I. Ausgangslage
In Deutschland machen Wärme und Kälte über die Hälfte des gesamten Endenergieverbrauchs aus. In den eigenen vier Wänden ist das Verhältnis sogar noch deutlicher: Hier machen Wärme- und Kälteerzeugung 90 Prozent des Endenergieverbrauchs aus. Der überwiegende Anteil der Wärmeversorgung wird derzeit noch mit fossilen Brennstoffen, insbesondere Gas und Heizöl gedeckt. Klimaneutrale Technologien wie Solarthermie oder oberflächennahe Geothermie und Umweltwärme machen bislang nur einen geringen Anteil aus. In Nordrhein-Westfalen lag der Anteil der Erneuerbaren Energien am Brennstoffeinsatz im Jahr 2020 bei nur 9,6 Prozent.
Die Technologien, die es für die Wärmewende benötigt, sind längst bekannt: Solarthermie, oberflächennahe, mitteltiefe und tiefe Geothermie, Nutzung von Umweltwärme (Luft, Abwasser, Fließgewässer) durch Wärmepumpen sowie weitere situations- und ortsabhängig sinnvoll nutzbare Wärmequellen wie industrielle Abwärme oder Bioenergie gehören zum Repertoire der Wärmewende. Die Transformation zu einer klimaneutralen Wärmeversorgung setzt umfassende Investitionen in diese und eine strategische Steuerung der Wärmewende voraus, die sich an den spezifischen Voraussetzungen vor Ort orientieren müssen.
Zur zielsicheren und effizienten Erreichung einer klimaneutralen Wärmeversorgung braucht es daher – wo immer dies möglich ist – einen Dreischritt aus Verringerung des Wärmebedarfs, etwa durch energetische Sanierung des Gebäudebestandes, einer Nutzung ohnehin vorhandener Wärmequellen wie unvermeidbarer Abwärme, etwa aus der Industrie oder Abwässern, und einer Dekarbonisierung des verbleibenden Wärmebedarfs durch die Umstellung auf erneuerbare Energien. Leit- und Steuerungsgedanken sollten dabei jeweils die CO2-Vermei-dungskosten dieser Optionen sein.
Für die Transformation der Wärmeversorgung braucht es die Kommunen und ihre örtliche Planungskompetenz, das Know-how der kommunalen Energieversorger sowie des lokalen Sanitär- und Heizungshandwerks. Die kommunale Wärmeplanung ist dabei ein zentrales Steuerungsinstrument für ein Gelingen der Wärmewende. Diese komplexe Aufgabe wird bislang erst von wenigen Kommunen in Nordrhein-Westfalen konkret in Angriff genommen.
Zweck der kommunalen Wärmeplanung ist die zielgenaue Planung der Wärmeangebote und -bedarfe auf der lokalen Ebene. Sie leistet einen wesentlichen Beitrag für die Transformation
zu einer kosteneffizienten, versorgungssicheren, nachhaltigen und treibhausgasneutralen Wärmeversorgung bis zum Jahr 2045. Es geht darum, strategisch für die Zukunft festzulegen, mit welchen Wärmequellen die Bürgerinnen und Bürger in ihren Quartieren versorgt werden können und welche Wärmetechnologien im Wettbewerb den wirtschaftlichsten Wärmepreis für die Endkundinnen und Endkunden und die beste Energieeffizienz in der Wärmeversorgung ermöglicht. Auf diese Weise können Investitionen in eine zukunftsfähige Wärmeversorgung koordiniert und quartiersbezogene Sanierungsprojekte zielgerichtet und effizient ausgerichtet werden.
Für Bürgerinnen und Bürger im Wohneigentum bietet eine kommunale Wärmeplanung eine wichtige Hilfe bei der Entscheidung über ihre Wärmeversorgung der Zukunft. Denn die Eigentümerinnen und Eigentümer von Immobilien brauchen Kenntnis über vorhandene und in Zukunft potenziell vorhandene Wärmenetze in ihren Quartieren und zukünftige Infrastrukturpla-nungen ihrer Kommunen, um fundiert entscheiden zu können. Gleichzeitig ist die kommunale Wärmeplanung ein wichtiger Baustein, um eine langfristig bezahlbare und sozialverträgliche Wärmeversorgung für alle Menschen sicherzustellen.
Erst mit einem kommunalen Wärmeplan wird die Gestaltung zukunftsfähiger Energieinfrastrukturen, wie beispielsweise Wärme- und Stromnetze, vor Ort planbar und operationalisierbar. Die Kommune, Energieversorger und Handwerk, aber auch Privatpersonen und Unternehmen können dann Investitionsentscheidungen aus einer umfassenden und abgesicherten Perspektive treffen. Wärmeplanung kann die geeignetsten und wirtschaftlichsten Klimaschutzmaßnahmen sowie den passenden Mix aus Effizienzmaßnahmen und Wärmebereitstellung identifizieren und zugleich verhindern, dass Projekte und Gelder aufgrund einer fehlenden Gesamtstrategie ins Leere laufen. Denn der jeweilige Pfad zur Transformation der Wärmeversorgung hängt stark von den jeweiligen lokalen Voraussetzungen ab und muss deshalb vor Ort in der Kommune entwickelt werden.
Für kleine Kommunen kann es sinnvoll sein, sich mit Nachbargemeinden zusammenzuschließen und einen gemeinsamen Wärmeplan zu erstellen. Eine Koordinierung und Abstimmung mit den Nachbargemeinden scheint dabei unabhängig von der Größenklasse sinnvoll. Die Planung und Realisierung regionaler oder überregionaler (Fern-)Wärmetrassen sowie die Einbindung großer Abwärmequellen ist eine große Herausforderung und kann nicht immer allein von der kommunalen Ebene geleistet werden, sondern sollte von einer übergeordneten Stelle koordiniert, strategisch begleitet und gegebenenfalls finanziell unterstützt werden. Trotz des zu erwartenden partiellen Neu- und Ausbaus von Wärmenetzen kommt dem örtlichen Handwerk eine entscheidende Rolle bei der Wärmewende zu. Denn die energetische Gebäudesanierung inklusive des sukzessiven Austauschs individueller Heizsysteme werden in Zukunft deutlich an Geschwindigkeit zunehmen. Ebenso müssen Hausanschlüsse und Heizungssysteme für mit Wärmenetzen versorgte Häuser installiert werden. Die Sicherung ausreichender Fachkräfte für das Handwerk sowie deren Weiterbildung bleiben daher zentrale Aufgaben, um die Wärmewende rasch voranzubringen. In die Umsetzung der Wärmewende sind die örtlichen Selbstverwaltungsorganisationen des Handwerks einzubinden.
Derzeit befindet sich ein Bundesgesetz zur verpflichtenden Wärmeplanung für Kommunen in Arbeit. Mit diesem Schritt wird die kommunale Wärmeplanung in der Breite ankommen. Schon heute besteht auf Bundesebene ein zeitlich befristetes Förderprogramm für Kommunen, die bereits mit ihrer Wärmeplanung beginnen möchten. Die Zukunftskoalition von CDU und GRÜNEN in Nordrhein-Westfalen will die rechtlichen Voraussetzungen für eine verpflichtende kommunale Wärmeplanung als Planungsinstrument zur langfristigen Gestaltung der Wärmeversorgung auf Landesebene schaffen.
Aktuell fehlt den Kommunen, die bereits vor dem Inkrafttreten der Verpflichtung beginnen wollen, vor allem eine rechtliche Grundlage, um alle erforderlichen Daten erheben zu können.
Zwar stellt das Land mit dem Wärmekataster des LANUV eine sehr gute Datengrundlage zur Verfügung, weitere benötigte Daten beispielsweise von Schornsteinfegerinnen und -fegern dürfen die Kommunen aber aus Gründen des Datenschutzes aktuell nicht erheben und verarbeiten. Es muss also schnellstmöglich eine gesetzliche Grundlage zur Datenerhebung und – verarbeitung geschaffen werden. Dabei sollte möglichst auf vorhandene Daten zurückgegriffen werden, um eine unbürokratische Umsetzung zu gewährleisten.
Damit die entwickelten Strategien erfolgreich sein können, ist es gleichzeitig Aufgabe der Landes- und Bundespolitik, die Rahmenbedingungen weiter zu verbessern. Dazu gehört zum einen eine sozial gerechte Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger beim Heizungstausch und der Gebäudedämmung sowie eine Umsetzung, bei der entstehende Kosten fair zwischen Mieterinnen und Mietern und Vermietenden aufgeteilt werden. Zum anderen ist eine zielgruppen-orientierte und niedrigschwellige Energieberatung für Kommunen und für Privathaushalte von großer Bedeutung.
Mit dem im März 2023 eröffneten Kompetenzzentrum Wärmewende und den weiteren Aktivitäten der NRW.Energy4Climate besteht für die Kommunen bereits ein gutes Beratungsangebot, das nun sukzessive ausgebaut wird. Bürgerinnen und Bürger finden vor allem bei der Verbraucherzentrale NRW Beratung und Unterstützung. Für die Fortsetzung und Aufstockung der Informations- und Beratungsangebote zu Energiethemen bei der Verbraucherzentrale NRW hat die Zukunftskoalition von CDU und GRÜNEN mit dem Haushalt 2023 die Mittel für 2023 und 2024 um 1,6 Millionen Euro jährlich erhöht. Ein Schwerpunkt der Beratung sowohl von Kommunen als auch von Bürgerinnen und Bürgern sollte es auch sein, Wärmeeinsparpotenziale zu identifizieren.
Im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung sollten die benötigten Stromnetzkapazitäten berücksichtigt und eingeplant werden. Bei der operativen Umsetzung der kommunalen Wärmeplanung ist es sinnvoll, die notwendigen Arbeiten an Strom- und Wärmetrassen mit anderen Arbeiten, wie z. B. dem Telekommunikationsnetzen zu kombinieren und Infrastrukturrealisie-rung vor Ort aus einem Guss zu denken.
Für CDU und GRÜNE ist die kommunale Wärmeplanung ein entscheidender Baustein, um die Wärmewende vor Ort zu ermöglichen und damit die Klimaziele des Landes zu erfüllen.
II. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest:
- Die Wärmewende muss vor Ort, mit allen Akteurinnen und Akteuren in den Kommunen, mit einer den örtlichen Gegebenheiten angepassten Lösungsvielfalt gestaltet werden, um den unterschiedlichen lokalen Bedingungen flexibel Rechnung tragen zu können.
- Die Wärmewende muss in den Kommunen gelingen und von diesen fachlich geplant und gestaltet werden. Dabei müssen insbesondere kommunale Stadtwerke, vor Ort tätige Energieversorgungsunternehmen, Netzbetreiber und mögliche Bereitsteller und Nachfrager von Wärme ihre jeweilige Expertise einbringen. Eine wichtige Rolle kommt auch den Selbstverwaltungsorganisationen des Handwerks zu.
- Die Kommunen können bereits heute auf ein breites Unterstützungsangebot durch das neu geschaffene Kompetenzzentrum Wärmewende des Landes zurückgreifen.
- Zum Gelingen der kommunalen Wärmeplanung brauchen die Kommunen weiterhin die Unterstützung des Landes und des Bundes.
Der Landtag beauftragt die Landesregierung aus vorhandenen Mitteln,
- die Überführung der angekündigten bundesgesetzlichen Regelung zur kommunalen Wärmeplanung in Landesrecht weiterhin konsequent vorzubereiten und sobald die bundesgesetzlichen Regelungen vorliegen, diese schnellstmöglich unter Wahrung des Kon-nexitätsprinzips umzusetzen. Dabei braucht es verbindliche Standards und Vorgehensweisen bei der Wärmeplanung, sodass die Wärmepläne zwischen den Kommunen vergleichbar sind.
- die Kommunen zur Durchführung einer kommunalen Wärmeplanung zu verpflichten. Dabei können die Kommunen auf die Dienstleistungen Dritter zurückgreifen, gleichwohl verbleibt die Alleinverantwortung bei den Kommunen. Relevante Stakeholder wie zum Beispiel Stadtwerke, Handwerk und mögliche Bereitsteller und Nachfrager von Wärme bringen ihre jeweilige Expertise ein.
- die Aktivitäten auf Bundesebene zu unterstützen, schnellstmöglich alle datenschutz-rechtlichen und sonstigen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Kommunen die zur Erstellung von kommunalen Wärmeplänen notwendigen Daten möglichst präzise erheben und verarbeiten dürfen.
- Leit- und Steuerungsgedanken der kommunalen Wärmeplanung sollten die CO2-Ver-meidungskosten der verschiedenen Technologie-Optionen für die Endkundinnen und Endkunden sein. Dabei sind bei der Betrachtung der Wärmetechnologien die Energieeffizienz der jeweiligen Optionen zu berücksichtigen und die Wärmepläne sowohl wirtschaftlich, sozioökonomisch als auch ökologisch nachvollziehbar zu begründen. Es gilt zudem, Fortschritte bei der energetischen Sanierung, die sich etwa aus bundes- und europarechtlichen Regelungen ergeben, zu antizipieren.
- auf Bundesebene dafür einzutreten, dass der Bund mit seinem Gesetz über die kommunale Wärmeplanung auch die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellt.
- die Kommunen weiterhin zu ermutigen und dahingehend zu beraten, bereits heute mit einer kommunalen Wärmeplanung zu beginnen und dafür die bestehende, nicht rückzahlbare Bundesförderung in Anspruch zu nehmen.
- die Informations-, Unterstützungs- und Beratungsangebote des Kompetenzzentrums Wärmewende und der weiteren Akteure auf Landesebene konsequent weiterzuführen, regelmäßig zu überprüfen und gegebenenfalls weiterzuentwickeln.
- das Wärmekataster des LANUV als eine umfassende Daten-Grundlage für die Wärmeplanung in den Kommunen zu stärken und weiterzuentwickeln und dafür unter anderem um den Bestand und die Potenziale von Abwasser als Umweltwärme zu ergänzen, um diese erneuerbare Energie für die kommunale Wärmeplanung besser berücksichtigen zu können und nutzbar zu machen.
- die Kommunen und alle weiteren Beteiligten zu informieren und zu befähigen, beispielsweise bei der Bestands- und Potenzialanalyse im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung, auf die Daten des Wärmekatasters zurückzugreifen.
aufbauend auf den beim LANUV verfügbaren Potenzialstudien ein Landeskonzept „Möglichkeiten überregionaler Wärmenutzung“ zu erstellen, das unter anderem die Möglichkeiten für interkommunale Wärmenetze sowie eine Weiterentwicklung überregionaler Fernwärmetrassen adressiert sowie eine umfassende und beschleunigte Nutzbarmachung von Abwasser- und Abwärmepotenzialen sowie die Einsatzmöglichkeiten von z. B. Großwärmepumpen ermöglicht.