Schutz Kritischer Infrastrukturen in der COVID 19-Pandemie stärken – Versorgungssi­cherheit bei drohender Infektionswelle im Winter gewährleisten

Antrag der Fraktionen von CDU und GRÜNE im Landtag

Portrait Dr. Julia Höller

I. Ausgangslage

Kritische Infrastrukturen (KRITIS) sind die Grundpfeiler unserer Gesellschaft, indem sie die Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern und Dienstleistungen gewährleisten. Neben den nach dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) und dem Bundes­ministerium des Innern (BMI) definierten Kritischen Infrastrukturen müssen darüber hinaus Bil-dungs- und Betreuungseinrichtungen in den Fokus genommen werden, da sie wesentlich zur Funktionsfähigkeit der Gesellschaft beitragen.

Wenn Kritische Infrastrukturen ausfallen oder nur begrenzt funktionsfähig sind, führt dies zu erheblichen Versorgungsengpässen für die Bürgerinnen und Bürger. Bei einem Ausfall in be­stimmten Branchen kann es zu einem Dominoeffekt kommen, sodass auch andere Sektoren betroffen sind und sich die bereits eingeschränkte Versorgungslage verschärft.

Der Schutz Kritischer Infrastrukturen ist eine gemeinschaftliche Aufgabe staatlicher und priva­ter Betreiber. Sie haben die Aufgabe, für einen sicheren und zuverlässigen Betrieb ihrer Anla­gen und Einrichtungen zu sorgen. Zugleich ist der Schutz Kritischer Infrastrukturen eine der Kernaufgaben staatlicher und unternehmerischer Sicherheitsvorsorge. Die Bundesregierung ist deshalb aufgefordert, möglichst bald das im dortigen Koalitionsvertrag vorgesehene KRI-TIS-Dachgesetz vorzulegen.

Mit der COVID 19-Pandemie gerieten verschiedene Sektoren und Branchen sehr stark unter Druck. Dazu gehören neben dem Gesundheitssektor unter anderem der Transport- und Lo-gistiksektor sowie Bereiche der öffentlichen Verwaltung. Durch die zeitgleiche Erkrankung vie­ler Beschäftigter konnten viele Tätigkeiten nicht mehr wie gewohnt durchgeführt werden. Der Personalmangel führte in Teilen zu Einschränkungen in der Versorgung.

Gleichzeitig hat die COVID 19-Pandemie dazu geführt, die Digitalisierung in vielen Sektoren und Branchen voranzutreiben, was – neben vielen Vorteilen – die Bedrohungslage gegenüber Cyberangriffen erhöht. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) sieht die Cyber-Bedrohungslage für Deutschland bei einer insgesamt schon angespannten Gesamtbe-drohungslage als erhöht an.

Im Zuge des Krieges des Putin-Regimes gegen die Ukraine besteht die Möglichkeit, dass zu der sich im Winter womöglich verschärfenden Situation der COVID 19-Pandemie eine ange­spannte Energieversorgungslage hinzutreten wird, was zu einer Überlagerung von Krisen füh­ren könnte. Dies könnte zusätzliche Herausforderungen für den Schutz von Kritischen Infra­strukturen bedeuten.

Die Erfahrung der letzten beiden Winter der COVID 19-Pandemie hat gezeigt, dass auch für den bevorstehenden Winter mit einer Zunahme der Infektionszahlen zu rechnen ist, die zu einem größeren Krankenstand und Personalausfall in vielen Bereichen Kritischer Infrastruktu­ren führen kann. Zu diesem Schluss kommt auch der Corona-ExpertInnenrat der Bundesre­gierung und stellt fest, dass es zu erheblichen Belastungen im Bereich Kritischer Infrastruktu­ren, insbesondere im Gesundheitssystem, kommen wird.

Zu dieser Verschärfung der pandemischen Lage in der Bundesrepublik und in Nordrhein-West­falen traten bzw. treten Entwicklungen hinzu, die vor allem im Zusammenhang mit dem Krieg stehen, den das Putin-Regime gegen die Ukraine seit dem 24. Februar 2022 führt. Eine Folge war zunächst eine Beeinträchtigung der Transportbranche durch fehlende Fernfahrer, die sich etwa auf die Versorgung mit Arzneimitteln und medizinischen Produkten oder mit Lebensmit­teln auswirkte. Gleichzeitig führten Personalausfälle in der Transportbranche zu Lieferverzö­gerungen in vielen weiteren Bereichen, u. a. in der Industrie, die sich auf Produktionsprozesse und die Verfügbarkeit von Gütern und Dienstleistungen – zum Teil bis heute – auswirken.

Für zusätzliche relevante Auswirkungen könnte eine Gaskrise sorgen, die durch eine dauer­hafte Einstellung der russischen Gaslieferung ausgelöst werden könnte. Das hätte erhebliche Konsequenzen, u. a. im Energie-, Ernährungs- und Gesundheitssektor sowie für Staat und Verwaltung, die in der Krisenlage die Steuerung übernehmen müssen. Auch Sabotageakte wie jüngst gegen den Funkverkehr der Deutschen Bahn zeigen auf, wie wichtig der Schutz Kritischer Infrastrukturen ist.

Eine mögliche Überlagerung verschiedener Krisensituationen könnte die Betreiber Kritischer Infrastrukturen vor enorme Herausforderungen stellen. Es geht daher darum, für die kommen­den Monate bestmöglich vorbereitet zu sein, um Versorgungssicherheit mit lebensnotwendi­gen Gütern und Dienstleistungen auch in sich überlagernden Krisen zu gewährleisten.

Der Corona-ExpertInnenrat der Bundesregierung hat als spezifische Ziele für den kommenden Herbst und Winter neben einer Abmilderung der pandemiebedingten Folgen, des Schutzes des Gesundheitssystems und der besonders vulnerablen Bevölkerungsgruppen sowie einer Minimierung der kollateralen Belastungen der Gesellschaft das Ziel formuliert, die Überlastung der Kritischen Infrastruktur zu jedem Zeitpunkt zu vermeiden.

Damit eine Abnahme an verfügbarem Personal in Kritischen Infrastrukturen bei gleichzeitig zunehmender Arbeitslast nicht zu einer Überlastung führt, braucht es frühzeitig vorbeugende Maßnahmen. Dabei fällt gerade dem Energiesektor eine Schlüsselrolle zu, weil fast alle ande­ren Sektoren Kritischer Infrastruktur in irgendeiner Form von Energie abhängig sind, sei es von Strom, Wärme oder Kraftstoff. Die angespannte Gasversorgungslage ist hierbei ein wei­terer Unsicherheitsfaktor für die (Notfall-)Planungen Kritischer Infrastrukturen.

Vor diesem Hintergrund müssen frühzeitig Maßnahmen für Kritische Infrastrukturen ergriffen werden, um im Ernstfall vorbereitet zu sein und schnell auf plötzliche Entwicklungen in den kommenden Monaten reagieren zu können. Der Schutz Kritischer Infrastruktur erfordert dabei ein abgestimmtes Vorgehen aller Beteiligten in Staat, Wirtschaft und Öffentlichkeit.

Der Landesregierung hat dabei u. a. die Aufgabe, Kritische Infrastrukturen in den jeweiligen Ressorts zu identifizieren, durch Gesetze und andere Vorschriften die Betreiber bei ihren Not-fallplanungen zu unterstützen und entsprechende Maßnahmen im eigenen Verantwortungs­bereich zu initiieren. Dabei gewährleistet die Landesregierung weiterhin selbst durch entspre­chende Planungen ihre eigene Arbeitsfähigkeit zur Aufrechterhaltung der Staats- und Regie­rungsfunktion.

Im Anschluss an die zweite Sitzung des Bund-Länder-Krisenstabs vom 21. Dezember 2021 hat die Landesregierung die Vertreterinnen und Vertreter bzw. die Dachorganisationen der Sektoren der Kritischen Infrastrukturen in Nordrhein-Westfalen um Überprüfung der Pande-miepläne gebeten und mitzuteilen, ob für den Fall eines (teilweisen) Ausfalls der Kritischen Infrastruktur, Unterstützungsbedarf von außen besteht. Angesichts der veränderten Lage liegt eine weitere Überprüfung nahe.

Die Zukunftskoalition von CDU und GRÜNEN bereitet sich bereits jetzt auf mögliche Heraus­forderungen in Herbst und Winter durch die weiter anhaltende COVID 19-Pandemie vor. Wir handeln damit vorrausschauend im Sinne der Menschen.

II. Beschlussfassung

Der Landtag stellt fest,

  1. dass eine mögliche Infektionswelle in den bevorstehenden Herbst- und Wintermonaten zusammen mit einer eventuell angespannten Energieversorgungslage zu einer beson­deren Herausforderung für die Kritischen Infrastrukturen führen kann,
  2. dass alle Beteiligten in ihrem Bereich Vorsorge für den Schutz der Kritischen Infrastruk­turen treffen müssen und dabei sowohl sektorale als auch sektorübergreifende Schutz­maßnahmen berücksichtigt werden müssen,
  3. dass die Landesregierung einen Fokus auf den Schutz Kritischer Infrastrukturen setzt und mit Bund und Kommunen die Betreiber beim Ergreifen wirksamer Schutzmaßnah­men unterstützt,
  4. dass der Landesregierung als Kritische Infrastruktur zur Aufrechterhaltung der Staats-und Regierungsfunktion weiterhin eine Aufgabe und Verantwortung hinsichtlich der Um­setzung eigener Schutzmaßnahmen zukommt.
  5. Die Ressorts haben die Möglichkeit, ggf. interne Umschichtungen vorzunehmen bzw. nicht verausgabte Mittel zu nutzen, um die gewünschte Vorsorge zu finanzieren.

Der Landtag beauftragt die Landesregierung,

  1. mit Blick auf eine drohende COVID 19-Infektionswelle im bevorstehenden Winter, die Betreiber Kritischer Infrastrukturen weiterhin bei der Planung und Umsetzung ihrer Schutzmaßnahmen zu unterstützen,
  2. die Betreiber insbesondere bei der Anpassung der notwendigen Schutzmaßnahmen im Hinblick auf eine möglicherweise gleichzeitig bestehende kritische Energieversorgungs­lage zu unterstützen,
  3. als Kritische Infrastruktur ihre eigenen Schutzmaßnahmen zur Aufrechterhaltung der Staats- und Regierungsfunktion zu überprüfen und gegebenenfalls an die neuen Her­ausforderungen anzupassen,
  4. weiter zu prüfen und gegebenenfalls vorzubereiten, wie drohenden Personalengpässen entgegen gewirkt werden kann, z. B. durch Anpassung und Ergänzung ressort- und ebenenübergreifender Regelungen,
  5. die Koordinierungsstelle Kritische Infrastrukturen (KOST KRITIS) im Ministerium des In­nern formal einzurichten, sie mit der Koordinierung der erforderlichen Schutzmaßnah­men zu beauftragen und die Zusammenarbeit mit der Koordinierungsstelle Cybersicher-heit NRW und dem Wirtschaftsschutz zu intensivieren,
  6. die Landeskampagne zur Stärkung der Resilienz der Menschen in Nordrhein-Westfalen bei Ausfällen von Kritischer Infrastruktur weiter auszubauen,
  7. die Fachausschüsse fortlaufend über das Vorgehen zu informieren