Verkehrswende im Rheinischen Revier auf den Weg bringen

Antrag der GRÜNEN im Landtag

I. Ausgangslage

Mit der Entscheidung zum Ausstieg aus der Braunkohleförderung im Rheinischen Revier durch das Kohleausstiegsgesetz des Bundes geht ein großer Strukturwandel in der Region einher. Um die Region auch mithilfe moderner Mobilität zukunftsfest aufzustellen, müssen heute schon die Weichen für mehr Klimaschutz auch in der Verkehrsinfrastruktur gestellt werden. Dies funktioniert nicht mit einer Politik, die sich am Leitbild der sechziger und siebziger Jahre orientiert und nach wie vor den Autoverkehr priorisiert. Doch genau das ist angesichts der Pläne, wie beispielsweise dem geplanten Neubau der Autobahn 61 nach Beendigung des Ta­gebaus Garzweiler, zu befürchten.

Um das Ziel der Klimaneutralität im Rheinischen Revier möglichst bald zu erreichen, müssen auch alle bislang begonnenen Planungen und Entscheidungen auf den Prüfstand. Denn mit dem Strukturstärkungsgesetz finanziert der Bund viele Vorhaben im Verkehrsbereich, die in Teilen kritisch zu sehen sind. Insbesondere die zahlreichen geplanten Straßenbauvorhaben zeigen, dass es mit dem Kampf gegen den Klimawandel und für eine Verkehrswende nicht wirklich ernst gemeint sein kann. Auch Ministerpräsident Laschet macht sich weder beim Bund noch in NRW für die Verkehrswende stark, sondern setzt weiterhin Priorität auf den Straßen­bau. Doch gerade im Rheinischen Revier gibt es jetzt die große Chance, den Strukturwandel so zu gestalten, dass er im Einklang mit den Anforderungen des Natur- und Klimaschutzes und höherer Lebensqualität für die dort lebenden Menschen steht. Dazu gehört ganz wesent­lich eine flächensparende, lärmarme und saubere Mobilitätsinfrastruktur, die die Bürgerinnen und Bürger sicher, bequem und zuverlässig ihre Ziele erreichen lässt. Der Zukunftsagentur Rheinisches Revier kommt dabei eine zentrale Aufgabe zu, denn sie muss dafür die Akteure und Stakeholder zusammenführen und die verschiedenen Maßnahmen koordinieren.

Ganz entscheidend ist dabei der flächendeckende Ausbau des Öffentlichen Personennahver­kehrs, das Rheinische Revier soll eine Modellregion werden. Dazu sind schon eine Reihe von guten Ansätzen zum Ausbau des S-Bahnnetzes erkennbar. Die Aufnahme der -S-Bahn von Aachen über Jülich und Bedburg nach Düsseldorf in das Strukturstärkungsgesetz des Bundes war ein wichtiger Schritt. Doch eine ganze Reihe von anderen schon lange geplanten Vorha­ben, wie zum Beispiel den Ausbau der Außenäste des Bahnknotens Köln in die Region oder die Elektrifizierung von Strecken hakt an vielen Stellen und wird laut Prognosen auch noch Jahrzehnte bis zur Fertigstellung dauern. Die Achse Mönchengladbach –Erkelenz – Düren – Köln ist bislang noch gar nicht richtig im Fokus, würde aber enormes Potential erschließen. Der notwendige Lückenschluss Linnich-Baal und die Nachnutzung der vorhandenen Kohle-bahnen sind Themen, die dringend angegangen werden sollten. Gerade wenn zukünftig

deutlich mehr Personen und Güter transportiert werden sollen, müssen die vorhandenen Stre­cken nun zügig ausgebaut und die neuen endlich angegangen werden. Denn während Groß­projekte des Autobahnbaus, wie beispielsweise die Leverkusener Brücke – trotz aller Widrig­keiten – innerhalb weniger Jahre geplant und absehbar fertiggestellt werden, sind die Zeit­räume bei der Schieneninfrastruktur viel zu lange, um den Erfordernissen der Verkehrswende auch nur ansatzweise gerecht zu werden. Umso wichtiger ist es jetzt, die vorhandenen finan­ziellen und personellen Ressourcen zu bündeln und die Prioritäten in der Verkehrspolitik zu verlagern. Die durch RWE bereitgestellten Mittel müssen deshalb zweckgebunden für den Ausbau des Umweltverbundes eingesetzt werden und nicht länger für redundante Autobahn­projekte wie den Bau der A 61n vorgehalten werden.

Viel einfacher als der Ausbau des ÖPNVs vor allem auf der Schiene sollte die Umsetzung eines komfortablen, sicheren und durchgängigen Fahrradroutennetzes sein. Dazu gibt es im Rheinischen Revier schon zahlreiche Initiativen und Projekte, aber noch kein Radverkehrs­konzept, das für die gesamte Region eine umfassende und strukturierte Planungsgrundlage für die Förderung des Radverkehrs bietet. Dabei ist gerade das landschaftliche Profil des Rhei­nischen Reviers ideal für die Fahrradnutzung in der Alltagsmobilität und im Tourismus. Die direkte Nachbarschaft zu den Niederlanden macht unmittelbar deutlich, was andernorts mit einer guten Fahrradinfrastruktur zu erreichen ist. Hier wäre ein deutlicher Fokus zu setzen und vom Land entsprechende Unterstützung, aber auch Vorgaben zu machen, damit das Routen­netz nicht Stückwerk wird und überall einen entsprechenden Ausbaustandard bietet.

Um eine Verknüpfung aller Verkehrsträger zu gewährleisten und damit eine schnelle, komfor­table und zuverlässige Mobilität für die Bürgerinnen und Bürger sicherzustellen, sind überall im Rheinischen Revier Mobilitätsstationen aufzubauen. Diese sollen vorrangig an ÖPNV- und SPNV-Haltepunkten entstehen und neben geschützten Wartebereichen auch sichere Abstellmöglichkeiten für den Radverkehr bieten. Außerdem sollen daran Car- und Bikesharing-Ange-bote angeschlossen sein, damit auch Menschen ohne eigenes Fahrzeug ihre Ziele erreichen können.

II. Der Landtag stellt fest

  • Das Rheinische Revier hat das Potential, zukünftig eine Modellregion für die Verkehrs­wende zu werden
  • eine Priorisierung auf den Umweltverbund bei den Infrastrukturmaßnahmen im Verkehrs­bereich ist notwendig
  • Klima-, Natur- und Artenschutz sowie die Mobilitätsansprüche der Bevölkerung und der Wirtschaft können im Rheinischen Revier in Einklang gebracht werden

III. Der Landtag beschließt:

Die Landesregierung wird aufgefordert, folgendes umzusetzen:

  • Für das Rheinische Revier wird gemeinsam mit den zuständigen Akteuren und in Koordi­nation mit der Zukunftsagentur Rheinisches Revier ein umfassender Plan für den Ausbau des Schienen und ÖPNV-Netzes erarbeitet, der folgende Kriterien erfüllt:
    – Ausbau der vorhandenen SPNV-Strecken zu eigenständigen S-Bahn-Strecken
    – Vollständige bzw. Teilelektrifizierung aller vorhandenen Schienenstrecken
    – Prioritärer Ausbau der Achsen Aachen – Jülich – Bedburg – Düsseldorf sowie Mön­chengladbach – Erkelenz – Düren – Köln inkl. Lückenschluss Linnich-Baal
    – Nachnutzung der vorhandenen Kohlebahn für den Schienenverkehr
    – Identifikation weiterer sinnvoller SPNV-Achsen und -Anschlüsse
    – Ausbau und Elektrifizierung vorhandener Schienengüterstrecken und Identifikation von weiteren sinnvollen Güterverkehrsstrecken
    – Anschluss möglichst vieler Gewerbegebiete an das Schienennetz
    – Anschluss aller bewohnten Gebiete an das ÖPNV-Netz
  • Überprüfung der geplanten Straßenbauvorhaben auf die verkehrliche Notwendigkeit unter Aspekten des Klimaschutzes, des Flächenverbrauchs, des Natur- und Artenschutzes, des Lärmschutzes und der Netzbetrachtung insgesamt
  • Verzicht auf den geplanten Bau der A61n nach Beendigung des Braunkohleabbaus, dazu sind Verhandlungen mit RWE und dem Bund zu einer Umwidmung der Gelder für andere verkehrliche Zwecke aufzunehmen
  • Ausbau der digitalen Infrastruktur zur Umsetzung von technischen Entwicklungen wie au­tonomes Fahren, Ride-Sharing, Echtzeitinformationen etc.
  • Aufbau von Mobilstationen an allen SPNV-Haltepunkten und anderen wichtigen Verknüp­fungspunkten
  • Aufbau eines flächendeckenden Car- und Bikesharing-Angebots in Zusammenarbeit mit den Kommunen und Marktakteuren
  • Aufstellung eines überörtlichen Radroutennetzplans inklusive Definition verbindlicher Aus­baustandards und Umsetzungshorizonte