Versucht die Landesregierung durch Ressourcensteuerung die schulische Inklusion auszuhebeln?

Kleine Anfrage von Sigrid Beer

Der Aufbau eines inklusiven Bildungssystems ist eine Verpflichtung aus der UN- Behindertenrechtskonvention. Allen Beteiligten ist klar, dass das ein längerer und umfangreicher Prozess ist, bei dem über das Wie gerungen werden muss, aber das Ob bislang nicht in Frage gestellt wurde. Leider ist festzustellen, dass für die sonderpädagogische Förderung von Schülerinnen und Schülern immer noch und insgesamt zu wenig Lehrkräfte und multiprofessionelle Teams zur Verfügung stehen.
Deshalb hatte die rot-grüne Landesregierung u.a. mit den Hochschulen eine Ausweitung der Studienkapazität vereinbart (2300 Plätze). Die neue Landesregierung hat noch einmal um 100 Plätze erhöht. Allerdings dauert es einige Zeit, bis die neu ausgebildeten Kräfte auch für die Schulen zur Verfügung stehen. Für die Zwischenzeit wurde das berufsbegleitende Programm VOBASOF für Lehrkräfte aufgelegt. Auch das wird durch die neue Landesregierung fortgeführt. Trotzdem bleibt die Situation nach wie vor angespannt und nicht alle Stellen können besetzt werden.
Nun scheint aber die neue Landesregierung die knappe Ressource der Sonderpädagogik bei den Förderschulen konzentrieren zu wollen. Damit entsteht an den Regelschulen, die sich auf den Weg der Inklusion gemacht haben, eine nicht mehr verantwortbare Unterversorgung. So hat die Gesamtschule Langerfeld in Wuppertal jüngst in einem Brandbrief an die Schulministerin dargestellt, dass sie bislang etwa 80% der Stellen für Sonderpädagogik zur Verfügung hatten, was eine kritische Situation ist, die aber konzeptionell noch zu bewältigen war. Für das kommende Schuljahr ist nun eine Reduzierung der besetzten Stellen auf 37,8% von der Bezirksregierung verfügt worden. Den Förderschulen in Wuppertal werden dagegen 80% der Stellen zugewiesen. Die Schulkonferenz sieht nun keine andere Möglichkeit, als den weiteren Ausbau der Inklusion zu unterbrechen und keine neuen Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf aufzunehmen. Denn schon für die Beschulung der bereits aufgenommenen ist die Situation dramatisch.
Im Brief der Schule heißt es zu der Kürzung: „Damit kann die Schulgemeinde der Gesamtschule Langerfeld kein adäquates und angemessenes pädagogisches und
fachorientiertes Unterrichtsangebot für die Förderschüler*innen anbieten und verantworten.“ Und weiter: „Die Stadt Wuppertal möge für das kommende Schuljahr 2018/19 die koordinierten 12 inklusiven Schüler*innen der neuen 5.Klassen vorhandenen Förderschulen zuordnen, da die erforderlichen Ressourcen für das Gemeinsame Lernen an der Gesamtschule Langerfeld nicht gegeben sind.“
Im Koalitionsvertrag von CDU und FDP heißt es zur Inklusion:
„Christdemokraten und Freie Demokraten wollen die Inklusion an den Schulen bestmöglich und zum Wohle der Kinder und Jugendlichen gestalten. Dabei muss die Qualität der individuellen Förderung aller Kinder und Jugendlichen im Zentrum der Anstrengungen stehen. Gleichzeitig wollen wir Wahlmöglichkeiten für Familien sichern, um den unterschiedlichen Wünschen und Bedürfnissen gerecht werden zu können. Hierzu zählt auch eine durchgehende Wahlmöglichkeit zwischen Förderschule und inklusiver Regelschule.“ Die Gesamtschulen werden nur einmal im Koalitionsvertrag erwähnt und explizit in den Zusammenhang mit Inklusion gestellt:
„Die Gesamtschulen sind ein wichtiger Bestandteil einer vielfältigen Schullandschaft und bereiten auf die duale Ausbildung und Hochschulreife vor. Ihre langjährigen Erfahrungen im Bereich der Inklusion können einen wichtigen Beitrag zur erfolgreichen Gestaltung dieser gesellschaftlichen Aufgabe leisten. Wir wollen die Gesamtschulen wieder in die Lage versetzen, eigene Inklusionskonzepte umsetzen zu können.“
Überall in Nordrhein-Westfalen werden den integrierten Schulen mehr Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf zugewiesen – ohne dass zusätzliche Ressourcen damit einhergehen – und Gymnasien ermuntert, aus dem Inklusionsprozess auszusteigen.
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

  1. Wie lassen sich die geschilderten Veränderungen mit den Versprechungen im Koalitionsvertrag vereinbaren?
  2. Sollen Kinder bewusst wieder auf Förderschulen umgesteuert werden?
  3. Wie will die Landesregierung das Recht auf inklusive Beschulung sicherstellen, wenn sie die Ressource so steuert?
  4. Welche Unterstützung erhält die Gesamtschule Langerfeld auf Ihren Hilferuf hin?
  5. Ist es richtig, dass es in NRW schon weitere Schulkonferenzbeschlüsse in dieser Richtung gibt?