Tierschutz an Schlachthöfen in Nordrhein-Westfalen verbessern!

Antrag der GRÜNEN im Landtag

Portrait Norwich Rüße

I.         Verstöße gegen geltendes Tierschutzrecht
Nordrhein-Westfalen ist ein regionaler Schwerpunkt der Fleischindustrie in Deutschland und Europa. Allein hier werden wöchentlich ca. 406.000 Schweine, 17.000 Rinder sowie 788.000 Stück Geflügel in den insgesamt 498 Schlachtbetrieben geschlachtet. Gemäß den geltenden tierschutzrechtlichen Vorgaben wie dem Tierschutzgesetz oder auch der Tierschutzschlachtverordnung dürfen Tiere nur unter Vermeidung von Schmerzen oder Leiden getötet werden. Somit müssen Tiere zur Schlachtung in einen bis zum Tod anhaltenden Zustand der Empfindungs- und Wahrnehmungslosigkeit versetzt und von jedweden vermeidbaren Schmerzen, Stress und Leiden verschont werden.
Die Realität stellt sich aber zu oft anders dar. Aufnahmen von Tierschützerinnen und Tierschützern belegen immer wieder gravierende Tierschutzverletzungen. So dokumentierte die Tierrechtsorganisation SOKO Tierschutz Quälereien und gesetzliche Verstöße gegen die Tierschutzschlachtverordnung in einem Großbetrieb in Düren im Jahr 2018. Die verdeckt durchgeführten Filmaufnahmen dokumentieren, dass Rinder und Schweine unsachgemäß betäubt und zum Teil unbetäubt getötet wurden. Auch in den niedersächsischen Kommunen Oldenburg und Bad Iburg sind ähnliche Bilder entstanden. Hier geschahen die Verstöße teilweise sogar in Anwesenheit von Amtsveterinären. Die betroffenen Schlachthöfe wurden anschließend von den zuständigen Behörden zumindest kurzzeitig geschlossen.
Bei den aufgezeigten Tierschutzverstößen ist die unsachgemäße Betäubung eines der häufigsten Probleme. Bislang gibt es keine unabhängige tierschutzrechtliche Zulassungs- und Prüfpflicht für Betäubungs- und Fixieranlagen in Deutschland. Die in der Schlachtung eingesetzten Geräte werden offensichtlich nicht immer ausreichend hinsichtlich ihrer Betäubungsleistung überprüft. Des Weiteren kommt in den Betrieben immer wieder Personal zum Einsatz, das über keine ausreichende Schulung verfügt, das unter zu starkem Zeitdruck arbeiten muss oder mit nicht richtig eingestellten technischen Anlagen arbeiten muss, die keine sachgerechte und tierschutzkonforme Schlachtungen erlauben. Das führt beispielsweise dazu, dass der Bolzenschussapparat bei Rindern nicht richtig angesetzt wird und das Tier nicht wie vorgeschrieben betäubt wird.
Bei der Schlachtung von Schweinen vergeht oftmals zu viel Zeit zwischen der Betäubung und der Entblutung der Tiere, was im weiteren Schlachtvorgang unnötiges Leiden verursacht. Die Mehrzahl der Schweine wird in Deutschland in Großschlachthöfen mittels CO2 betäubt, obwohl es bereits vor Zulassung dieser Betäubungsmethode wissenschaftliche Hinweise darauf gab, dass die CO2 Begasung bei den Tieren Erstickungsangst und Panikreaktionen auslöst und darüber hinaus zu schmerzhafter Schleimhautreizung führt. Hier gilt es Alternativen – beispielsweise eine Betäubung unter Verwendung von Argon und CO2 – zu prüfen und zu implementieren, um den Anforderungen an eine tierschutzgerechte Betäubung gerecht zu werden.
Ein grundsätzliches Problem in der heutigen Schlachtung ist die etablierte Akkordarbeit. Gerade in tierschutzrelevanten Arbeitsschritten wie dem Zutrieb, dem Betäuben oder dem Töten führt dies zu einem erheblichen Stress der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und auch deshalb kommt es immer wieder zu tierschutzrechtlichen Verstößen. Es braucht deshalb Maßnahmen, die darauf hinwirken, dass diese Arbeit zukünftig wieder mit der tierschutzrechtlich gebotenen Sorgfalt erledigt wird. Eine Möglichkeit wäre eine amtliche Vorgabe der maximalen Produktionsgeschwindigkeit in den sensiblen Bereichen Zutrieb, Betäubung und Tötung in einem Schlachtbetrieb. Mit der Duldung von offensichtlichen Verstößen gegen geltendes Tierschutzrecht wird nicht nur unendliches Tierleid hingenommen, sondern auch eine sukzessive Schwächung derjenigen Schlachtbetriebe, die sich um eine optimale Einhaltung der Tierschutzvorschriften bemühen.
II.       Defizit des amtlichen Kontrollsystems überarbeiten
Ein wesentlicher Schlüssel, um eine grundlegende Verbesserung der Zustände im Bereich der Schlachtung zu erreichen, ist eine intensivere Kontrolle auf Einhaltung tierschutzrechtlicher Vorgaben. Dafür sind in Nordrhein-Westfalen die Veterinärämter der Kreise bzw. kreisfreien Städte zuständig.
Die Einhaltung von Tierschutzvorgaben in den sensiblen Bereichen wie der Betäubung und Entblutung werden an Schlachthöfen lediglich stichprobenartig und risikoorientiert kontrolliert. Bislang obliegt es einem Tierschutzbeauftragten des Schlachtbetriebs, Missstände frühzeitig zu erkennen und Abhilfe zu schaffen. Notwendig erscheint es aber, die Rolle der Amtsveterinärinnen und Amtsveterinäre auszuweiten und neben der Schlachttier— und Fleischuntersuchung vor allem die Überwachung der Einhaltung der tierschutzrechtlichen Vorgaben in den Fokus ihrer Tätigkeit zu rücken
Die Veterinärämter der Kreise haben zusätzlich die fachliche Aufsicht über die amtlichen Tierärztinnen und Tierärzte. Diese sind beauftragt, die Einhaltung von Tierschutzrecht sicher zu stellen. Allerdings kontrollieren sie damit gleichzeitig gewerbliche Betriebe, die für die Regionen oft wichtige Arbeitgeber und Gewerbesteuerzahler darstellen. Darüber hinaus können die räumliche Nähe, persönliche Bekanntschaften und Verbindungen zu den Schlachtbetrieben die Objektivität der Kontrollen negativ beeinflussen. Ebenso führt die Tätigkeit vor Ort möglicherweise eher zu Bedrohungsszenarien und Einschüchterungsversuchen gegenüber Amtsveterinärinnen und Amtsveterinären, die deren Tätigkeit erheblich erschweren. Insbesondere bei größeren Schlachthöfen stellt sich daher die Frage, ob deren Kontrolle deshalb nicht besser von einer übergeordneten Behörde durchgeführt werden sollte.
Neben der Verbesserung der Kontrollintervalle gilt es auch, einheitliche Standards für Kontrollen von Schlachthöfen in NRW zu entwickeln, um einerseits die Kontrollen insgesamt zu verbessern, andererseits aber auch, um eine landesweit gleichmäßige Kontrollarbeit sicherzustellen. Dies ist auch im Interesse der gesamten Schlachtbranche. Unter anderem gilt es zu prüfen, ob Maßnahmen wie das Vier-Augen-Prinzip bei Tierschutzkontrollen, die verstärkte Durchführung unangekündigter Kontrollen, das Rotationsverfahren sowie ein einfaches Meldeverfahren von Unregelmäßigkeiten an das LANUV zu einer Erhöhung des Tierschutzniveaus an Schlachthöfen beitragen können.
Um Tierhaltern alternative Absatzwege anbieten zu können, müssen auch alternative Schlachtkonzepte erwogen werden. Mobile Schlachtanlagen beispielsweise finden deutschlandweit immer mehr Zuspruch, insbesondere weil es dem Tier Transportstress erspart und eine regionale Schlachtung ermöglicht. Derzeit begrenzt sich diese mobile Schlachtmethode stark auf kleinere, mittelständische Betriebe. Daher braucht es Konzepte, um regionale Schlachtbetriebe bei der Anschaffung von Schlachtboxen zu unterstützen. Es bedarf klarer, verbindlicher und bundesweit geltender Regelungen für Zulassungsbehörden, um eine zügige Umsetzung zu erzielen.
Die Landesregierung hat kürzlich erklärt, sich auf Bundesebene für die Schaffung einer rechtlichen Grundlage für die Anwendung von kamerabasierten Überwachungssystemen in Schlachthöfen einzusetzen. Diese Videoüberwachung kann einen Mehrwert für den Tierschutz erbringen, wenn diese von amtlichen Behörden nach festen Kriterien installiert werden und diese permanent Zugriff darauf haben. Sofern die rechtliche Grundlage gemäß der geltenden Datenschutzbedingungen geschaffen werden kann, ist eine verpflichtende und flächendeckende Einführung der Systeme in allen Schlachtbetrieben unerlässlich. Nur so können mögliche schwarze Schafe der Schlachtbranche für Tierschutzverletzungen identifiziert und belangt werden.
III.     Der Landtag stellt fest:
1.       Die wiederholten und schwerwiegenden Verletzungen tierschutzrechtlicher Bestimmungen auf Schlachthöfen haben grundsätzliche Mängel in der Schlachtbranche sowie Kontrolldefizite seitens der Behörden offengelegt.
2.       Die strikte Einhaltung der Tierschutzstandards sowie akzeptable Arbeitsbedingungen in den nordrhein-westfälischen Schlachthöfen sind Voraussetzung für die langfristige gesellschaftliche Akzeptanz für die hiesige Fleischproduktion.

IV.     Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

1.       dafür zu sorgen, dass sämtliche amtlich erhobenen Daten aus der Schlachttier- und Fleischuntersuchung zukünftig den Veterinärämtern und dem LANUV zur Verfügung gestellt werden.
2.       die Grundlage dafür zu schaffen, dass Kontrolle von Schlachtbetrieben auch durch übergeordnete Behörden durchgeführt werden können.
3.       einheitliche Kontrollstandards für Schlachthöfe zu entwickeln, die bei großen Schlachthöfen die Einführung eines Vier-Augen-Prinzips bei Tierschutzkontrollen sowie ein Rotationsverfahren innerhalb des Bundeslandes umfassen.
4.       die Personalsituation der Amtsveterinäre und der amtlichen Tierärzte in NRW konsequent zu verbessern.
5.       die in der amtlichen tierärztlichen Überwachung von Schlachtbetrieben Tätigen durch regelmäßige und standardisierte Fortbildungsveranstaltungen einheitlich und optimal weiterzubilden.
6.       zu prüfen, ob die Überwachung des Tierschutzes an Schlachtstätten außerhalb der Gebühren für die Schlachttier- und Fleischuntersuchung zu finanzieren ist, um eine maximale Unabhängigkeit und einen ausreichenden Umfang dieser Kontrollbereiche sicherzustellen.
7.       sich für eine Rücknahme der Bestimmung der VO2017/625 einzusetzen, nach der es ab Dezember 2019 ausreichen würde, dass unabhängig von der Größe eines Betriebes pro Schlachtbetrieb die Anwesenheit eines einzigen Tierarztes ausreicht.
8.       finanzielle Unterstützungsleistung für die Etablierung von mobilen Schlachtanlagen einzusetzen und derartige Verfahren in laufende Fördertatbestände wie beispielweise die Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) mit einzubeziehen.
9.       zu prüfen, inwiefern die in den Schlachtbetrieben durch die Eigenkontrollsysteme vorliegenden Daten zur Zuverlässigkeit der Betäubungs- und Schlachtverfahren und zu Häufigkeit, Art und Umfang tierschutzrelevanter Fehler abgefragt und in jährlichen Berichten anonymisiert veröffentlicht werden können.
10.    sich auf Bundesebene für die Schaffung einer rechtlichen Grundlage für die Einführung von kamerabasierten Überwachungssystemen in Schlachthöfen einzusetzen, die seitens der Amtsveterinäre eingerichtet werden und diesen einen permanenten Zugriff ermöglichen.
11.    sich auf Bundesebene für eine verbindliche, tierschutzrechtliche Zulassungs- und Prüfpflicht für Betäubungs- und Fixierungsanlagen einzusetzen.
12.    die CO2-Betäubung tierschutzgerecht zu gestalten, indem die Tiere zunächst mit dem nicht reizenden Gas Argon betäubt werden und CO2 nur noch zur Verlängerung der Betäubung erlaubt wird.