langfristige Sicherung der Wald- und Waldrandflächen, der Erhalt und die Entwicklung der biologischen Vielfalt, ein Beitrag zum Klimaschutz, eine Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels, die nachhaltige Produktion von Holz, die Sicherung von Arbeitsplätzen und die Zugänglichkeit für Erlebnis- und Erholungssuchende. Gebündelt nimmt die Einheitsforstverwaltung des Landes die Bewirtschaftung des Staatswaldes, die Betreuung des Privat- und Körperschaftswaldes sowie die hoheitlichen Aufgaben der Forstbehörden wahr. Diese vielfältigen Aufgabenverknüpfungen werden genutzt um die gesellschaftlichen Anforderungen an eine nachhaltige Waldwirtschaft zu erfüllen.
Aktuell stellt ein Verfahren des Bundeskartellamtes diese verlässliche Bewirtschaftung des Privatwaldes durch den Landesbetrieb Wald und Holz NRW in Frage. Das führt derzeit zu großen Unsicherheiten. Auch wenn der Landesbetrieb Wald und Holz weiterhin Betreuungsund Beratungsdienstleistungen anbieten darf, ist fraglich, ob er dies zu den dafür anfallenden Vollkosten (inkl. aller Gemeinkosten und ggf. Pensionskosten) tun kann.
Die politischen Konsequenzen sind im Detail derzeit noch nicht absehbar. Dennoch zeichnet sich bereits jetzt ab, dass sich der Landesbetrieb Wald und Holz in Zukunft schrittweise aus der Betreuung des Privat- und Körperschaftswaldes zurückziehen muss. Dies wird für die Waldentwicklung, die Kleinstwaldbesitzerinnen und Kleinstwaldbesitzer, den Landesbetrieb und somit auch für die Beschäftigten, die als kompetente Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für die Beantragung von Fördermitteln oder die Umsetzung des Vertragsnaturschutzes den Privatwaldbesitzern beratend zur Seite stehen, erhebliche Konsequenzen mit sich bringen.

II.       Naturerbe Wald erhalten

Der Wald bildet mit Grünland und Gewässern das Rückgrat unseres Naturerbes. Darüber hinaus dient er der forstwirtschaftlichen Wertschöpfung als Holz- und Energielieferant, leistet als CO2-Senke einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz und hat für den Gewässer- und Trinkwasserschutz, den Natur- und Artenschutz, zur Förderung der Biodiversität sowie als Lebensraum eine große Bedeutung. Daher ist er es wert, fachgerecht behandelt zu werden.
Das Risiko besteht, dass sobald externen Forstdienstleisterinnen und Forstdienstleister mehr Raum für Betreuungsdienstleistungen eingeräumt wird, der Nachhaltigkeitsgedanke in der Forstwirtschaft und somit die hohen Qualitätsstandards in Natur-, Arten-, Klima- und Bodenschutz gefährdet sind. Es ist zu befürchten, dass bei der Bewirtschaftung privater Waldflächen durch externe Dienstleisterinnen und Dienstleister oftmals nicht die gleichen, hohen Qualitätsstandards angewandt werden, wie durch Wald und Holz NRW. Ökologische Kriterien bleiben hinter ökonomischen zurück, sobald den Besitzerinnen und Besitzer mögliche Erträge der Holznutzung im Verhältnis zum notwendigen Aufwand unattraktiv erscheinen. Dies betrifft beispielsweise die Auswahl der Baumarten bei Wiederaufforstung, den Anteil von Totholz und die Schaffung von Mischwäldern. Auf diese Weise könnten ökologische und gesamtgesellschaftliche Zielsetzungen an Gewicht verlieren.
III.      Waldwirtschaft zukunftsfähig gestalten
Rund 130.000 Personen besitzen in NRW weniger als fünf Hektar Wald. Das macht NordrheinWestfalen im bundesweiten Vergleich zum Kleinprivatwaldland schlechthin. Diese Besitzerinnen und Besitzer sind mit ihrem nachhaltig und regional erzeugten, qualitativ hochwertigen Rohstoff Holz zuverlässige Partnerinnen und Partner der Holzwirtschaft. Die Försterinnen und Förster von Wald und Holz bewirtschaften diese Kleinstwälder im Namen der Eigentümerinnen und Eigentümer und unter Berücksichtigung aller Zielsetzungen der Forstpolitik des Landes.
Für viele dieser Kleinstwaldbesitzerinnen und Kleinstwaldbesitzer ist die Beratung durch Drittanbieterinnen und Drittanbieter keine Alternative, da sich diese aus wirtschaftlicher Sicht oftmals nicht rechnet. In mehr als einem Drittel erfolgen die Planung und Durchführung der Holzmobilisierung alleine durch die Akquise von Wald und Holz NRW. Fällt der Landesbetrieb hier als maßgeblicher Initiator von Waldbesitzerinnen und Waldbesitzern weg, wird dies vermutlich zu einem Rückgang in der Holzmobilisierung aus dem Kleinprivatwald führen. Dies gefährdet die langfristige und zuverlässige Versorgung des Clusters der Holz- und Sägeindustrie mit dem nachhaltigen Rohstoff Holz.
Drittanbieterinnen und Drittbieter von forstlichen Dienstleistungen unterliegen – anders als der Landesbetrieb – wirtschaftlichen Zwängen auf privatwirtschaftlicher Basis. Dies könnte dazu führen, dass Kleinstwälder ungenutzt zurück gelassen werden, da Beratungs- und Pflegeleistung unter diesen Umständen betriebswirtschaftlich unrentabel zu gestalten sind. Als Folge könnten die Besitzerinnen und Besitzer pragmatische und somit eigene wirtschaftliche Wege einschlagen, die nicht immer im Einklang mit den Landeszielen stehen.
Waldbewirtschaftung muss nachhaltig bleiben. Dazu müssen die Hilfen zur Umsetzung einer klimaangepassten zukunftsfähigen Waldwirtschaft im Privatwald auch zukünftig sichergestellt werden. Die Beratungsleistung durch den Landesbetrieb ist zeitaufwendig und sollte nicht allein betriebswirtschaftlich betrachtet werden. Die Sorge ist groß, dass sich längst überholte Formen der Forstwirtschaft wieder etablieren, wenn die Beratung und Anleitung professioneller Fachleute ausbleibt. Dies wäre fatal, da die Gestaltung der Bestände entscheidende Bedeutung für die Stabilität, Wirtschaftlichkeit und ökologische Gestaltung hat.
Die Übernahme der wachsenden Aufgaben der Beratung (zum Beispiel zur Fördermittelvergabe) drohen darüber hinaus die Forstbetriebsgemeinschaften administrativ zu überfordern. Der Einsatz der Gemeinschaft beruht auf ehrenamtlichen Engagement, das es für einen umfassenden Naturschutz im Privatwald zu würdigen und zu unterstützen gilt.
Wald und Holz NRW verfügt über gut ausgebildetes Fachpersonal mit örtlichen Detailkenntnissen, das unerlässlich ist, um die vielfältigen Wälder mit ihren vielen Funktionen weiter entwickeln und schonend Holz bewirtschaften zu können. Gleichwohl bildet der Landesbetrieb Wald und Holz NRW forstliche Nachwuchskräfte aus, die das Naturerbe Wald mit all seinen vielseitigen Facetten zukunftsfähig gestalten können. Dieses Potential gilt es zu nutzen, um die Landesinteressen durch eine an allen Kriterien der Nachhaltigkeit ausgerichtete Forstwirt- schaft zu gestalten.
Die Herausforderung ist folglich, einerseits die vom Bundeskartellamt geforderte, diskriminierungsfreie Förderung des Waldbesitzes zu gewährleisten und andererseits eine zukünftige Holzproduktion sicherzustellen, die klimastabile, artenreiche und strukturierte Wälder aufbaut. Diese Umstellung kann nur gelingen, wenn das Bundeskartellamt den Spielraum für mögliche Lösungen definiert und die Landesregierung in enger Abstimmung mit allen Beteiligten eine verträgliche Lösung innerhalb dieses geschaffenen Rahmes entwickelt. Gleichwohl ist zu klären, welche dem Holzverkauf vorgeschalten Dienstleistungen neben der Beratung vom Landesbetrieb Wald und Holz NRW noch durchgeführt werden dürfen.

IV.     Der Landtag stellt fest:

  • Der Landesbetrieb Wald und Holz NRW leistet durch seine Arbeit einen wertvollen Beitrag zur Schaffung klimastabiler, artenreicher und strukturierter Wälder in NRW. Zusätzlich sorgt er für eine nachhaltige Bewirtschaftung von kleinem und mittlerem Privatwald;
  • Sofern sich der Landesbetrieb aufgrund des Kartellrechtsverfahrens aus der Betreuung des Privat- und Körperschaftswalds zurück ziehen muss, gilt es die Wahrung der Leitlinien zur nachhaltigen Waldbewirtschaftung auch zukünftig sicher zu stellen;
  • Falsche Entscheidungen bezüglich des Landesbetriebs zerstören dauerhaft funktionierende Strukturen und haben enorme ökologische, gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Auswirkungen.

V.       Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

  • einen Dialog mit den unterschiedlichen Akteuren der Forst- und Holzwirtschaft und des Naturschutzes zu führen, um kartellrechtskonforme Lösungen zu finden, die den vielfältigen wirtschaftlichen und ökologischen Bedeutungen des Waldes gerecht werden;
  • den Landesbetrieb Wald und Holz NRW als neutrale Vertrauensinstanz in Beratung, Dienstleistung und Vorbereitung des Holzverkaufes bei der Privatwaldbetreuung zu belassen und mit dem Bundeskartellamt Schnittstellen im Holzverkauf abzustimmen;
  • analog zur Biodiversitätsstrategie eine Waldstrategie zu entwickeln, die einen gesellschaftlichen Grundkonsens zum Umgang mit unserem Wald beschreibt und konkrete Ziele und Maßnahmen entwickelt. Das Leitbild einer produktionsorientierten Waldwirtschaft in allen Besitzarten wird dabei mit allen Beteiligten zu einer nachhaltigen und naturnahen Waldwirtschaft weiterentwickelt;
  • dem Klein- und Kleinstprivatwald in NRW – trotz der Strukturnachteile – Nutzungsperspektiven zu sichern und ein Beratungs- und Dienstleistungsangebot zu angemessenen Konditionen anzubieten;
  • das Personal des Landesbetriebes weiterhin mit der fachgerechten Bewirtschaftung der Wälder im Land NRW zu betreuen und ergänzend vollumfänglich forstliche Nachwuchskräfte auszubilden.