Selbstbestimmtes Leben in der eigenen Wohnung für Menschen mit Hilfebedarf sichern – SGB XIIUnterstützungsleistungen für Personen in Pflegegrad 1 weiterhin sicherstellen

Kleine Anfrage von Mehrdad Mostofizadeh und Josefine Paul

Mehrdad Mostofizadeh

Mit dem Inkrafttreten des Zweiten Pflegestärkungsgesetzes (PSG II) wurden die bislang vorgesehene Einteilung in drei Pflegestufen durch die Einteilung in fünf Pflegegrade ersetzt. Mit der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs sollen die Leistungen sich stärker an den Bedürfnissen jedes einzelnen Menschen, seiner individuellen Lebenssituation und an seinen individuellen Beeinträchtigungen und Fähigkeiten orientieren. Von der Neuausrichtung sollen insbesondere Menschen mit Einschränkungen bei der Bewältigung des Alltags wie bspw. auch Menschen mit Demenz profitieren.
Bis zur Gesetzesänderung sind Menschen, die mit den bisherigen Kriterien der Pflegeversicherung nur schwer oder gar nicht erfasst werden konnten, aber dennoch einen Unterstützungsbedarf hatten, in die sogenannte Pflegestufe 0 eingestuft worden. Diesen Personen ist bislang „Hilfe zur Pflege“ gewährt worden.
Mit der Neuregelung ab 01.01.2017 haben Personen die nicht mindestens in den Pflegegrad 2 eingestuft worden sind, sondern nur mit einer Einstufung in den Pflegegrad 1 oder keinen Pflegegrad haben keinen oder lediglich noch einen geringfügigen Anspruch auf Leistungen der „Hilfe zur Pflege“.
Aufgrund der gesetzlichen Änderungen wurde für viele Leistungsbezieherinnen und Leistungsbezieher eine Neubegutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) vorgenommen. In einer Reihe von Fällen hat der MDK im Rahmen der Neubegutachtung für die betroffenen Personen nur eine Einstufung in den Pflegegrad 1 vorgenommen. Dies führt dazu, dass diese Personen nun eine wesentlich geringere Leistung erhalten als zuvor, da die Leistungen nach der Neuregelung für den Pflegegrad 1 nun 125 Euro (Sachleistung) beträgt, während die Leistungen zuvor über die Hilfe zur Pflege etwa 300 Euro betragen haben.
Gerade für Personen die mehrmals wöchentlich auf eine Unterstützung angewiesen sind, übersteigen vielerorts die Kosten die Summe aus den Leistungsgewährungen zunehmend.
Die Betroffenen müssen selbst die Differenz aufbringen oder können sich eine entsprechend notwendige Unterstützung bei den alltäglichen Verrichtungen oft nicht mehr leisten.
Der Landkreistag NRW hat seinerseits hierzu bereits Empfehlungen zur Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII für Personen mit einer Einstufung unterhalb von Pflegegrad 2 an die örtlichen Sozialhilfeträger herausgegeben.
Demnach kann der Wegfall der Leistung „Hilfe zur Pflege“ kompensiert werden durch eine Gewährung von Leistungen bei hauswirtschaftlichen Bedarfen. Hierbei handelt es sich allerdings um Leistungen, die i.d.R. nur vorübergehend, nicht aber dauerhaft gewährt werden. Wenn durch die Leistungen allerdings die Unterbringung in einer stationären Einrichtung vermieden oder aufgeschoben werden kann, kann diese Leistung gemäß § 70 Abs.1,2 SGB XII auch längerfristig, also nicht nur vorübergehend gewährt werden. Diese Kann-Regelung ermöglicht eine Leistungsgewährung im Sinne der betroffenen Menschen, macht aber auch deutlich, dass dies im Ermessen der örtlichen Sozialhilfeträger liegt, diesen Spielraum zu nutzen.
Grundsätzlich macht dieser Sachverhalt deutlich, dass es hier eine gesetzliche Lücke gibt, die im Gegensatz zum Anspruch der Neuregelungen nach dem PSG II zu einer Verschlechterung der Leistungen gerade für Menschen mit einer eingeschränkten Alltagskompetenz führt.
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

  1. Teilt die Landesregierung die Einschätzung, dass die oftmals positiven Neuregelungen des PSG II bei dem in der Vorbemerkung beschriebenen Personenkreis eine korrekturbedürftige Regelungslücke hinterlässt?
  2. Gibt es neben den Empfehlungen des Landkreistages NRW vom 01.08.2017 „zur Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII für Personen mit einer Einstufung unterhalb von Pflegegrad 2“ weitere Empfehlungen kommunaler Spitzenverbände?
  3. In welchen Gebietskörperschaften (Kommunen und Kreise) finden diese Empfehlungen Anwendung? (Bitte nach Inhalt und Zuständigkeit aufschlüsseln).
  4. Plant die Landesregierung zur Klärung dieser Situation im Sinne der betroffenen Menschen vergleichbare Empfehlungen an die Sozialhilfeträger abzugeben oder andere Schritte einzuleiten?
  5. Gibt es Initiativen der Landesregierung die Regelungen im SGB XII auf Bundesebene nochmals anzupassen, um eine Schlechterstellung des in der Vorbemerkung beschriebenen Personenkreises künftig zu vermeiden?

Mehrdad Mostofizadeh Josefine Paul