Ungerechtigkeiten für Alleinerziehende im SGB II Bezug beseitigen – Umgangsmehrbedarf realisieren!

Antrag der Fraktion der SPD der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN

Ausgangssituation

Nach der Rechtsprechung des BSG muss bei temporären Bedarfsgemeinschaften eine sehr aufwendige tageweise und datumsgenaue Leistungsberechnung erfolgen. Beziehen beide Elternteile SGB II-Leistungen, müssen für einzelne Wochentage des Aufenthalts beim umgangsberechtigten Elternteil diesem die Grundsicherungsleistungen für das Kind zuerkannt und im Gegenzug beim sorgeberechtigten Elternteil wiederum in Abzug gebracht werden. Die Zuordnung des minderjährigen Kindes erfolgt in zwei sich zeitlich abwechselnde und zeitlich ausschließende Bedarfsgemeinschaften. Der Verwaltungsvollzug ist deshalb höchst aufwendig mit Bescheiden von teilweise über 60 Seiten für jeweils beide Bedarfsgemeinschaften. Weicht der Aufenthalt des Kindes z.B. krankheitsbedingt auch nur an einem Kalendertag von den in den Bescheiden ausgewiesenen Tagen ab, sind nach bisherigem Recht (mindestens ebenso umfangreiche) Änderungsbescheide zu erlassen. Die Entscheidungen über die Höhe der Leistungen sind für die Berechtigten aufgrund dessen nur schwer nachvollziehbar. Dieses Konstrukt des BSG ist entstanden aufgrund der fehlenden gesetzlichen Grundlage für einen Umgangsmehrbedarf.
Primäres Ziel des Bundesgesetzgebers im Rahmen des Neunten Gesetzes zur Änderung des SGB II (Rechtsvereinfachung) ist die Entbürokratisierung und Vereinfachung des Leistungs- und Verfahrensrechts des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch. Eine tagesweise Aufteilung des Sozialgeldes birgt jedoch die Gefahr einer Bedarfsunterdeckung im Haushalt des alleinerziehenden Elternteils. Vor allem in den Ferien, wenn die Kinder mehr als das sonst übliche Wochenende beim anderen Elternteil verbringen, sorgt das für erheblich geringere Leistungen, ohne dass der laufende Bedarf sinkt: Telefon und Internet, sowie Handyvertrag des Kindes, Vereinsbeiträge, Kosten für Kleidung etc. fallen in der Regel in dem Haushalt an, in dem sich das Kind mehr aufhält und bleiben in gleicher Höhe bestehen. Möbel, wie Bett und Schreibtisch, Bettwäsche, Handtücher und auch einige Spielsachen und teilweise Kleidung müssen aus einem Regelsatz dagegen für zwei Haushalte angeschafft werden, damit das Kind auch in beiden Haushalten zu Hause ist, und nicht nur aus dem Koffer lebt. Ähnlich verhält es sich mit Haushaltsgeräten, an deren Kosten sich das Kind im Falle einer Neuanschaffung oder Reparatur auch beteiligen muss.
Insbesondere für Frauen im SGB II Bezug führt dies zu weiteren finanziellen Einbußen, da diese immer noch deutlich häufiger als Männer die Erziehung ihrer Kinder alleine übernehmen. Schon die bisherige Umsetzung des BSG bedeutet eine Schlechterstellung alleinerziehender Haushalte. Die Abbildung der Lebenswirklichkeit in Sozialgesetzen gestaltet sich hinreichend schwierig. Bei der Absicherung des verfassungsrechtlich geschützten Umgangsrechtes und den vielgestaltigen Umgangs- und Sorgerechtskonstellationen wird das in besonderer Weise deutlich. Valide Statistiken zur Umgangs- und Sorgerealität liegen derzeit nicht vor.

Der Landtag stellt fest:

Eine Aufteilung des Sozialgeldes eines Kindes getrennt lebender Eltern im SGB II-Bezug führt im Ergebnis zu erheblichen finanziellen Einbußen bei Alleinerziehenden und ihren Kindern.
Die damit einhergehenden finanziellen Einschnitte können zu einer Beeinträchtigung des Umgangsrechts und zu sozialen Benachteiligungen getrennt lebender Eltern und ihrer Kinder führen. Zudem ist ein Leben in zwei Haushalten immer mit höheren Lebenshaltungskosten verbunden. Deshalb ist die taggenaue Aufteilung des Regelbedarfs hier nicht sachgerecht.
Statt an dem bisherigen Konstrukt der temporären Bedarfsgemeinschaft festzuhalten, sollte im SGB II ein Alternativmodell verankert werden. Denkbar wäre hier die Schaffung eines pauschalen Umgangsmehrbedarfs im SGB II. Dieser Mehrbedarf sollte dem Umgangsberechtigten zukommen. Die Leistungen in der Bedarfsgemeinschaft des hauptverantwortlichen Elternteils sollen dabei nicht gekürzt werden. Ziel ist es, das kindliche Existenzminimum in beiden Haushalten zu sichern und positive Anreize zu schaffen, die den Umgang beider Elternteile mit ihrem Kind beziehungsweise ihren Kindern befördern.
Der Landtag fordert die Landesregierung auf sich auf Bundesebene im vorgenannten Sinne dafür einzusetzen,
dass es zu keinen finanziellen Einschnitten für temporäre Bedarfsgemeinschaften zu Lasten der Kinder beider Elternteile kommt;
einen pauschalen Umgangsmehrbedarf im SGB II zu verankern, mit dem das kindliche Existenzminimum in beiden Haushalten der Elternteile gesichert wird.