Trotz Abstand vereint und solidarisch: Nordrhein-Westfalen zeigt Flagge für Vielfalt und Zusammenhalt!

Antrag der Fraktionen von SPD und GRÜNEN

Portrait Josefine Paul

I.       Ausgangslage
Die Formen des „zusammen Lebens“ und „zusammen Liebens“ sind so vielfältig, wie die Menschen selbst. Sie verdienen Anerkennung, Respekt und Wertschätzung. Vielfalt und Zusammenhalt machen unsere Gesellschaft stärker und menschlicher. Vor diesem Hintergrund fördert das Land Nordrhein-Westfalen zahlreiche LSBTIQ*-Strukturen und -Projekte. Gleichzeitig treten wir denen entschieden entgegen, die das Rad der Geschichte zurückdrehen wollen. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit – egal in welcher Form – hat bei uns keinen Platz. Wir bekennen uns darum zu der Vielfalt an Lebenswirklichkeiten in Nordrhein-Westfalen.
Ganze Generationen mutiger Menschen sind für ein Leben in Freiheit und Würde, ohne Diskriminierung oder sogar staatliche Verfolgung auf die Straße gegangen. Sie haben durch das Erheben ihrer Stimme, mit Mut und unter dem Symbol der Regenbogen-Flagge für ihre Rechte und gegen Unrecht gekämpft. Ihr Stolz auf die errungenen Freiheiten und Fortschritte ist berechtigt und verdient Anerkennung, denn die Vielfalt, in der wir heute leben dürfen, ist ihre Errungenschaft.
Am Christopher-Street-Day (CSD) erinnern Menschen in ganz Nordrhein-Westfalen, Deutschland und vielen anderen Teilen der Welt gemeinsam an diesen langen Weg der Emanzipation. Er ist ein Tag des politischen Protests für Freiheit und Gleichstellung. Gleichzeitig vergegenwärtigt er uns bestehende gesellschaftliche Herausforderungen und weiterhin bestehende Benachteiligungen. Er ist aber vor allem auch ein Fest des Lebens und der Vielfalt. Aufgrund der gegenwärtigen Corona-Pandemie werden die CSDs in diesem Jahr voraussichtlich nicht, nur in stark eingeschränktem Umfang oder in digitalen Formaten stattfinden können. Trotz dieser Einschränkungen sind und bleiben sie ein wichtiger Bestandteil der pluralen Identität Nordrhein-Westfalens.
Mit viel ehrenamtlichem Engagement ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten eine bunte Landkarte großer und kleiner CSDs in ganz Nordrhein-Westfalen entstanden. Sie sind zu einer festen Institution in Nordrhein-Westfalen geworden. Vor allem aber haben sie in den vergangenen Jahren einen wichtigen Beitrag zur Sichtbarkeit der queeren Community in unserem Land geleistet. Die Corona-bedingten Ausfälle von CSD-Veranstaltungen in diesem Jahr werden nun allerdings auch Auswirkungen auf die Sichtbarkeit von LSBTIQ* haben. Diese Vielfalt und Sichtbarkeit darf durch die Corona-bedingten Absagen vieler Veranstaltungen nicht gefährdet werden. Es ist nun wichtig, diese Sichtbarkeit auf anderen Wegen und mit alternativen Aktionsformen zu ermöglichen. Dies gilt auch insbesondere vor dem Hintergrund, dass queere Strukturen wie Vereine, Verbände, Safe Spaces und queere Medien im Zuge der Corona-Pandemie empfindlich getroffen wurden. Denn diese Strukturen sind kein Selbstzweck, sondern ein solidarisches Netzwerk, das über Jahrzehnte gewachsen ist und LSBTIQ* Schutz, Unterstützung und Sichtbarkeit ermöglicht.
Die Vielfalt des Lebens und des Liebens wird, trotz der weitreichenden Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte, von manchen noch immer und immer wieder abschätzig behandelt und sogar angegriffen. Für den Landtag von Nordrhein-Westfalen ist klar, dass niemand etwas verliert, wenn wir für die Rechte von und den Respekt gegenüber LSBTIQ* eintreten, sondern wir alle gewinnen. Unser Land wird durch Vielfalt reicher, nicht ärmer. Wir engagieren uns daher auch in Zukunft gegen jede Art der Diskriminierung und für Vielfalt und Zusammenhalt. Am Christopher-Street-Day und an jedem anderen Tag im Jahr.

II.      Der Landtag stellt fest:

1.      Wir treten jeder Form von Ausgrenzung, Diskriminierung und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit entschieden entgegen.
2.      Am Christopher-Street-Day bekennen sich Menschen sichtbar zum respektvollen Miteinander unterschiedlicher sexueller Orientierungen und geschlechtlicher Identitäten.
3.      Die in den Organisationen und Durchführungen der CSD-Feiern engagierten Menschen leisten einen wichtigen Beitrag für die Sichtbarkeit von LSBTIQ* und ihre politischen und gesellschaftlichen Anliegen.
4.      Nordrhein-Westfalen steht auch in Krisenzeiten und den sich daraus ergebenden Absagen oder Verschiebungen von CSD-Umzügen und Kundgebungen für Vielfalt und Zusammenhalt.
5.      Der Landtag bekennt sich zur Zukunft der CSDs in Nordrhein-Westfalen als aktive Beiträge für mehr Sichtbarkeit von LSBTIQ*.
6.      Das Land Nordrhein-Westfalen übernimmt in der Krise Mitverantwortung zur Bewahrung queerer Alltagskultur und zum Erhalt von Safe Spaces.
7.      Nordrhein-Westfalen fördert in und außerhalb von CSD-Zeiten bürgerschaftliches Engagement, Sichtbarkeit und Empowerment von LSBTIQ*. Trotz der Corona-Krise werden die Mittel ohne Einschränkungen wie bisher bewirtschaftet.
8.      Die „Allianz für Vielfalt und Chancengerechtigkeit“ hat auch das Ziel, die Toleranz und Akzeptanz von LSBTIQ* in der Arbeitswelt zu fördern und ist damit ein wichtiger Beitrag zur Überwindung von Benachteiligungen und Vorurteilen.
9.      Die Erforschung der LSBTIQ*-Bewegung in Nordrhein-Westfalen und andernorts sowie die Aufarbeitung von deren Verfolgung ist ein wichtiger Beitrag zur Bewältigung begangenen Unrechts.
10.   Bildungs- und Akzeptanzprojekte in den Schulen, in der Jugendarbeit und für Seniorinnen und Senioren sind wichtig, um die Akzeptanz für gleichgeschlechtliche Lebensweisen und geschlechtliche Vielfalt zu fördern.
11.   Das auf Bundesebene beschlossene Verbot sogenannter Konversionstherapien wird ausdrücklich begrüßt. Homosexualität ist keine Krankheit, sondern Ausdruck vielfältiger Liebe.

III.    Der Landtag NRW fordert die Landesregierung auf,

·           in Zeiten der Corona-Krise durch die Beflaggung von Ministerien mit der Regenbogenflagge am Christopher-Street-Day (8. August 2020) ein besonderes Zeichen der Solidarität mit und Sichtbarmachung von LSBTIQ* zu setzen.
·           mit den Verantwortlichen der LSBTIQ*-Communities Kontakt aufzunehmen, um mit ihnen insbesondere folgende Themen zu erörtern:
a.         Welche besonderen Problemlagen und Unterstützungsbedarfe ergeben sich aus dem Ausfall der Umzüge und Straßenfeste in diesem und den folgenden Jahren?,
b.         Welche alternativen Formate können einen Beitrag für mehr Sichtbarkeit von LSBTIQ* leisten und was kann das Land im Rahmen des Querschnittsansatzes dazu beitragen?
c.         Welche Bereiche queeren Lebens und welche bereits landesgeförderten Safe-Spaces sind angesichts der aktuellen Lage besonders gefährdet und welche Unterstützung wird hierfür bereitgestellt?
·           Mittel zur Verfügung zu stellen, um insbesondere die Organisatorinnen und Organisatoren kleinerer CSDs und Straßenfeste mit einem finanziellen Sockelbetrag dauerhaft zu unter- stützen.